Normen
BewertungspunkteV Slbg 1978 §1 Abs1 lith;
B-VG Art18 Abs1;
EGVG 1991 Anlage Art2 Abs5;
InteressentenbeiträgeG Slbg 1962 §1 Abs7;
InteressentenbeiträgeG Slbg 1962 §10;
InteressentenbeiträgeG Slbg 1962 §10a Abs2;
InteressentenbeiträgeG Slbg 1962 §4;
InteressentenbeiträgeG Slbg 1962 §9;
InteressentenbeiträgeG Slbg 1962;
LAO Slbg 1963 §1 Abs2 litb;
VwRallg;
BewertungspunkteV Slbg 1978 §1 Abs1 lith;
B-VG Art18 Abs1;
EGVG 1991 Anlage Art2 Abs5;
InteressentenbeiträgeG Slbg 1962 §1 Abs7;
InteressentenbeiträgeG Slbg 1962 §10;
InteressentenbeiträgeG Slbg 1962 §10a Abs2;
InteressentenbeiträgeG Slbg 1962 §4;
InteressentenbeiträgeG Slbg 1962 §9;
InteressentenbeiträgeG Slbg 1962;
LAO Slbg 1963 §1 Abs2 litb;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Salzburg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 28. November 2006 schrieb der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde der Beschwerdeführerin "gemäß §§ 1, 2, 3 und 10 des Salzburger Interessentenbeiträgegesetzes, LGBl. Nr. 161/1962 idgF in Verbindung mit der Bewertungspunkteverordnung 1978, LGBl. Nr. 2/1978, sowie auf Grund des Beschlusses der Gemeindevertretung vom 22. September 1978" als Eigentümerin für ein näher angeführtes Objekt eine "Vorauszahlung auf den Interessentenbeitrag für die Erweiterung dieser Liegenschaft an die Abwasseranlage des Reinhalteverband 'Salzburger Ennstal' und die Ortskanalisation" in Höhe von EUR 12.066,75 (zuzüglich 10 % Umsatzsteuer) vor. Begründend führte der Bürgermeister aus, laut Beschluss der Gemeindevertretung vom 15. Dezember 2005 sei der Interessentenbeitrag für 2006 mit EUR 465,-- zuzüglich 10 % Mehrwertsteuer je Bewertungspunkt festgelegt worden. Für das Objekt seien gemäß beiliegender Bewertungspunkteermittlung vom 23. November 2006 25,95 Punkte ermittelt worden, welches eine "Gesamtnettosumme" von EUR 12.066,75 ergebe.
In ihrer dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, es sei unklar, warum es nun "20 Jahre nach Inbetriebnahme der Kanalisation bzw. Anschluss durch die Einschreiterin plötzlich ohne bauliche Veränderungen sowie Änderungen im Stand der Dienstnehmer zu einer Mehrbelastung des Kanalisationsnetzes" gekommen sein sollte. Dies sei aber Voraussetzung für die Vorschreibung eines Ergänzungsbeitrages. Überdies sei bereits Verjährung eingetreten.
Mit Bescheid vom 16. Juli 2007 wies die Gemeindevorstehung der mitbeteiligten Stadtgemeinde die Berufung als unbegründet ab und verwies dabei auf die beigelegte "Bewertungspunkte-Ermittlung" als wesentlichen Bestandteil der Berufungsentscheidung. Begründend führte die Berufungsbehörde aus, für die Entsorgung der Oberflächenwässer seien noch nie Anschlussgebühren verrechnet worden. Mit Bescheid der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 1. Februar 1988 seien lediglich "Schmutzwasserpunkte für elf Beschäftigte im Betrieb (das sind 2,2 Punkte) verrechnet" worden. Auf Grund der Änderungen in der Abwasserführung (Anschluss an den Oberflächenwasserkanal) sei die Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 27. Oktober 2005 zur Umstellung des bestehenden Mischkanalsystems auf ein Trennsystem für Oberflächen- und Fäkalwässer für die Liegenschaft verpflichtet worden. Die Beschwerdeführerin habe mit Schreiben vom 22. Februar 2007 die durchgeführte Trennung gemeldet. Da nunmehr die Oberflächenwässer in den Oberflächenwasserkanal eingeleitet würden und für die Oberflächenwässer noch nie Anschlusspunkte erhoben worden seien, habe am 23. November 2006 vor Ort im Beisein des Geschäftsführers Rupert F eine "Ergänzungsaufnahme der Oberflächen" stattgefunden. Diese Aufnahme sei vom Geschäftsführer Rupert F unterfertigt und die Richtigkeit der Flächen bzw. zusätzlichen Punkte damit anerkannt worden. Im Zuge dieser Vor-Ort-Aufnahme seien auch die Beschäftigten im Betrieb erhoben worden. Laut Mitteilung des Geschäftsführers Rupert F gebe es nunmehr insgesamt 25 Beschäftigte im Betrieb. Da sich die Anzahl der Beschäftigten von damals elf auf nunmehr 25 erhöht habe, seien die Schmutzwasserpunkte für die zusätzlichen 14 Beschäftigten erhoben und verrechnet worden. Auch diese Aufnahme sei vom Geschäftsführer Rupert F unterfertigt und die Richtigkeit der Beschäftigten bzw. zusätzlichen Punkte damit anerkannt worden.
In der genannten "Bewertungspunkte-Ermittlung" vom 23. November 2006 wurde in der Z 3 des Punktes "A. Schmutzwasser" die Anzahl der Beschäftigten im Betrieb mit insgesamt 25 ausgewiesen. Unter Hinweis, dass "11 bereits verrechnet" worden seien, wurden 14 Personen und 2,8 Bewertungspunkte ermittelt. Weiters wurden unter Punkt "B. Niederschlagswässer" insgesamt 23,15 Bewertungspunkte angeführt.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die dagegen erhobene Vorstellung als unbegründet abgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verfahrensganges und der anzuwendenden Rechtsvorschriften aus, die Anzahl der im Betrieb beschäftigten Mitarbeiter sei im Zusammenwirken mit der Beschwerdeführerin erhoben worden. Da sich die Anzahl der Mitarbeiter gegenüber dem ursprünglichen Vorschreibungszeitpunkt 1988 von 11 auf 25 erhöht habe, vermöge die belangte Behörde keine Rechtswidrigkeit im Vorgehen der Gemeindebehörde zu erblicken, wenn sie auf der Grundlage der Bewertungspunkteverordnung der Salzburger Landesregierung die Anzahl der Bewertungspunkte auf Grund des erhöhten Mitarbeiterstandes in Form eines Ergänzungsbeitrages neu festgesetzt habe, ohne die tatsächliche Vergrößerung der Inanspruchnahme der Kanalisationsanlage festzustellen.
Auch die Ansicht, die 2007 durchgeführte Abänderung des Kanalisationssystems von einem Misch- in ein Trennsystem mit einer Neueinleitung der Oberflächenwässer in den Oberflächenwässerkanal der mitbeteiligten Stadtgemeinde wäre kein Rechtsgrund für die Vorschreibung eines Ergänzungsbeitrages nach § 10 IBG, vermöge die Vorstellungsbehörde nicht zu teilen, da für die Oberflächenwassereinleitung im Bescheid 1988 keine Bewertungspunkte festgesetzt worden seien und demnach nicht in den damaligen Interessentenbeitrag eingerechnet worden seien. Auch wenn der Begriff "Schmutzwasserpunkte" in der Berufungsentscheidung keine im Gesetz normierte Begriffsbestimmung sei, ändere dies nichts an der Tatsache, dass für die Einleitung der Oberflächenwässer in den ursprünglichen Mischwasserkanal keine Beiträge nach dem IBG vorgeschrieben worden seien.
Zum Vorbringen, dass das Recht auf die Vorschreibung eines allfälligen Ergänzungsbeitrages nach § 9 IBG zumindest für einen Teil der Dienstnehmer verjährt sei, da 2001 lediglich 17 Dienstnehmer im Betrieb beschäftigt gewesen seien, werde angemerkt, dass die Beschwerdeführerin offensichtlich "die ratio dieser Verjährungsbestimmung" missverstehe, die die Verjährung des Rechts, einen fälligen Beitrag einzufordern, regle, keineswegs jedoch des Rechts, einen Ergänzungsbeitrag vorzuschreiben, wenn die Voraussetzungen dazu gegeben seien.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Das Salzburger Interessentenbeiträgegesetz (im Folgenden: Sbg. IBG), LGBl. Nr. 161/1962 idF vor der Novelle LGBl. Nr. 118/2009, lautet auszugsweise:
"Allgemeine Bestimmungen
§ 1
(1) Zu den Herstellungskosten gemeindeeigener Abwasseranlagen - im Folgenden kurz Anlagen bezeichnet - haben in Gemeinden des Landes Salzburg mit Ausnahme der Landeshauptstadt Salzburg die Interessenten nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes Beiträge zu leisten.
(2) Herstellungskosten sind jene Kosten, die der Gemeinde für die Herstellung, Erweiterung oder technische Verbesserung der Anlage sowie für die Wiedererrichtung nicht mehr funktionsfähiger größerer Teile der Anlage erwachsen, einschließlich den Beträgen, die sich aus der Aufwertung der Vorauszahlungen gemäß § 5 Abs. 2 ergeben.
(3) Interessenten sind die Eigentümer von Grundstücken, von denen Abwässer unmittelbar oder mittelbar in die Anlage eingeleitet werden und zwar gleichgültig, ob der Anschluss an die Anlage im Zuge ihrer Herstellung oder zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt. ...
...
(5) Der Beitrag wird durch das Verhältnis bestimmt, in dem wertmäßig das Ausmaß der vom Grundstück herrührenden Inanspruchnahme der Anlage zur projektierten Gesamtinanspruchnahme der Anlage steht.
...
(7) Der Beitrag wird von der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich als Gemeindeabgabe (§ 8 Abs. 5 F-VG 1948) nach den Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze (Art. II Abs. 5 EGVG 1950) erhoben.
Bewertung der Inanspruchnahme der Anlage
§ 2
(1) Die Bewertung des Ausmaßes der Inanspruchnahme der Anlage ist in Bewertungspunkten auszudrücken.
(2) Punkteeinheit ist jene Inanspruchnahme der Anlage, die von der Ableitung ausschließlich häuslicher Abwässer einer Person herrührt.
(3) Bei Wohnräumen sind unabhängig von der Anzahl der Bewohner 20 m2 Wohnungs-Nutzfläche im Sinne der abgabenrechtlichen Bewertungsvorschriften einer Punkteeinheit gleichzusetzen.
(4) In welchem Verhältnis zur Punkteeinheit die Inanspruchnahme der Anlage durch die Ableitung von Niederschlagswässern sowie von Abwässern aus gewerblichen oder anderen Betrieben oder sonstigen Einrichtungen und Anstalten mit besonderem Abwasseranfall steht, hat die Landesregierung unter Zugrundelegung der jeweiligen fachlichen Erkenntnisse und Erfahrungen auf dem Gebiete der Abwasserbeseitigung für die einzelnen gebräuchlich in Betracht kommenden Abwasserbeseitigungs- und Entwässerungsarten durch Verordnung festzustellen.
...
Beitrag
§ 4
(1) Der Beitrag ist in jenem Ausmaß zu leisten, das sich durch die Vervielfachung der den Interessenten treffenden Anzahl der Bewertungspunkte (§ 2) mit der Berechnungszahl und einer allfälligen Steigerung nach Abs. 4 bestimmt.
(2) Berechnungszahl ist jene Zahl, die sich aus der Teilung des auf der Grundlage der genehmigten Abschlussrechnung (§ 3) nach § 1 Abs. 4 bestimmten Teiles der Herstellungskosten durch jene Anzahl der Bewertungspunkte ergibt, die der projektierten Gesamtinanspruchnahme der Anlage entspricht.
...
Beitragsvorschreibung
§ 5
(1) Der Beitrag ist dem Interessenten vom Bürgermeister mit Bescheid vorzuschreiben.
...
Beitragsentrichtung
§ 6
(1) Der Beitrag wird nach Maßgabe der Vorschreibung (§ 5) fällig.
...
Verjährung
§ 9
Das Recht, einen fälligen Beitrag einzufordern, verjährt binnen sechs Jahren nach Ablauf des Jahres, in welchem der Beitrag fällig geworden ist. Die Verjährung wird durch jede zur Geltendmachung des Anspruches gegen den Zahlungsschuldner
gerichtete Handlung ... unterbrochen. ...
Ergänzungsbeitrag
§ 10
Erhöht sich bei einem Interessenten nach der Vorschreibung des Beitrages (§ 4, § 6) die Anzahl der Bewertungspunkte infolge einer durch bauliche oder betriebliche Änderungen bedingten Vergrößerung des Ausmaßes der vom Grundstück herrührenden Inanspruchnahme der Anlage, so hat der Interessent einen Ergänzungsbeitrag zu leisten. Für die Ermittlung des Ausmaßes des Ergänzungsbeitrages sowie für seine Erhebung gelten die §§ 4 bis 9 sinngemäß.
Nachträgliche Erweiterungen und Verbesserungen; Wiedererrichtungen
§ 10a
(1) Bei einer nach Abrechnung der Anlage erfolgenden Erweiterung derselben haben nur die im Bereich der Erweiterung neu erfassten Interessenten Beiträge zu leisten. ...
(2) Die Kosten für technische Verbesserungen und für die Wiedererrichtung nicht mehr funktionsfähiger größerer Teile der Anlage sind wie Herstellungskosten einer neuen Anlage zu behandeln, wozu alle Interessenten beizutragen haben. Als technische Verbesserung gilt insbesondere die Herstellung von Anlagen, zu deren Kosten die Gemeinde anteilig beizutragen hat (§ 1 Abs. 6)."
§ 1 der Verordnung der Salzburger Landesregierung vom 13. Dezember 1977, mit der die Inanspruchnahme einer gemeindeeigenen Abwasseranlage durch die Ableitung von Niederschlagswässern und von Abwässern aus bestimmten Betrieben, Einrichtungen und Anstalten im Verhältnis zur gesetzlichen Einheit der Inanspruchnahme bewertet wird (Bewertungspunkteverordnung 1978), LGBl. Nr. 2/1978, lautet:
"§ 1
(1) Einer Punkteeinheit (§ 2 Abs. 2 des Gesetzes) entsprechen unter Zugrundelegung eines Erfahrungsdurchschnittes:
a) | bei der Ableitung von Niederschlagswässern (Flächenentwässerung) .............................................. | 100 m2: Abflussbeiwert |
... | ||
h) | bei Betrieben ohne Betriebsabwasseranfall, bei denen nicht ein sonstiger Ansatz nach §§ 1 bis 3 zur Anwendung kommt ................................................... | 5 Beschäftigte. |
...
(4) Bei nicht von Abs. 1 und auch nicht von den §§ 2, 3 und 4 zweiter Satz erfassten Betrieben mit Betriebsabwasseranfall hat die Bewertung nach Abs. 1 lit. h und für die Betriebsabwässer zusätzlich nach § 4 erster Satz zu erfolgen. Ist eine getrennte Messung nicht möglich, so ist die höhere Punktezahl anzunehmen, die sich aus dem Ergebnis der Messung nach § 4 erster Satz oder aus der Anwendung des Abs. 1 lit. h ergibt."
Im Beschwerdefall wurde der Beschwerdeführerin ein Ergänzungsbeitrag iSd § 10 Sbg. IBG mit der Begründung vorgeschrieben, dass sie seit 2006 Oberflächenwässer getrennt in den neuen öffentlichen Oberflächenwässerkanal einleite und ihr Betrieb nunmehr 25 Beschäftigte aufweise. Da 1988 bei der Vorschreibung des Interessentenbeitrages ausschließlich die Zahl der im Betrieb Beschäftigten berücksichtigt worden sei (und nicht auch die Einleitung der Oberflächenwässer) und diese damals lediglich elf betragen habe, ergebe sich nunmehr die Berechtigung der mitbeteiligte Stadtgemeinde zur Erhebung des Ergänzungsbeitrages unter erstmaliger Berücksichtigung der Oberflächenwässer und der nunmehr 14 zusätzlich Beschäftigten.
Dagegen wendet sich die Beschwerdeführerin mit dem Vorbringen, die nunmehrige getrennte Einleitung der Abwässer berechtige die mitbeteiligte Stadtgemeinde nicht zur Erhebung des Ergänzungsbeitrages. Bei der unbestrittenen Erhöhung des Beschäftigtenstandes könne zwar ein Ergänzungsbeitrag vorgeschrieben werden, die Abgabenbehörde hätte eine solche Vorschreibung aber bei jeder Änderung des Personalstandes vornehmen müssen.
Nach dem Sbg. IBG wird der Beitrag zur Herstellung gemeindeeigener Abwasseranlagen durch das Ausmaß der vom Grundstück herrührenden Inanspruchnahme der Abwasseranlage bestimmt, wobei diese in Bewertungspunkten auszudrücken ist. Dabei ist eine Punkteeinheit jene Inanspruchnahme, die von der Ableitung ausschließlich häuslicher Abwässer einer Person herrührt. Dem wird in der Sbg. Bewertungspunkte-Verordnung 1978 bei Betrieben ohne Betriebsabwasseranfall insofern Rechnung getragen, als fünf Beschäftigte als eine Punkteeinheit gelten. Dem Verordnungsgeber kann bei einer solchen typisierenden Umschreibung der aus solchen Betrieben resultierenden Belastung der Kanalisation auch kein Überschreiten der gesetzlichen Grenzen vorgeworfen werden (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 22. September 1998, Zl. 94/17/0224). Zur Berechnung des Beitrages ist die Anzahl der den Interessenten treffenden Bewertungspunkte mit der im Zeitpunkt der Verwirklichung des Abgabentatbestandes anzuwendenden - und durch Verordnung der Gemeinde festzusetzenden - Berechnungszahl zu vervielfachen.
Eine Vergrößerung des Ausmaßes der vom Grundstück herrührenden Inanspruchnahme der Anlage durch bauliche oder betriebliche Änderungen, welche zu einer Erhöhung der Anzahl der Bewertungspunkte führt, berechtigt nach § 10 Sbg IBG zur Vorschreibung eines Ergänzungsbeitrages. Die bloße Umstellung des öffentlichen Kanals von einem Mischsystem auf ein Trennsystem (betreffend Oberflächen- und Fäkalabwässer) und die sich daraus ergebenden Anpassungen der baulichen Gegebenheiten auf einer Liegenschaft berechtigen noch nicht zur Festsetzung eines Ergänzungsbeitrages, wenn es durch diese Umstellung zu keiner Mehrbelastung des Kanalsystems kommt, weil etwa bereits vorher die gesamten Oberflächenwässer einer Liegenschaft in den öffentlichen Mischkanal eingeleitet worden sind. Erhöht sich jedoch der Stand der Beschäftigen eines Betriebes, so wird dies als betriebliche Änderung, die eine Vergrößerung der vom Grundstück herrührenden Inanspruchnahme der Anlage zur Folge hat und zur Vorschreibung eines Ergänzungsbeitrages berechtigt, anzusehen sein.
Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass sich die Zahl der Beschäftigten in ihrem Betrieb von 1988 bis 2006 mehr als verdoppelt hat. Sie bringt aber vor, dass der Anstieg der Beschäftigtenzahlen kontinuierlich (mit geringfügigen Schwankungen) erfolgt sei (Anzahl der Dienstnehmer 2001: 17, 2002: 19, 2003: 22, 2004: 27, 2005: 30, 2006: 26). Die Abgabenbehörde hätte daher seit 1988 jährlich die Beschäftigtenzahlen erheben und den Ergänzungsbeitrag unter Zugrundelegung der in den Jahren der Erhöhung jeweils geltenden Berechnungszahl ermitteln müssen. Es sei rechtswidrig, den aus dem gesamten Unterschiedsbetrag im Beschäftigtenstand (von 1998 bis 2006) ermittelten Punktestand mit der (höchsten) Berechnungszahl des Jahres 2006 zu multiplizieren.
Die Beschwerdeführerin ist insofern im Recht, als der Abgabenanspruch für den Ergänzungsbeitrag jeweils zu der Zeit, in welchem eine Erhöhung der Anzahl der Beschäftigten erfolgte, entstanden ist. Für die Berechnung des Ergänzungsbeitrages wäre somit nach dem Grundsatz der Zeitbezogenheit (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. Oktober 2005, Zl. 2005/17/0168) die jeweils geltende Berechnungszahl zu Grunde zu legen.
Dass eine Gemeinde den Ergänzungsbeitrag aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung nicht sofort nach jeder Erhöhung des Beschäftigtenstandes neu festsetzt, sondern dies in größeren Abständen (rückwirkend) durchführt, kann nicht als rechtswidrig erachtet werden, sofern sie dabei die im Zeitpunkt der jeweiligen Erhöhung anzuwendenden Berechnungszahlen zu Grunde legt.
Allerdings kann - wie im Beschwerdefall vorgebracht - die Anzahl der Beschäftigten auch Schwankungen unterliegen. Dass der Gesetzgeber lediglich für den Fall der Erhöhung der Beschäftigtenzahl, nicht aber für deren Verminderung abgabenrechtliche Regelungen in Form eines Ergänzungsbeitrages erlassen hat, begegnet insofern keinen Bedenken, als die Dimensionierung der öffentlichen Abwasseranlage jedenfalls geeignet sein muss, auch den Spitzenentsorgungsbedarf zu decken (vgl. wieder das hg. Erkenntnis vom 7. Oktober 2005). Es kann jedenfalls nicht als unsachlich erachtet werden, wenn beim Ergänzungsbeitrag ausschließlich auf die Belastungsspitzen abgestellt wird.
Unter Zugrundelegung des Beschwerdevorbringens hinsichtlich der Entwicklung der Anzahl der Beschäftigten wäre die Abgabenbehörde daher berechtigt gewesen, den Ergänzungsbeitrag nicht nur unter Zugrundelegung der (für das Jahr 2006 ausgewiesenen) 26, sondern auch der (2005 ausgewiesenen) 30 Beschäftigten (unter Anwendung der in den Jahren der jeweiligen Erhöhung geltenden Berechnungszahlen) vorzuschreiben.
Die Beschwerdeführerin wendet sich auch gegen die Einbeziehung der Niederschlagswässer in die Vorschreibung des Ergänzungsbeitrages mit dem Vorbringen, diese seien bereits 1988 in den Kanal der mitbeteiligten Stadtgemeinde eingeleitet worden. Der Umstand, dass sie damals nicht berücksichtigt worden seien, berechtige die mitbeteiligte Stadtgemeinde schon wegen des Eintritts der Verjährung nicht, dies anlässlich der Vorschreibung des Ergänzungsbeitrages nachzuholen.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das Sbg. IBG keine taugliche Rechtsgrundlage für die Annahme einer Festsetzungsverjährung bietet. Die Bezugnahme auf bereits fällige Interessentenbeiträge in § 9 Sbg. IBG zeigt, dass der Gesetzgeber mit dieser Bestimmung (nur) die Einhebungsverjährung regeln wollte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. Juli 2008, Zl. 2008/17/0102).
Auf Grund des § 1 Abs. 2 lit. b Sbg. LAO gelten die Bestimmungen der Sbg. LAO - und damit auch deren Verjährungsregelungen - nicht in den Angelegenheiten der Anliegerbeiträge und Interessentenbeiträge der Eigentümer (Bauberechtigten) von Grundstücken (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Februar 2005, Zl. 2004/17/0243, mwN).
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem bereits genannten Erkenntnis vom 4. Juli 2008, näher ausgeführt hat, kommt eine analoge Anwendung der Verjährungsbestimmungen der Sbg. LAO schon wegen des Fehlens einer (planwidrigen) Gesetzes- oder Rechtslücke nicht in Betracht.
§ 1 Abs. 7 Sbg. IBG idF vor der Novelle LGBl. Nr. 118/2009 ordnet ausdrücklich die Anwendung der Verwaltungsverfahrensgesetze (Art. II Abs. 5 EGVG 1950) an. Im Verfahren zur Vorschreibung des Interessentenbeitrags ist somit das AVG anzuwenden (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 4. September 2008, Zl. 2006/17/0115). Dieses enthält aber keine Verjährungsregelungen.
Allerdings berechtigt das Fehlen von Bestimmungen über die Bemessungsverjährung die Abgabenbehörde noch nicht, Teile der Beitragsbemessung nach § 4 IBG, welche 1988 aus nicht geklärten Gründen unterblieben sind, 2006 anlässlich der Bemessung des Ergänzungsbeitrages nach § 10 IBG nachzuholen.
§ 10 IBG stellt ausschließlich darauf ab, dass das Ausmaß der vom Grundstück herrührenden Inanspruchnahme der Anlage vergrößert wurde, welche durch bauliche oder betriebliche Änderungen bedingt wurde und zu einer Erhöhung der Anzahl der Bewertungspunkte geführt hat. Nach dem von der belangten Behörde nicht bestrittenen Vorbringen der Beschwerdeführerin gab es aber - mit Ausnahme der Erhöhung des Beschäftigenstandes - keine baulichen oder betrieblichen Änderungen, die zu einer stärkeren Inanspruchnahme des öffentlichen Kanals geführt haben. Wie bereits ausgeführt, berechtigt die Umstellung von Misch- auf Trennsystem beim öffentlichen Kanal durch die mitbeteiligte Stadtgemeinde noch nicht zu einer Vorschreibung eines Ergänzungsbeitrages. Dass die baulichen Änderungen durch die mitbeteiligte Stadtgemeinde ein Ausmaß erreicht hätten, welche als technische Verbesserung oder Wiedererrichtung nicht mehr funktionsfähiger größerer Teile der Anlage iSd § 10a Abs. 2 IBG anzusehen wären, wurde von der belangte Behörde nicht festgestellt. Eine solche Feststellung wäre auch nicht geeignet, die Vorschreibung eines Ergänzungsbeitrags nach § 10 IBG zu begründen.
Indem die Abgabenbehörde bei der Vorschreibung des Ergänzungsbeitrages erstmals die Oberflächenwässer in die Ermittlung der Bewertungspunkte einbezogen und bei der Beitragsermittlung (im Zusammenhang mit den Beschäftigtenzahlen) ausschließlich die Berechnungszahl des Jahres 2006 angewendet hat, hat sie die Rechtslage verkannt. Da die belangte Behörde diesen Umstand nicht aufgegriffen hat, hat sie ihrerseits den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008, insbesondere deren § 3 Abs. 2.
Wien, am 10. August 2010
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