VwGH 2007/21/0556

VwGH2007/21/05569.11.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des K, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 26. März 2007, Zl. St 294/05, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Hinsichtlich der Vorgeschichte wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Jänner 2007, Zl. 2006/18/0402, verwiesen, womit der im ersten Rechtsgang von der belangten Behörde erlassene Ausweisungsbescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben wurde.

Mit dem angefochtenen Ersatzbescheid vom 26. März 2007 wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß §§ 31, 53 und 66 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) neuerlich aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich aus.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei am 12. Juni 2001 unter Umgehung der Grenzkontrolle und unter Zuhilfenahme eines Schleppers unrechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist. Am 26. Juni 2001 habe er beim Bundesasylamt einen Asylantrag eingebracht. Über diesen sei im Instanzenzug am 13. März 2003 "negativ entschieden" worden. Einer dagegen eingebrachten Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof sei zwar mit Beschluss vom 19. Dezember 2003 (Zl. AW 2003/20/0437) aufschiebende Wirkung zuerkannt worden, mittlerweile sei jedoch die Behandlung der Beschwerde (mit Beschluss vom 26. Juli 2005, Zl. 2003/20/0542) abgelehnt worden. Da dem Beschwerdeführer weder ein Einreisetitel nach dem FPG noch ein Aufenthaltstitel nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) erteilt worden sei und ihm auch kein sonstiges Aufenthaltsrecht zukomme, halte er sich rechtswidrig im Bundesgebiet auf.

Auf Grund des seit 12. Juni 2001 währenden Aufenthalts im Bundesgebiet sowie der Umstände, dass der Beschwerdeführer einer geregelten Beschäftigung nachgehe und selbständig für seinen Lebensunterhalt sorgen könne, gut Deutsch spreche, einen Freundeskreis aufgebaut habe und seine älteste Tochter, die "in Österreich verheiratet" sei, in Linz wohne, sei dem Beschwerdeführer "eine diese(n) Umstände entsprechende Integration zuzugestehen".

Es sei sohin ein Eingriff in das Privat- und Familienleben im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG gegeben. Allerdings sei das Gewicht der aus dem mehrjährigen Aufenthalt in Österreich resultierenden persönlichen Interessen maßgeblich relativiert, weil der Aufenthalt bis zur Beendigung des Asylverfahrens lediglich auf Grund des Asylantrages berechtigt gewesen sei und sich dieser als unbegründet erwiesen habe. Der Beschwerdeführer könne den Kontakt zu seiner ältesten Tochter und deren Familie - wenn auch erschwert - vom Ausland aus aufrecht erhalten. Bereits ein mehrmonatiger unrechtmäßiger Aufenthalt gefährde die öffentliche Ordnung in hohem Maße, weshalb die Ausweisung nach § 66 Abs. 1 FPG zur Wahrung der öffentlichen Ordnung dringend geboten sei. Das Vergehen der Schlepperei gehöre zu den schwerwiegendsten strafbaren Handlungen. Diese Art der Kriminalität habe Formen angenommen, die ein rigoroses Vorgehen - ganz gleich in welcher Art - dringend erforderlich machten. Es würde demnach geradezu einer Förderung des Schlepperunwesens gleichkommen, würde man dem Beschwerdeführer den weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet gestatten. Die öffentliche Ordnung werde schwerwiegend beeinträchtigt, wenn einwanderungswillige Fremde, ohne das betreffende Verfahren abzuwarten, sich unerlaubt nach Österreich begeben, um damit die österreichischen Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen. Dies gelte ebenso, wenn Fremde nach Auslaufen einer Aufenthaltsberechtigung oder nach Abschluss eines Asylverfahrens das Bundesgebiet nicht rechtzeitig verlassen. In solchen Fällen sei die Ausweisung erforderlich, um jenen Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte. Vor diesem Hintergrund müsse auch von der Ermessensbestimmung des § 53 Abs. 1 FPG Gebrauch gemacht werden.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 25. September 2007, B 830/07-7, ablehnte und die Beschwerde mit gesondertem Beschluss vom 21. Dezember 2007 dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die - im Verfahren ergänzte - Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, sich seit Abschluss des Asylverfahrens unrechtmäßig im Bundesgebiet aufzuhalten. Die diesbezügliche Ansicht der belangten Behörde, der Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG, nach dem der Beschwerdeführer wegen unrechtmäßigen Aufenthalts ausgewiesen werden könne, sei erfüllt, begegnet keinen Bedenken.

Anders als der Beschwerdeführer meint, steht aber auch der von ihm (seinen Ausführungen zufolge im Oktober 2005) gestellte "Antrag auf Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung" der Erlassung der Ausweisung nicht entgegen (vgl. zur hier maßgeblichen Rechtslage etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Juli 2008, Zl. 2008/21/0220, mwN).

Der Beschwerdeführer bringt zu der nach § 66 Abs. 1 FPG vorgenommenen Interessenabwägung vor, die belangte Behörde hätte schon auf Grund des erwähnten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Jänner 2007, womit der im ersten Rechtsgang erlassene Bescheid der belangten Behörde aufgehoben wurde, seiner Berufung Folge geben müssen. Damit missversteht der Beschwerdeführer allerdings den Inhalt des genannten Erkenntnisses. Der im ersten Rechtsgang erlassene Bescheid wurde vom Verwaltungsgerichtshof deswegen aufgehoben, weil die belangte Behörde davon ausgegangen war, es wäre nicht in relevanter Weise in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen worden, und es hätte sich daher eine Erörterung erübrigt, ob die Ausweisung im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG dringend geboten wäre. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers enthält das zitierte Erkenntnis aber keine abschließende Aussage darüber, wie die Interessenabwägung auszufallen habe. Insbesondere kann dieser Entscheidung nicht entnommen werden, dass die Erlassung einer Ausweisung mit Blick auf § 66 Abs. 1 FPG nicht (mehr) zulässig wäre.

Soweit der Beschwerdeführer die Ansicht der belangten Behörde kritisiert, seine im Jahr 2001 mit Hilfe eines Schleppers erfolgte Einreise könne ihm zum Nachteil gereichen, ist er insofern im Recht, als diesem Gesichtspunkt im vorliegenden Fall keine ausschlaggebende Relevanz beizumessen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. September 2008, Zl. 2008/21/0087, mwH). Angesichts der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten und von der belangten Behörde auch berücksichtigten Umstände zu seiner Integration kann aber die Auffassung der belangten Behörde, dass die Interessenabwägung nicht zu seinen Gunsten auszufallen habe, letztlich nicht als rechtswidrig erkannt werden. Zutreffend verwies die belangte Behörde nämlich darauf, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers, der lediglich auf einen unbegründeten Asylantrag zurückzuführen war, sich stets als unsicher darstellte. Es entspricht aber der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass das persönliche Interesse eines Fremden an einem Verbleib in Österreich in seinem Gewicht maßgeblich gemindert ist, wenn der Fremde keine genügende Veranlassung gehabt hatte, von einer Erlaubnis zu einem dauernden Aufenthalt in Österreich auszugehen. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass der Asylantrag des Beschwerdeführers bereits im Februar 2002 erstinstanzlich abgewiesen wurde. Es trifft aber auch die behördliche Ansicht zu, dass den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses - ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. auch zu diesen Aspekten das bereits erwähnte Erkenntnis 2008/21/0220).

Die geltend gemachten Umstände reichen demgegenüber auch in Verbindung mit der - bis zur Bescheiderlassung etwa 6 Jahre währenden - Aufenthaltsdauer nicht aus, dass unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK oder des Ermessens von einer Ausweisung hätte Abstand genommen und akzeptiert werden müssen, dass der Beschwerdeführer mit seinem Verhalten (unrechtmäßige Einreise und unrechtmäßiger Verbleib nach negativer Beendigung des Asylverfahrens) versucht, vollendete Tatsachen zu schaffen.

Da somit die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Wien, am 9. November 2010

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