VwGH 2007/21/0155

VwGH2007/21/015520.12.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, in der Beschwerdesache des G, vertreten durch Dr. Lennart Binder, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Rochusgasse 2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 28. Februar 2007, Zl. Fr 1157/04, betreffend Aufhebung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, den Beschluss gefasst:

Normen

11997E234 EG Art234;
32004L0038 Unionsbürger-RL;
AVG §38;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z11;
FrPolG 2005 §65 Abs1;
FrPolG 2005 §9 Abs1 Z1;
FrPolG 2005 §9 Abs1 Z2;
NAG 2005 §52;
VwGG §38b;
VwGG §62 Abs1;
11997E234 EG Art234;
32004L0038 Unionsbürger-RL;
AVG §38;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z11;
FrPolG 2005 §65 Abs1;
FrPolG 2005 §9 Abs1 Z1;
FrPolG 2005 §9 Abs1 Z2;
NAG 2005 §52;
VwGG §38b;
VwGG §62 Abs1;

 

Spruch:

Das Beschwerdeverfahren wird bis zur Vorabentscheidung des in der hg. Beschwerdesache Zl. 2007/21/0271 angerufenen Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften ausgesetzt.

Begründung

Die Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn wies mit Bescheid vom 7. November 2006 den vom Beschwerdeführer, einem nigerianischen Staatsbürger, am 10. Juli 2006 nach der Eheschließung mit einer italienischen Staatsangehörigen gestellten Antrag auf Aufhebung des gegen ihn erlassenen unbefristeten Aufenthaltsverbotes gemäß § 65 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ab. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 28. Februar 2007 gab die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich der dagegen erhobenen Berufung keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.

Mit hg. Beschluss vom 22. November 2007, Zl. 2007/21/0271, wurden dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) unter anderem folgende Fragen zur Vorabentscheidung gemäß Art. 234 EG vorgelegt:

"1.a) Sind die Art. 3 Abs. 1, Art 6 Abs. 2 sowie Art. 7 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG - im Folgenden RL - so auszulegen, dass sie auch jene Familienangehörigen im Sinn von Art. 2 Nr. 2 der RL erfassen, die unabhängig vom Unionsbürger in den Aufnahmemitgliedstaat (Art. 2 Nr. 3 der RL) gelangt sind und erst dort die Angehörigeneigenschaft oder das Familienleben mit dem Unionsbürger begründet haben?

b) Wenn dies der Fall ist, kommt es ergänzend darauf an, dass sich der Familienangehörige im Zeitpunkt der Begründung der Angehörigeneigenschaft oder des Familienlebens rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufhält? Wenn ja, genügt es für einen rechtmäßigen Aufenthalt, dass der Familienangehörige lediglich kraft seiner Stellung als Asylwerber zum Aufenthalt berechtigt ist?"

Gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 FPG entscheiden - als im Verfassungsrang normierte Ausnahme zur grundsätzlichen Zuständigkeit der Sicherheitsdirektionen (§ 9 Abs. 1 Z 2 FPG) - über Berufungen gegen nach dem FPG ergangene Bescheide (u.a.) im Fall von begünstigten Drittstaatsangehörigen die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern (UVS). Nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 4 Z 11 FPG fällt unter den Begriff "begünstigter Drittstaatsangehöriger" - soweit fallbezogen relevant - der Ehegatte eines EWR-Bürgers, der sein Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen hat. Weitere Voraussetzung ist, dass dieser Drittstaatsangehörige den freizügigkeitsberechtigten EWR-Bürger, von dem sich seine gemeinschaftsrechtliche Begünstigung herleitet, begleitet oder ihm nachzieht. Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, dass die Wortfolge "begleitet oder ihm nachzieht", an die § 2 Abs. 4 Z 11 FPG (u.a.) die Eigenschaft als begünstigter Drittstaatsangehöriger knüpft, ebenso wie dieselbe, den Anlass für das erwähnte Vorabentscheidungsersuchen bildende Wendung in § 52 letzter Satz NAG gemäß der RL 2004/38/EG auszulegen ist.

Dem Beschwerdeführer kommt aufgrund der - während seines illegalen Aufenthaltes am 7. Juni 2006 geschlossenen - Ehe mit einer italienischen Staatsangehörigen, die (in der Gegenschrift ausdrücklich zugestanden) ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen hat, nach Maßgabe der Beantwortung der dem EuGH vorgelegten Fragen allenfalls die Stellung als begünstigter Drittstaatsangehöriger zu. Diesfalls wäre die belangte Behörde gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 FPG zur Entscheidung über die gegen die erstinstanzliche Abweisung des Antrages auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes erhobene Berufung nicht zuständig gewesen, was die Beschwerde im Übrigen auch ausdrücklich geltend macht. Mithin bilden die dargestellten Fragen auch im gegenständlichen Beschwerdefall eine Vorfrage, die zufolge des Auslegungsmonopols des EuGH in Angelegenheiten des (primären oder sekundären) Gemeinschaftsrechts von diesem Gerichtshof zu entscheiden ist.

Da das entsprechende Verfahren zur Einholung einer Vorabentscheidung bereits anhängig gemacht wurde, liegen die Voraussetzungen des gemäß § 62 Abs. 1 VwGG auch vom Verwaltungsgerichtshof anzuwendenden § 38 AVG vor, sodass mit einer Aussetzung des gegenständlichen Verfahrens vorgegangen werden konnte (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 29. Jänner 2003, Zl. 99/03/0365).

Wien, am 20. Dezember 2007

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