VwGH 2007/18/0783

VwGH2007/18/078313.11.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des M D, geboren 1980, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 4. September 2007, Zl. E1/177673/2007, betreffend Aufhebung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §65 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §65 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 4. September 2007 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, vom 10. Jänner 2003 auf Aufhebung des gegen ihn (mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 9. März 2001) erlassenen unbefristeten Aufenthaltsverbotes gemäß § 65 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, abgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei laut seinen Angaben erstmals im Jahr 1991 in Österreich eingereist und habe anschließend daran - vorerst als Kriegsvertriebener aus Bosnien und Herzegowina - Aufenthaltstitel bis 26. Juni 2001 erhalten.

Am 14. April 2000 sei der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Wien gemäß § 201 Abs. 2, §§ 15, 105 Abs. 1 StGB zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten rechtskräftig verurteilt worden, weil er am 17. Jänner 2000 eine Frau dadurch, dass er sie mit dem Umbringen bedroht, am Hals erfasst, gewürgt, auf ein Bett geworfen und dort festgehalten sowie ins Gesicht geschlagen und, als sie zu schreien begonnen habe, ihr einen Kopfpolster auf das Gesicht gedrückt habe, zur Duldung des Beischlafes genötigt sowie durch die Äußerung, "wenn jemand von dieser Straftat erfahre, er sie umbringen werde", zur Unterlassung der Mitteilung an andere Personen und der Anzeigeerstattung zu nötigen versucht habe. Aufgrund dieses Fehlverhaltens sei das unbefristete Aufenthaltsverbot erlassen worden, wobei eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 27. Juni 2001 (Zl. 2001/18/0099) als unbegründet abgewiesen worden sei.

Im vorliegenden Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes bringe der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, dass seine Eltern und sein Bruder nunmehr österreichische Staatsbürger wären, weshalb die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes nur bei Vorliegen der Gefährdungsprognose des § 48 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, gerechtfertigt wäre. Bei der angeführten Verurteilung handelte es sich um ein einmaliges Fehlverhalten, und er hätte sich sowohl vor als auch nach dieser Verurteilung wohlverhalten. Er verfügte in Bosnien nur noch über familiäre Beziehungen zu seinen Großeltern mütterlicherseits, die jedoch sehr alt und völlig verarmt wären.

Den Eltern des Beschwerdeführers sei nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes am 17. April 2001 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden.

Begründend führte die belangte Behörde weiter aus, dass die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr noch gegeben sei. Beim Verbrechen der Vergewaltigung handle es sich um eine schwere und besonders verwerfliche strafbare Handlung gegen die Sittlichkeit und die körperliche Integrität einer anderen Person. Durch sein Gesamt(fehl)verhalten habe der Beschwerdeführer in drastischer Weise seine mangelnde Verbundenheit mit den in Österreich besonders geschützten rechtlichen Werten und seine Bereitschaft zu erkennen gegeben, zur Erreichung eines von ihm verfolgten Zieles auch nicht vor brutaler Gewaltanwendung zurückzuschrecken. Die aufgrund der Tat erfolgte charakterliche Einschätzung des Beschwerdeführers lasse den Schluss zu, dass er in einem weiteren Gelegenheitsverhältnis einer anderen Person in ähnlicher Weise Gewalt zufügen könnte. Vor diesem Hintergrund sei das Argument, es handelte sich um ein einmaliges Fehlverhalten, keinesfalls zugkräftig. Die Behauptung, er hätte sich seit seiner Verurteilung wohlverhalten, gehe bereits deshalb ins Leere, weil seit der Begehung der strafbaren Handlungen erst ca. siebeneinhalb Jahre vergangen seien und der seither verstrichene Zeitraum eine zuverlässige Prognose über sein künftiges Wohlverhalten nicht zulasse.

Bei der Beurteilung der weiteren Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes im Grund des § 66 FPG seien zu Gunsten des Beschwerdeführers sein Aufenthalt im Bundesgebiet seit dem Jahr 1991, seine - wenn auch kurze - Berufstätigkeit und seine familiären Bindungen - Eltern und Bruder verfügten mittlerweile über die österreichische Staatsbürgerschaft - zu berücksichtigen. Zu seinen Ungunsten falle das beschriebene Gesamt(fehl)verhalten ins Gewicht. Außerdem müsse zu seinen Ungunsten veranschlagt werden, dass er sich nach rechtskräftiger Erlassung des Aufenthaltsverbotes am 26. März 2001 weiterhin unberechtigt im Inland aufgehalten habe und erst nach seiner Festnahme am 9. Juni 2001 und durch Beibringung eines Flugtickets Österreich verlassen habe, wodurch er das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen nicht unerheblich gefährdet habe. Die Eltern des Beschwerdeführers hätten erst zu einem Zeitpunkt die österreichische Staatsbürgerschaft erlangt, als er rechtens nicht mit einem weiteren Aufenthalt im Inland habe rechnen dürfen. Vor diesem Hintergrund erweise sich die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen weiterhin als dringend geboten, und es wögen die Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation und die seiner Familie nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Aufhebung des Aufenthaltsverbotes. In diesem Zusammenhang sei auch darauf hinzuweisen, dass von § 66 FPG nur das in Österreich geführte Privatleben geschützt, nicht jedoch die Führung eines Privat- und Familienlebens außerhalb von Österreich gewährleistet werde.

Unter Zugrundlegung dieser Erwägungen könne die belangte Behörde nicht zum Ergebnis gelangen, dass sie im Rahmen des ihr auch nach § 65 Abs. 1 FPG zukommenden Ermessens das Aufenthaltsverbot hätte aufheben müssen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 65 Abs. 1 FPG ist ein Aufenthaltsverbot (oder ein Rückkehrverbot) auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind.

Nach der hg. Judikatur kann ein Antrag auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung der Maßnahme die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. Weiters kann bei der Entscheidung über die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes die Rechtmäßigkeit des Bescheides, mit dem das Aufenthaltsverbot erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. September 2007, Zl. 2007/18/0171, mwN).

2. Die Beschwerde bringt vor, dass sich der Beschwerdeführer seit seiner Außerlandesschaffung nunmehr über sechs Jahre in Bosnien befinde und seit seiner Abschiebung nicht mehr in Österreich eingereist sei, was jedenfalls darauf hindeute, dass er die österreichischen Rechtsnormen achte. Der Verweis auf seine kurze illegale Aufenthaltszeit in Österreich im Jahr 2001 könne daher nicht dazu führen, dass noch immer von einer Gefährdung aus fremdenpolizeilicher Sicht ausgegangen werde. Hätte die belangte Behörde die Hintergründe der Straftat und den Sachverhalt im Bescheid aufgenommen, dann wäre sie zur Erkenntnis gekommen, dass die Straftat nicht die mangelnde Verbundenheit mit in Österreich besonders geschützten rechtlichen Werten widerspiegle, sondern die Gründe seiner Tat andere gewesen seien, "nachdem es sich bei dem Opfer um die damalige Lebensgefährtin gehandelt hat, mit der seit über sieben Jahren kein Kontakt mehr besteht". Bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes aufgrund von strafrechtlichen Verurteilungen komme es nicht auf die "Straftat für sich an, sondern um die dahinter liegende Straftat".

Ferner befinde sich die gesamte Kernfamilie des Beschwerdeführers in Österreich und seien insbesondere seine Eltern bereits österreichische Staatsbürger, was jedenfalls zu einer Änderung der Sachlage dahingehend geführt habe, dass er nunmehr als Angehöriger eines Österreichers zu werten sei. Er werde durch seine gesamte Kernfamilie finanziell unterstützt und könnte nach seiner Wiedereinreise in Österreich einen geregelten Arbeitsplatz einnehmen und sich beruflich sofort integrieren. Es liege daher ein Verstoß gegen Art. 8 EMRK vor.

3. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

3.1. Der Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer im Jahr 2001 liegt - unbestritten - zugrunde, dass er - wie oben (I. 1.) dargestellt - am 17. Jänner 2000 sein Opfer dadurch, dass er es mit dem Umbringen bedroht, am Hals erfasst, gewürgt, auf das Bett geworfen, dort festgehalten, ins Gesicht geschlagen und, als es zu schreien begonnen habe, ihm einen Kopfpolster auf das Gesicht gedrückt habe, zur Duldung des Beischlafes genötigt habe und es weiters durch die Drohung mit dem Umbringen zur Unterlassung der Mitteilung an andere Personen und der Anzeigeerstattung zu nötigen versucht habe. Auch wenn seit der Begehung dieser Straftaten bis zur Erlassung des vorliegend angefochtenen Bescheides rund siebeneinhalb Jahre vergangen sind, so erscheint - entgegen der Beschwerdeansicht - dieser Zeitraum doch noch als zu kurz, um auf einen Wegfall der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit im Sinn des § 60 Abs. 1 oder des § 66 Abs. 1 FPG schließen zu können.

Wenn die Beschwerde vorbringt, dass die Straftaten des Beschwerdeführers nicht seine mangelnde Verbundenheit mit in Österreich besonders geschützten rechtlichen Werten widerspiegle, sondern die Gründe seiner Tat "andere" gewesen seien, so ist dieses Vorbringen bereits deshalb nicht zielführend, weil die Beschwerde nicht schlüssig darlegt, welche "andere Gründe" damit gemeint seien. Wenn die Beschwerde in diesem Zusammenhang vorbringt, dass es sich beim Opfer des Beschwerdeführers um seine damalige Lebensgefährtin gehandelt habe, mit der seit über sieben Jahren kein Kontakt mehr bestehe, so ist nicht ersichtlich, inwieweit dieser Umstand die von ihm ausgehende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit relativiere, lässt dies doch noch keinen Schluss darauf zu, dass der Beschwerdeführer nunmehr vor brutaler Gewaltanwendung in Bezug auf eine andere Person zurückschrecke.

3.2. Dem weiteren Vorbringen des Beschwerdeführers in Bezug auf seine Bindungen zu seiner Kernfamilie, insbesondere seinen Eltern, denen die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen wurde, ist zu erwidern, dass damit seine persönlichen Interessen nicht in einem Ausmaß an Gewicht gewonnen haben, dass das dargestellte öffentliche Interesse an der Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen und am Schutz der körperlichen Unversehrtheit anderer gegenüber seinen persönlichen Interessen an einem Aufenthalt im Bundesgebiet nunmehr in den Hintergrund träte und das vorliegende Aufenthaltsverbot aus dem Grund des § 66 Abs. 1 und 2 FPG aufzuheben gewesen wäre.

3.3. Schließlich zeigt die Beschwerde mit ihrem Vorbringen auch keine besonderen Umstände auf, die es für die belangte Behörde geboten hätten, im Rahmen des ihr gemäß § 65 Abs. 1 iVm § 60 Abs. 1 FPG eingeräumten Ermessens das Aufenthaltsverbot aufzuheben.

4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 13. November 2007

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