VwGH 2007/18/0511

VwGH2007/18/051131.3.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schmidl, über die Beschwerde des IG in W, geboren am 27. Juni 1976, vertreten durch Dr. Thomas Kralik, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Werdertorgasse 12, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 11. Juni 2007, Zl. E1/249.336/2007, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs2;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
EMRK Art8 Abs2;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs2;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 11. Juni 2007 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen kroatischen Staatsangehörigen, gemäß § 86 Abs. 1 iVm § 87 des Fremdenpolizeigesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer lebe seit 1991 im Bundesgebiet. Am 14. August 1991 sei ihm sein erster Sichtvermerk und anschließend ein Aufenthaltstitel erteilt worden. Mit Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom 30. September 1993 sei er nach den §§ 127, 129 Z. 1, 15, 136 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von einem Monat rechtskräftig verurteilt worden. Er habe mit vier Mittätern am 19. Dezember 1992, sohin im Alter von 16 Jahren, beschlossen, in Pkw einzubrechen. Nachdem sie sich bei einer Baustelle ein Brecheisen besorgt hätten, hätten die fünf Täter erfolglos versucht, in drei Fahrzeuge einzubrechen. Sie hätten bei einem Pkw mit Gewalt die Scheibe herunterzudrücken versucht, einen anderen Pkw mit dem Brecheisen zu öffnen versucht und bei einem dritten Pkw die Seitenscheibe herausgerissen.

Bereits am 28. Oktober 1992 habe der Beschwerdeführer mit zwei Mittätern aus einem Pkw einen Werkzeugkoffer und ein Autoradio gestohlen. Mit drei Mittätern habe er versucht, den Pkw eines anderen für eine Spazierfahrt in Betrieb zu setzen, indem sie die Verkleidung herausgerissen und Zündkabel kurz hätten schließen wollen, was jedoch misslungen sei. Bei einem weiteren versuchten Einbruchsdiebstahl in einen Pkw sei der Beschwerdeführer von Zeugen verfolgt und festgehalten worden. Er habe aus seinem Hosenbein die ca. ein Meter lange Brechstange, die vorher zum Aufbrechen der Fahrzeuge Verwendung gefunden habe, gezogen und versucht, auf den Zeugen einzuschlagen, um flüchten zu können. Zwischen dem 12. und 20. Februar 1995 habe der Beschwerdeführer gemeinsam mit einem bzw. zwei Mittäter(n) elf Pkw aufgebrochen, um darin befindliche Autoradios, Lautsprecher und sonstiges Unterhaltungszubehör zu stehlen, wobei der Gesamtwert der gestohlenen Gegenstände mehr als S 119.000,-- betragen habe. Dabei hätten die Täter in der Absicht gehandelt, sich durch fortgesetzte Einbruchsdiebstähle eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Weiters habe der Beschwerdeführer im Jänner 1995 Werkzeug einer Firma im Wert von S 2.000,-- unterschlagen. Deshalb sei er mit Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom 11. April 1995 gemäß §§ 127, 128 Abs. 1 Z. 4, 129 Abs. 1, 130, 134 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten, davon fünf Monate bedingt, rechtskräftig verurteilt worden. Am 30. Oktober 1995 sei der Beschwerdeführer verurteilt worden, weil er in alkoholisiertem Zustand einen Auffahrunfall verursacht habe, bei dem die vor ihm fahrende Pkw-Lenkerin verletzt worden sei. Am 14. März 1997 sei der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Wien nach den §§ 127, 129 Z. 1 StGB rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten, davon acht Monate bedingt, verurteilt worden. Er habe am 5. Dezember 1995 gemeinsam mit drei Mittätern erneut in einen Pkw eingebrochen und das Auto-HIFI-Zubehör gestohlen.

Auf Grund der damaligen familiären und beruflichen Bindungen des Beschwerdeführers sei von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes Abstand genommen worden. Gleichzeitig sei ihm jedoch angedroht worden, dass er bei einem neuerlichen Fehlverhalten mit aufenthaltsbeendigenden Maßnahmen rechnen müsse. Dieses Vertrauen der Erstbehörde in ein zukünftiges Wohlverhalten des Beschwerdeführers habe sich nicht als gerechtfertigt erwiesen. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 13. September 2002 sei er nach § 232 Abs. 2 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwölf Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Er habe im Februar 2002 insgesamt vier von einem Mittäter gefälschte EUR 100-Banknoten mit dem Vorsatz übernommen, sie als echt und unverfälscht in Verkehr zu bringen. Seit 2003 habe er regelmäßig und in zunehmendem Maß Kokain und Marihuana konsumiert. Ab Dezember 2003 habe er Kokain nicht nur zum Eigenkonsum, sondern auch zum gewinnbringenden Weiterverkauf bezogen. In den folgenden fünf Monaten habe er in einer Vielzahl von Angriffen insgesamt ca. 185 Gramm Kokain verkauft, welches er zuvor mit Milchpulver gestreckt habe. Solcherart sei die bislang letzte Verurteilung des Beschwerdeführers durch das Landesgericht für Strafsachen Wien vom 7. Oktober 2004 nach den §§ 28 Abs. 2 und 3 erster Fall, 27 Abs. 1 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten erfolgt.

Am 27. April 2007 habe der Beschwerdeführer eine österreichische Staatsangehörige geheiratet. Sein Gesamtfehlverhalten erfülle den in § 60 Abs. 2 Z. 1 normierten Tatbestand. Die von ihm ausgehende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit sei gegenwärtig, tatsächlich und erheblich und berühre ein Grundinteresse der Gesellschaft, weshalb die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbots - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 61 und 66 FPG - im Grunde des § 87 FPG gegeben seien.

Der Beschwerdeführer sei seit nunmehr gut einem Monat verheiratet. Seine (frühere) Lebensgefährtin (und nunmehrige Ehefrau) erwarte (dem Berufungsvorbringen zufolge) ein Kind. In Wien würden weiters die Mutter, die Schwester, eine Tante und ein Onkel des Beschwerdeführers leben, die - seinen Angaben zufolge - auch die österreichische Staatsbürgerschaft besäßen. Zwar sei angesichts aller Umstände von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers auszugehen. Dieser Eingriff sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Verhinderung weiterer Straftaten, zum Schutz des Eigentums und Vermögens Dritter, zur Verhinderung der Suchtgiftkriminalität - dringend geboten sei. Das bisherige Verhalten des Beschwerdeführers lasse erkennen, dass er nicht willens oder nicht im Stande sei, maßgebliche in Österreich gültige Rechtsvorschriften einzuhalten. So habe die kriminelle Entwicklung des Beschwerdeführers bereits nicht einmal eineinhalb Jahre nach seiner Einreise nach Österreich (1991) begonnen. Weder zuvor ergangene Verurteilungen noch die Androhung aufenthaltsbeendigender Maßnahmen hätten den Beschwerdeführer davon abhalten können, immer wieder und größtenteils einschlägig strafbar zu werden. Solcherart sei eine zu seinen Gunsten ausfallende Verhaltensprognose unmöglich. Die von ihm ausgehende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit wiege derart schwer, dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes dringend geboten und sohin zulässig im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG sei. Daran könne nichts ändern, dass er sich seit der letzten Straftat nichts mehr habe zu Schulden kommen lassen, weil dies - angesichts der bisherigen oftmaligen Straffälligkeiten - nicht einmal ansatzweise die von ihm ausgehende Gefahr habe mindern können.

Bei der gemäß § 66 Abs. 2 FPG durchzuführenden Interessenabwägung sei zunächst auf die aus der Dauer des inländischen Aufenthalts ableitbare Integration des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen. Die einer jeglichen Integration zu Grunde liegende soziale Komponente sei durch die Unzahl von Straftaten erheblich an Gewicht gemindert. Die familiären Bindungen zur Ehefrau würden angesichts der Kürze der Ehe und des Umstands, dass er zum Zeitpunkt der Eheschließung in Anbetracht des anhängigen Aufenthaltsverbotsverfahrens nicht mit einem ständigen Weiterverbleib in Österreich habe rechnen dürfen, entsprechend relativiert. Ebenso zu relativieren seien die sonstigen familiären Bindungen, weil er mit den genannten Angehörigen nicht im gemeinsamen Haushalt lebe und längst volljährig sei. Den insgesamt zwar erheblichen, keinesfalls jedoch besonders ausgeprägten privaten Interessen des Beschwerdeführers stünden die genannten hohen öffentlichen Interessen gegenüber. Bei Abwägung dieser Interessenlagen würden die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers keinesfalls schwerer wiegen als das in seinem Fehlverhalten gegründete hohe Interesse daran, dass er das Bundesgebiet verlasse und diesem fernbleibe. Daran könne auch die angekündigte Geburt eines Kindes letztlich nichts ändern, weil dies den privaten Interessen des Beschwerdeführers kein derart zusätzliches Gewicht verleihen könnte, dass dem gegenüber die öffentlichen Interessen in den Hintergrund zu treten hätten. Dabei sei auch darauf Bedacht genommen worden, dass der Beschwerdeführer - wenn auch nur eingeschränkt - den Kontakt zu seinen Familienangehörigen vom Ausland aus wahrnehmen könne, eine Einschränkung, die er im öffentlichen Interesse zu tragen haben werde. Ebenso könne er allfälligen Sorgepflichten auch vom Ausland aus nachkommen. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes erweise sich daher auch im Sinn des § 66 Abs. 2 FPG als zulässig. Mangels sonstiger besonders zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände habe die erkennende Behörde keine Veranlassung gesehen, im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes Abstand zu nehmen. Im Hinblick auf das vielfache strafbare Verhalten des Beschwerdeführers könne auch unter Bedachtnahme auf seine aktenkundige Lebenssituation nicht vorhergesehen werden, ob und gegebenenfalls wann die für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Gründe weggefallen sein würden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Gegen den Beschwerdeführer als Familienangehörigen einer nicht freizügigkeitsberechtigten Österreicherin ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 erster bis vierter Satz FPG nur zulässig, wenn auf Grund seines persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können diese Maßnahme nicht ohne Weiteres begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

Für die Beantwortung der Frage, ob die genannte Annahme gerechtfertigt ist, ist demnach zu prüfen, ob sich aus dem gesamten Fehlverhalten des Fremden ableiten lässt, dass sein weiterer Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der Beurteilung der genannten Gefährdung kann auf den Katalog des § 60 Abs. 2 FPG als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 29. November 2006, Zl. 2006/18/0275, und vom 13. März 2007, Zl. 2006/18/0417).

1.2. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die im angefochtenen Bescheid festgestellten rechtskräftigen Verurteilungen und sein diesen zu Grunde liegendes Fehlverhalten. Auf dem Boden dieser Verurteilungen ist der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt. Die daran anknüpfende Auffassung der belangten Behörde, dass die in § 86 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, kann nicht als rechtswidrig erkannt werden. Der Beschwerdeführer hat bereits als Jugendlicher (und relativ kurze Zeit nach seiner Einreise nach Österreich) gravierende strafbare Handlungen verübt und dieses Verhalten über Jahre hinweg fortgesetzt. Er hat sich weder durch vorangegangene Verurteilungen noch durch die Androhung der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen davon abhalten lassen, neuerlich strafbar zu werden. Er hat schließlich gewerbsmäßigen Suchtgifthandel mit einer großen Menge betrieben, wofür er zuletzt zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten verurteilt worden ist. Dieses Gesamtfehlverhalten lässt den seit seiner letzten Straftat verstrichenen Zeitraum als bei weitem zu kurz erscheinen, um von einem Wegfall oder auch nur von einer Minderung der von ihm ausgehenden Gefahr sprechen zu können, zumal die Zeiten, die der Beschwerdeführer im Strafvollzug verbracht hat, bei Betrachtung des (behaupteten) Wohlverhaltens außer Betracht zu lassen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. September 2006, Zl. 2006/18/0174, mwN).

2. Bei der Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 1 und Abs. 2 FPG hat die belangte Behörde die Dauer des inländischen Aufenthalts des Beschwerdeführers seit 1991 sowie die Beziehung zu seiner früheren Lebensgefährtin und jetzigen Frau, die er am 27. April 2007 geheiratet hat, sowie zu seinem damals noch ungeborenen (dem Beschwerdevorbringen zufolge am 20. Juni 2007 geborenen) Kind berücksichtigt. Das Gewicht der genannten familiären Beziehungen des Beschwerdeführers wird jedoch dadurch relativiert, dass diese in einem Zeitraum verdichtet wurden, in dem der Beschwerdeführer auf Grund des eingeleiteten Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung (das erstinstanzliche Aufenthaltsverbot wurde am 22. November 2006 erlassen) nicht damit rechnen durfte, weiterhin im Bundesgebiet verbleiben zu können.

Zutreffend hat die belangte Behörde die Integration des Beschwerdeführers auf Grund der jahrelang von ihm begangenen massiven Straftaten als erheblich gemindert angesehen. Angesichts des dadurch gravierend beeinträchtigten großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Eigentums- und Suchtgiftkriminalität kann die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Gesundheit) dringend geboten sei (§ 66 Abs. 1 FPG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 leg. cit.), nicht als rechtswidrig erkannt werden.

3. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 31. März 2008

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