VwGH 2007/21/0256

VwGH2007/21/025622.1.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kühnberg, über die Beschwerde des O Y, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 22. Mai 2007, Zl. 2 F 682-2006, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, reiste am 10. März 2003 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte einen Asylantrag, der im Instanzenzug mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 3. Dezember 2004 rechtskräftig abgewiesen wurde. Eine dagegen erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zog der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 4. März 2005 wieder zurück. Er hatte nämlich am 16. Februar 2005 die österreichische Staatsbürgerin Sonja F. geheiratet und am 2. März 2005 unter Berufung auf diese Ehe bei der Bundespolizeidirektion Graz einen (danach bewilligten) Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittsta. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG" gestellt.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 22. Mai 2007 erließ die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark (die belangte Behörde) gegen den Beschwerdeführer ein (insbesondere) auf §§ 87, 86 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG gestütztes Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren.

Ausgehend von näher begründeten beweiswürdigenden Überlegungen kam die belangte Behörde zu dem Ergebnis, der Beschwerdeführer habe mit einer österreichischen Staatsbürgerin die Ehe geschlossen und sich für die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung auf diese Ehe berufen, obwohl er mit seiner Ehefrau ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt habe. Der Missbrauch des Rechtsinstitutes der Ehe zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Rechte stelle eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar, sodass - so lässt sich die Begründung der belangten Behörde zusammenfassen - die Annahme im Sinne des § 86 Abs. 1 FPG gerechtfertigt sei, das Verhalten des Beschwerdeführers stelle eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Deshalb erweise sich das Aufenthaltsverbot gegen den keine (sonstigen) familiären Bindungen in Österreich aufweisenden Beschwerdeführer - auch unter Berücksichtigung einer durch den Aufenthalt seit März 2003 erlangten Integration, insbesondere der legalen unselbständigen Erwerbstätigkeit, die jedoch nur auf die Aufenthaltsehe zurückzuführen sei - im Sinne des § 66 Abs. 1 FPG als dringend geboten und nach Abwägung der gegenläufigen Interessen nach § 66 Abs. 2 FPG für zulässig. Auch das der Behörde eingeräumte Ermessen könne nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers ausgeübt werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:

Der Beschwerdeführer ist Familienangehöriger (§ 2 Abs. 4 Z 12 FPG) einer Österreicherin. Für diese Personengruppe gelten jedenfalls - und zwar gemäß § 87 zweiter Satz FPG auch dann, wenn der österreichische Angehörige sein (gemeinschaftsrechtlich begründetes) Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch genommen hat - die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach § 86 FPG. Nach § 86 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nur zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Es entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass diese Voraussetzungen gegeben sind, wenn der Fremde im Sinne des Tatbestandes des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG eine sogenannte Aufenthaltsehe geschlossen, also mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt und sich trotzdem für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheines auf diese Ehe berufen hat (vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 2007, Zl. 2007/21/0485, mit weiteren Hinweisen).

Den Schwerpunkt der Beschwerdeausführungen bildet die Kritik an der behördlichen Beweiswürdigung, mit der es dem Beschwerdeführer jedoch nicht gelingt, eine diesbezügliche Unschlüssigkeit aufzuzeigen. Der Verwaltungsgerichtshof hegt - im Rahmen der ihm insoweit zukommenden (eingeschränkten) Prüfungsbefugnis - keine Bedenken dagegen, dass die belangte Behörde ihre Einschätzung zum Vorliegen einer Aufenthaltsehe vor allem auf die im Zuge der Erhebungen im Oktober 2005 getätigte und auch bei ihrer Vernehmung im Rahmen des Berufungsverfahrens im November 2006 im Wesentlichen aufrecht erhaltene Aussage der Ehefrau des Beschwerdeführers stützte. Danach sei die Ehe zwischen ihr und dem Beschwerdeführer von einer dritten Person, der sie den geliehenen Betrag von EUR 3.000 nicht habe zurückzahlen können, vermittelt worden. Es sei ihr für die Eheschließung der Nachlass dieser Schuld angeboten und die zusätzliche Zahlung von EUR 2.000 in Aussicht gestellt worden. Sie habe mit dem Beschwerdeführer nicht zusammengewohnt und die Ehe sei auch nie vollzogen worden. Die Beziehung habe sich nur auf die Eheschließung und die vorherigen Formalitäten bei der türkischen Botschaft beschränkt. Es habe sich "auf jeden Fall" um eine Scheinehe gehandelt. Diesen zeugenschaftlichen Angaben tritt die Beschwerde nicht konkret entgegen. Im Übrigen wurden diese Angaben durch den Zeugen Bernd P. in seiner Befragung am 9. März 2007 bestätigt. Danach führe er mit Sonja F. seit Juni 2000 eine Lebensgemeinschaft. Ihm sei bekannt gewesen, dass seine Lebensgefährtin beabsichtigt habe, mit dem Beschwerdeführer eine Scheinehe einzugehen, obwohl er damit nicht einverstanden gewesen sei. Wegen der damaligen prekären finanziellen Situation sei es aber dann doch dazu gekommen. In diesem Zusammenhang erwähnte der Zeuge auch einen gemeinsamen Besuch bei einem Kreditvermittler, der Sonja F. wegen der Unmöglichkeit der Kreditrückzahlung insofern unter Druck gesetzt habe, als er ihr empfohlen habe, eine Scheinehe zu schließen. Auch wenn Sonja F. während des Zeitraums von Februar bis September 2005 an der Adresse des Beschwerdeführers gemeldet gewesen sei, habe sie tatsächlich immer mit ihm (Bernd P.) zusammengewohnt. Es habe sich aus seiner Sicht um eine Scheinmeldung gehandelt.

Vor diesem Hintergrund gelingt es der Beschwerde mit dem Hinweis auf die nur teilweise relativierenden (sie habe von Februar bis September 2005 in der vom Vermittler zur Verfügung gestellten Wohnung gemeinsam mit dem Beschwerdeführer gelebt, wobei die Ehe allerdings nicht vollzogen worden sei, weil sie "nicht gleich so schnell mit jedem ins Bett hupfe"), die Behauptung einer Scheinehe aber aufrecht erhaltenden Angaben der Sonja F. bei ihrer Befragung am 13. November 2006 nicht, die angenommene Glaubwürdigkeit der ersten Angaben dieser Zeugin, die (wie erwähnt) mit der Zeugenaussage ihres Lebensgefährten in Einklang stehen, und die Qualifizierung der gegenteiligen Angaben des Beschwerdeführers am 21. März 2006 und am 10. Oktober 2006 als "Schutzbehauptungen" als unschlüssig darzustellen. Die darauf gegründete Annahme des Vorliegens einer Aufenthaltsehe kann auch deshalb nicht erschüttert werden, weil es die Beschwerde unterlässt, konkret aufzuzeigen, warum den Angaben des Beschwerdeführers zum Bestehen einer Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft mit Sonja F. eine höhere Glaubwürdigkeit zuzubilligen gewesen wäre; eine bloße Wiederholung von deren Inhalt genügt dazu nicht.

Entgegen den Beschwerdeausführungen ist der belangten Behörde in diesem Zusammenhang aber auch kein Verfahrensmangel von Relevanz vorzuwerfen, zumal in der Beschwerde nicht dargetan wird, welche konkreten, gegen eine Aufenthaltsehe sprechenden Tatsachen eine ergänzende Befragung des Beschwerdeführers und der Sonja F. erbracht hätte. Im Übrigen wurden die Genannten im Zuge des Berufungsverfahrens am 2. Oktober 2006 bzw. am 13. November 2006 ohnehin neuerlich vernommen. Der darüber hinaus unternommene Versuch einer nochmaligen Vernehmung von Sonja F. am 19. März 2007 scheiterte schließlich an deren Inanspruchnahme des Entschlagungsrechtes. Eine Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens ist daher nicht zu erkennen.

Auf Basis der getroffenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid zur Schließung einer Aufenthaltsehe und zur Stellung eines Antrages auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung unter Berufung auf diese Ehe durfte die belangte Behörde aber davon ausgehen, dass eine Gefährdungsannahme im Sinne des § 86 Abs. 1 FPG gerechtfertigt ist (vgl. etwa das bereits genannte Erkenntnis vom 20. Dezember 2007, Zl. 2007/21/0485).

In der Beschwerde wird schließlich unter dem Gesichtspunkt des § 66 (iVm § 60 Abs. 6) FPG auch ein durch das Aufenthaltsverbot bewirkter unzulässiger Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers und ein diesbezüglicher Begründungsmangel geltend gemacht.

Bei der nach den genannten Bestimmungen von der belangten Behörde - genügend nachvollziehbar - vorgenommenen Interessenabwägung wurde jedoch ohnehin auf die bisherige Dauer des Aufenthalts, die gemeldete Wohnungnahme und die Berufstätigkeit des Beschwerdeführers ausreichend Bedacht genommen. Dabei durfte die belangte Behörde aber auch davon ausgehen, dass die vom Beschwerdeführer erlangte Integration dadurch relativiert wird, dass sie im Wesentlichen nur auf eine Aufenthaltsehe zurückzuführen ist (vgl. auch dazu das bereits zitierte Erkenntnis, Zl. 2007/21/0485, mwN). Angesichts dessen ist es nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde dem privaten Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich kein höheres Gewicht beimaß als dem von ihm erheblich beeinträchtigten öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen. Daran kann auch die Unbescholtenheit des Beschwerdeführers nichts ändern.

Schließlich ist auch die Ermessensübung nicht gesetzwidrig erfolgt, zumal keine besonderen Umstände ersichtlich sind, die unter diesem Gesichtspunkt eine Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes verlangt hätten.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der Durchführung der in der Beschwerde beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG Abstand genommen werden.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 22. Jänner 2009

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