VwGH 2007/16/0184

VwGH2007/16/018425.2.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde der AA AG in W, vertreten durch die Arnold Rechtsanwalts-Partnerschaft in 1010 Wien, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 16. Mai 2007, Zl. IVW3- BE-3241901/071-2006, betreffend Rückzahlung von Getränkesteuer (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde S), zu Recht erkannt:

Normen

LAO NÖ 1977 §186;
LAO NÖ 1977 §186a;
LAO NÖ 1977 §186;
LAO NÖ 1977 §186a;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von 610,60 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenersatzbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

Die beschwerdeführende Aktiengesellschaft (Beschwerdeführerin) beantragte mit einem an die mitbeteiligte Stadtgemeinde gerichteten Schriftsatz vom 22. Oktober 1999 "die Rückerstattung" der von ihr u.a. für den Zeitraum vom 1. Jänner bis zum 30. September 1999 in Höhe von 4,644.050 S entrichteten Getränkesteuerbeträge, weil das NÖ Getränkesteuergesetz gegen die Sechste Mehrwertsteuer-Richtlinie 77/388/EWG des Rates und gegen die Verbrauchsteuer-Richtlinie 92/12/EWG des Rates verstoße. Im Betreff war "Abgabenkonto A 34 für Getränkesteuer, ..." angeführt. Die Beschwerdeführerin begehrte, die Getränkesteuer u.a. für den genannten Zeitraum mit Null festzusetzen und "die zu unrecht eingezahlten Getränkesteuerbeträge zu erstatten".

Mit Bescheid vom 2. März 2000 setzte der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde die Getränkesteuer u.a. für den Zeitraum Jänner bis September 1999 mit dem die zwei "Konten" A 34 und A 50 betreffenden Gesamtbetrag von 5,272.462,10 S fest und wies den Rückzahlungsantrag mit der Begründung ab, dass auf Grund der Vorschreibung kein Guthaben entstanden sei.

Die Abgabenbehörde zweiter Instanz änderte auf Grund einer Berufung der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 12. April 2001 den erwähnten Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 2. März 2000 und setzte die Getränkesteuer für den Zeitraum "1/1999 bis 9/1999" hinsichtlich alkoholischer Getränke mit Null und hinsichtlich alkoholfreier Getränke mit 38.179,90 S fest. Der "Rückzahlungsantrag" wurde als unbegründet abgewiesen. Bezüglich des von der Beschwerdeführerin "behaupteten Guthabens gemäß § 163 Abs. 2 NÖ AO" werde festgehalten, dass "entsprechend der Rechtslage bei Überwälzung der Getränkesteuer auf Dritte von einem rückzahlbaren Guthaben nicht gesprochen werden kann". Die Überwälzung sei nachgewiesen. Daher sei die entrichtete Getränkesteuer für alkoholische Getränke in Höhe von 5,234.490 S für den Zeitraum "1/99 - 9/99" nicht zurückzuzahlen.

Mit Bescheid vom 13. September 2001 wies der Stadtrat der mitbeteiligten Stadtgemeinde eine Berufung der Beschwerdeführerin gegen einen Abrechnungsbescheid vom 1. Juni 2001 betreffend die Getränke- und Speiseeissteuer für den Zeitraum Jänner bis September 1999 ab.

Eine dagegen erhobene Vorstellung der Beschwerdeführerin wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 7. Mai 2002 als unbegründet ab.

Der Verwaltungsgerichtshof wies eine gegen diesen Vorstellungsbescheid erhobene Beschwerde mit Erkenntnis vom 30. April 2003, 2002/16/0245, ab.

Mit Schriftsatz vom 11. August 2003 beantragte die Beschwerdeführerin die Rückerstattung der von ihr für den Zeitraum Jänner bis September 1999 entrichteten Getränkesteuer auf alkoholische Getränke in Höhe von 5,234.490,19 S.

Mit Bescheid vom 5. August 2004 wies der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde diesen Antrag als unzulässig zurück, weil mit dem rechtskräftigen Bescheid vom 12. April 2001 in dieser Sache bereits entschieden worden sei. Dies gehe auch aus dem erwähnten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. April 2003 hervor.

Eine dagegen erhobene Berufung wies der Stadtsenat der mitbeteiligten Stadtgemeinde mit Bescheid vom 18. Oktober 2006 ab.

Die dagegen gerichtete Vorstellung wies die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid ab. Mit dem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid des Stadtsenates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 12. April 2001 sei gemäß § 186 Abs. 1 und § 186a der Niederösterreichischen Abgabenordnung 1977 - NÖ AO "dem Rückzahlungsantrag" nicht stattgegeben worden. Zufolge der Rechtskraft dieses Bescheides könne die mit ihm erledigte Sache nicht neuerlich entschieden werden.

Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung der vor ihm gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 2. Oktober 2007, B 1162/07-3, abgelehnt und über gesonderten Antrag der Beschwerdeführerin die Beschwerde mit Beschluss vom 25. Oktober 2007, B 1162/07-5, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.

In dem die Beschwerde ergänzenden Schriftsatz vom 12. November 2007 erachtet sich die Beschwerdeführerin im Recht auf Sachentscheidung über ihren Antrag vom 11. August 2003 verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und reichte eine Gegenschrift ein, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die mitbeteiligte Stadtgemeinde reichte eine Gegenschrift ein, in der sie ebenfalls die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die Beschwerdeführerin replizierte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Guthaben eines Abgabepflichtigen sind gemäß § 163 Abs. 1 der im Beschwerdefall noch anzuwendenden Niederösterreichischen Abgabenordnung 1977 - NÖ AO zur Tilgung fälliger Schuldigkeiten zu verwenden. Soweit Guthaben nicht dementsprechend zu verwenden sind, sind sie nach § 163 Abs. 2 leg. cit nach Maßgabe der Bestimmungen des § 186 leg.cit. zurückzuzahlen.

Die Rückzahlung von Guthaben (§ 163 Abs. 2) kann gemäß § 186 Abs. 1 NÖ AO auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen erfolgen.

Mit Art. I des vom Landtag am 18. November 1999 beschlossenen Landesgesetzes zur Änderung der NÖ AO, LGBl. 3400-7, wurde der NÖ AO nach dem § 186 folgender § 186a eingefügt:

"§ 186a

(1) Besteht auf Grund gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften die Verpflichtung zur Aufhebung oder Abänderung von Abgabenbescheiden, hat die Abgabenbehörde die von ihr erlassenen Abgabenbescheide aufzuheben oder abzuändern und gleichzeitig auszusprechen, in welchem Umfang die Abgabe nicht gutzuschreiben oder nicht zurückzuzahlen ist, weil die Abgabe insoweit wirtschaftlich von einem anderen als dem Abgabepflichtigen getragen worden ist. Soweit eine derart überwälzte Abgabe noch nicht entrichtet worden ist, hat die Abgabenbehörde diese mit gesondertem Bescheid vorzuschreiben.

(2) Abs. 1 gilt auch, wenn die Abgabe gemäß § 153 Abs. 1 durch die Einreichung der Erklärung über die Selbstbemessung als festgesetzt gilt oder die Abgabenbehörde gemäß § 153 Abs. 2 eine Abgabenfestsetzung vornimmt. Die Bestimmung findet jedoch keine Anwendung auf jene Personen, deren Beschwerden Anlass für das Normprüfungsverfahren gewesen sind."

Diese Novelle trat nach Art. II des Landesgesetzes LGBl. 3400- 7 mit dem Tag der Beschlussfassung, somit mit dem 18. November 1999, in Kraft und fand auch auf davor entstandene Abgabenschuldverhältnisse Anwendung.

Mit Art. I des am 5. Oktober 2000 vom Landtag beschlossenen Landesgesetzes LGBl. 3400-8, wurde die NÖ AO geändert und im § 186a Abs. 1 erster Satz die Wortfolge "Besteht auf Grund gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften die Verpflichtung zur Aufhebung oder Abänderung von Abgabenbescheiden, hat die Abgabenbehörde die von ihr erlassenen Abgabenbescheide aufzuheben oder abzuändern und gleichzeitig auszusprechen" durch die Wortfolge "Die Abgabenbehörde, die eine auf Grund eines rechtswidrigen Abgabengesetzes erlassene Abgabenvorschreibung aufhebt oder abändert, hat auszusprechen" ersetzt.

Nach Art. II dieses Landesgesetzes LGBl. 3400-8 trat die Änderung mit 18. November 1999 in Kraft und fand auch auf davor entstandene Abgabenschuldverhältnisse Anwendung.

Ein Guthaben entsteht, wenn auf einem Abgabenkonto die Summe der Gutschriften (Zahlungen, sonstige Gutschriften) die Summe der Lastschriften übersteigt. Maßgeblich sind die tatsächlich durchgeführten Gutschriften (Lastschriften) und nicht diejenigen, die nach Meinung des Abgabepflichtigen hätten durchgeführt werden müssen. Zahlungen auf Grund einer rechtswirksamen, wenngleich allenfalls rechtswidrigen Abgabenfestsetzung führen noch nicht von selbst zu einem Guthaben. Dazu bedarf es einer Änderung oder Aufhebung der Abgabenfestsetzung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2008, 2007/16/0194).

Während die Rückzahlung eines Guthabens nach § 186 NÖ AO sohin das Bestehen eines solcherart entstandenen Guthabens voraussetzt, hat die Abgabenbehörde nach § 186a NÖ AO auszusprechen, in welchem Umfang die "Abgabe" nicht gutzuschreiben oder nicht zurückzuzahlen ist. Nach dem Rückzahlungstatbestand des § 186a NÖ AO, der sich inhaltlich von dem nach § 186 NÖ AO unterscheidet, ist die "Abgabe" und nicht ein Guthaben zurückzuzahlen. Auf das Bestehen oder Nichtbestehen eines Guthabens kommt es nach dem Wortlaut dieser Bestimmung - anders als nach § 186 NÖ AO - nicht an, weil nicht ein "Guthaben" Gegenstand der Rückzahlung an Abgabepflichtige nach § 186a NÖ AO ist (vgl. das zur insoweit vergleichbaren Oberösterreichischen Landesabgabenordnung ergangene hg. Erkenntnis vom 23. Februar 2006, 2005/16/0112). Der Ausspruch, in welchem Umfang die Abgabe nicht gutzuschreiben oder nicht zurückzuzahlen ist, verlangt das Erfüllen des Tatbestandes des § 186a Abs. 1 NÖ AO, dass nämlich die Abgabenbehörde eine bestimmte Abgabenvorschreibung aufhebt oder abändert. Einen Rückzahlungsantrag setzt § 186a NÖ AO nicht voraus.

Im Zeitpunkt, zu dem die Beschwerdeführerin ihren Antrag vom 22. Oktober 1999 auf "Rückerstattung der Getränkesteuer" einbrachte, war das Landesgesetz, mit welchem § 186a in die NÖ AO eingefügt wurde, noch nicht beschlossen. Vor dem Hintergrund dieser Rechtlage ist der Beschwerdeführerin einzuräumen, dass ein solcher Antrag daher als Antrag auf Rückzahlung eines - lediglich das "Konto A 34" betreffenden - Guthabens (in Höhe von 4,644.050 S) zu werten gewesen wäre (so auch der erwähnte Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 2. März 2000).

Es kann dahin gestellt bleiben, ob der Antrag später geändert wurde. Dieser Rückzahlungsantrag wurde jedenfalls mit Bescheid der Abgabenbehörde zweiter Instanz vom 12. April 2001 rechtskräftig abgewiesen. Mit demselben (Sammel-)Bescheid vom 12. April 2001 wurde auch die Abgabenvorschreibung - betreffend die "Konten A 34 und A 50" - geändert.

Der Verwaltungsgerichtshof führte im erwähnten Erkenntnis vom 30. April 2003, auf dessen Gründe gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, aus, der Beschwerdeführerin sei zwar zuzugestehen, dass der Spruch des letztinstanzlichen Bescheides der Abgabenbehörde vom 12. April 2001 den in § 186a NÖ AO vorgesehenen Ausspruch, in welchem Umfang eine Abgabe nicht gutzuschreiben oder nicht rückzuzahlen ist, wörtlich nicht enthalte. Spruch und Begründung eines Bescheides würden jedoch eine Einheit bilden, sodass für die Ermittlung des Sinnes eines Bescheides auch die Begründung heranzuziehen sei, insbesondere, wenn wegen Unklarheit des Spruches an seinem Inhalt Zweifel bestünden. In einem solchen Fall sei also die Begründung des Bescheides als Auslegungsbehelf heranzuziehen. In dem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid vom 12. April 2001 sei einerseits die Vorschreibung der auf alkoholische Getränke entfallenden Getränkesteuer für Jänner bis September 1999 aufgehoben, gleichzeitig der Antrag auf Rückzahlung dieser Abgabe unter ausdrücklichem Hinweis auf § 186a NÖ AO abgewiesen worden. In der Begründung des Bescheides sei auf Grund der getroffenen Sachverhaltsfeststellung ausgeführt worden, die Abgabe sei vom Endverbraucher getragen worden, was die Rückzahlung der entrichteten Getränkesteuer auf alkoholische Getränke ausschließe. Bei verständiger Würdigung des Gesamtinhaltes dieses Bescheides vom 12. April 2001 sei nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes davon auszugehen, dass der Ausspruch über die Verweigerung der Rückzahlung der in Rede stehenden Abgaben den Ausspruch über die Verweigerung einer Gutschrift dieser Abgaben einschließt.

Sache des erwähnten rechtskräftigen Bescheides der Abgabenbehörde zweiter Instanz vom 12. April 2001 war somit auch die Verweigerung der Gutschrift und der Rückzahlung der - die "Konten A 34 und A 50" betreffenden - Getränkesteuer für Jänner bis September 1999 im Sinne des § 186a NÖ AO in Höhe von 5,272.462,10 S unabhängig davon, ob ein solcher Antrag überhaupt schon gestellt worden war.

Mit Schriftsatz vom 11. August 2003 wurde nunmehr jedenfalls ein Antrag auf Rückzahlung der Getränkesteuer im Sinn des § 186a NÖ AO gestellt. Dieser Antrag betraf somit dieselbe Sache, die Gegenstand des - wenngleich allenfalls ohne Antrag - ergangenen Bescheides vom 12. April 2001 war. Dass dieser Rückzahlungsantrag einen geringeren Abgabenbetrag (nämlich 5,234.490,19 S) umfasste, ist dabei nicht entscheidend.

Deshalb hat der Stadtrat der mitbeteiligten Stadtgemeinde den Antrag vom 11. August 2003 mit dem vor der belangten Behörde bekämpften Bescheid vom 18. Oktober 2006 im Instanzenzug zu Recht wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

Da die Beschwerdeführerin durch diesen Bescheid demnach in ihren Rechten nicht verletzt wurde, hat die belangte Behörde die gegen den vor ihr bekämpften Bescheid erhobene Vorstellung mit dem angefochtenen Bescheid rechtens abgewiesen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Das Kostenersatzbegehren der mitbeteiligten Stadtgemeinde war abzuweisen, weil sie nicht durch einen Rechtsanwalt oder Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater vertreten war (§ 48 Abs. 3 Z 2 VwGG idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 4/2008; vgl. zur Rechtslage vor der genannten Novelle des VwGG das hg. Erkenntnis vom 13. September 2006, 2003/13/0116, mwN).

Wien, am 25. Februar 2010

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