VwGH 2007/10/0080

VwGH2007/10/00803.11.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerde der Bergbahnen H GmbH & Co KG in H, vertreten durch Dr. Erwin Markl, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/1, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 2. März 2007, Zl. IIIa1-W-15.025/43, betreffend naturschutzrechtliche Bewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

NatSchG Tir 2005 §29;
NatSchG Tir 2005 §3 Abs8;
NatSchG Tir 2005 §9;
NatSchG Tir 2005 §29;
NatSchG Tir 2005 §3 Abs8;
NatSchG Tir 2005 §9;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 2. März 2007 wurde der beschwerdeführenden Partei die naturschutzrechtliche Bewilligung für die näher beschriebene Erweiterung der Beschneiungsanlage H gemäß den §§ 3 Abs. 8, 6 lit. e und lit. h sowie 9 iVm § 29 Tiroler Naturschutzgesetz 2005 (Tir NatSchG) sowie den §§ 2 und 3 der Tiroler Naturschutzverordnung 2006 iVm § 29 Tir NatSchG versagt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die beschwerdeführende Partei betreibe im Schigebiet "H" eine Beschneiungsanlage, die aus vier Pumpstationen sowie Transport- und Schneileitungen bestehe, wobei die Entnahme des Schneiwassers aus der B Ache im Ausmaß von 80 l/sec erfolge. Die geplante Erweiterung sehe die Errichtung eines Speicherteiches samt den dazugehörigen Pump- und Steuerungselementen sowie die Verlegung von Transportleitungen und Beschneiungsleitungen vor. Aus dem derzeit bestehenden Beschneiungssystem mit Stichleitungen solle ein Ringsystem geschaffen werden, das den Zusammenschluss mit bestehenden Beschneiungsanlagen der benachbarten Seilbahngesellschaften ermöglichen solle. Durch den geplanten Ausbau der Anlage ändere sich die Konsenswasserentnahme aus der B Ache nicht. Es sei allerdings eine Erweiterung der Beschneiungsfläche um ca. 13,75 ha vorgesehen, woraus sich ein zusätzlicher jährlicher Wasserbedarf von ca. 43.370 m3 ergäbe.

Kernstück der Erweiterung sei der Speicherteich mit einer Länge von 180 m, einer Breite von 125 m, einer Tiefe von 15 m und einem Nutzvolumen von 108.000 m3. Der Standort des geplanten Teiches befinde sich in einer durchfeuchteten Geländemulde unmittelbar südöstlich der Bergstation der 8KSB Foisching im Bereich der K-alm auf einer Seehöhe von 1.575 m ü.A. Die Vegetation in der Geländemulde lasse auf das Vorliegen eines Feuchtgebietes schließen, das sich in zwei unterschiedlich große Teilflächen gliedere, die durch einen verhältnismäßig trockenen und flachen Bereich voneinander getrennt seien. Der größere und vom geplanten Speicherteich betroffene Bereich weise eine Fläche von ca. 1 ha auf. Die Vegetation auf dieser Fläche sei den Hochmoor-Torfmoosgesellschaften, speziell den Bunten Torfmoosgesellschaften zuzuordnen. Die auftretenden Sphagnum-Arten (S. magellanicum, S. fallax und S. rubellum) und wenige Zwergsträucher charakterisierten das Feuchtgebiet als nasses oligotrophes Übergangsmoor (Zwischenmoor). Im Kernbereich des Zwischenmoores seien neben den erwähnten Sphagnum-Arten auch geringe Mengen Rosmarinheide und somit typische Vegetationsarten für ein Hochmoor vorgefunden worden. Bei der erwähnten Fläche handle es sich somit über weite Bereiche um ein Übergangsmoor, welches eindeutig Entwicklungstendenzen zu einem Hochmoor aufweise. Das Feuchtgebiet werde zum Teil von mäßig nährstoffreichen Almweiden umsäumt, zum Teil von Fichtenwald begrenzt, in dem sich einzelne nährstoffangereicherte Quellbereiche befänden.

Nahezu die gesamte Moorfläche im Ausmaß von 1 ha werde von der geplanten Fläche des Speicherteiches abgedeckt. Auch die vom Projekt nicht erfassten Randbereiche des Feuchtgebietes seien durch die unmittelbare Nähe zur Baustelle sowie auf Grund der geringen verbleibenden Größe auf Dauer nicht zu erhalten. Mit der Verwirklichung der beantragten Erweiterung sei daher eine gänzliche Zerstörung des Moores verbunden. Bei den betroffenen Flächen handle es sich um besonders geschützte Standorte gemäß § 3 der Tiroler Naturschutzverordnung 2006, bei den genannten Torfmoos-Arten um gänzlich geschützte Pflanzenarten nach § 2 der Tiroler Naturschutzverordnung 2006. Durch die im Projekt vorgesehenen Ausgleichsmaßnahmen könne bestenfalls ein Feuchtgebiet mit entsprechenden Pflanzen, keinesfalls aber ein gleichwertiger Moorkomplex geschaffen werden.

Betreffend die an der beantragten Erweiterung der Beschneiungsanlage bestehenden öffentlichen Interessen sei festzustellen, dass eine Verwirklichung des Projektes es möglich mache, die wichtigsten Pisten (Talabfahrten I und H, Gipfelabfahrt und Verbindungspisten zum Schigroßraum W) in noch kürzerer Zeit effektiv zu beschneien. Die Schneizeit könne um mehr als die Hälfte reduziert werden, wodurch sich die Wettbewerbssituation der beschwerdeführenden Partei verbessere. Mit Hilfe des Speicherteiches könnten die bestehenden Schneigeräte mit mehr Wasser beschickt werden, was zu einer höheren Schneemengenproduktion pro Zeiteinheit führe. Kältefenster, d. h. Zeitabschnitte mit für die Beschneiung geeigneten Temperaturen könnten dadurch effizienter ausgenützt werden. Lang andauernde Kälteperioden wären für die Grundbeschneiung nicht mehr essenziell.

Bei Abwägung der für und gegen das Projekt der beschwerdeführenden Partei sprechenden öffentlichen Interessen sei festzuhalten, dass an der Erhaltung der betroffenen Moorfläche ein hohes Interesse des Naturschutzes bestehe: Der Gesetzgeber habe Feuchtgebiete und insbesondere Moore unter besonderen Naturschutz gestellt. Die besondere Wertigkeit dieser Gebiete sei darin begründet, dass die Entstehung von Mooren sehr große Zeiträume erfordere. In diesem Sinne verpflichte auch Art. 9 Abs. 1 des Protokolls zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich des Bodenschutzes, BGBl. III Nr. 235/2002, die Mitgliedstaaten, Hoch- und Flachmoore zu erhalten; Moorböden sollten grundsätzlich nicht genutzt werden. Auch dies zeige die Wichtigkeit der Erhaltung von Mooren. Das Projekt der beschwerdeführenden Partei bewirke eine vollständige Beseitigung des Moores und damit einen massiven Eingriff in die Natur. Demgegenüber sei ein öffentliches Interesse am Projekt der beschwerdeführenden Partei als gering zu bewerten, zumal diese bereits über eine Beschneiungsanlage verfüge und es lediglich darum gehe, die Beschneiung in kürzerer Zeit durchführen zu können. Dieser Vorteil wiege die unwiederbringliche Zerstörung eines Moores nicht auf. Die beantragte Bewilligung sei daher zu versagen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 9 Tiroler Naturschutzgesetz 2005 (Tir NatSchG) bedürfen in Feuchtgebieten außerhalb geschlossener Ortschaften u. a. das Ausbaggern (lit. b), die Errichtung, Aufstellung und Anbringung von Anlagen sowie die Änderung von Anlagen, sofern die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 berührt werden (lit. c), jede über die bisher übliche Art und den bisher üblichen Umfang hinausgehende Nutzung (lit. d) sowie Geländeabtragungen und Geländeanschüttungen sowie jede sonstige Veränderung der Bodenoberfläche (lit. e) einer naturschutzrechtlichen Bewilligung.

Ein "Feuchtgebiet" ist gemäß § 3 Abs. 8 Tir NatSchG ein vom Wasser geprägter, in sich geschlossener und vom Nachbargebiet abgrenzbarer Lebensraum mit den für diesen charakteristischen Pflanzen- und Tiergemeinschaften. Dazu gehören insbesondere auch Röhrichte und Großseggensümpfe, Quellfluren und Quellsümpfe, Flach- und Zwischenmoore, Hochmoore, Moor- und Bruchwälder.

Eine naturschutzrechtliche Bewilligung für Vorhaben gemäß § 9 Tir NatSchG darf gemäß § 29 Abs. 2 lit. a Tir NatSchG nur erteilt werden,

1. wenn das Vorhaben, für das die Bewilligung beantragt wird, die Interessen das Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 nicht beeinträchtigt oder

2. wenn andere langfristige öffentliche Interessen an der Erteilung der Bewilligung die Interessen das Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 überwiegen.

Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, die von der beschwerdeführenden Partei geplante Erweiterung der Beschneiungsanlage werde durch die Errichtung des Speicherteiches zu einer völligen Zerstörung des bestehenden Moores führen. Angesichts des naturkundlichen Wertes von Mooren, der zu einem besonderen gesetzlichen Schutz solcher Flächen geführt habe, sei von einem gewichtigen Interesse iSd § 1 Abs. 1 Tir NatSchG am Unterbleiben dieses Vorhabens auszugehen. Dem stünde ein nur geringes öffentliches Interesse an der Verwirklichung des Vorhabens gegenüber: Die bestehenden Schneigeräte könnten mit mehr Wasser beschickt und die Beschneiung daher in kürzerer Zeit durchgeführt werden. Dies könnte die Wettbewerbssituation der Beschwerdeführerin gegenüber den benachbarten Schigebieten verbessern.

Die beschwerdeführende Partei bestreitet nicht, dass eine Verwirklichung des beantragten Vorhabens zu einer völligen Zerstörung des (außerhalb geschlossener Ortschaften gelegenen) Zwischenmoores führen würde. Sie rügt vielmehr die von der belangten Behörde vorgenommene Interessenabwägung als rechtswidrig. Zum einen handle es sich beim betroffenen Moor, wie sich aus dem von ihr vorgelegten naturschutzfachlichen Gutachten ergebe, um einen in den Zentralalpen häufig und großflächig vertretenen Biotoptyp; so spreche - abgesehen davon, dass sich die belangte Behörde darauf gar nicht hätte stützen dürfen - auch das Protokoll "Bodenschutz" zur Durchführung der Alpenkonvention nur von Hoch- und Flachmooren, nicht aber von Zwischenmooren. Zum anderen hätte ins Kalkül gezogen werden müssen, dass die bestmögliche Beschneiung der Schipisten für die beschwerdeführende Partei eine absolute Notwendigkeit sei, um konkurrenzfähig zu bleiben. Die diesbezügliche Stellungnahme des Bürgermeisters der Gemeinde H sei jedoch ebenso unberücksichtigt geblieben wie die Stellungnahme der Bezirkslandwirtschaftskammer Kitzbühel. Unter Berücksichtigung des enormen gemeinschaftlichen Nutzens einer bestmöglichen Beschneiung der Schipisten hätte die belangte Behörde daher zum Ergebnis kommen müssen, dass am Projekt ein überwiegendes langfristiges öffentliches Interesse bestehe. Schließlich würde auch die benötigte Energiemenge für die Beschneiung von derzeit 400.000 KW durch die Errichtung des Speicherteiches auf 30.000 bis 50.000 KW reduziert. Auch dies hätte als langfristiges öffentliches Interesse berücksichtigt werden müssen.

Mit diesem Vorbringen zeigt die beschwerdeführende Partei keine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit auf:

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 2007, Zl. 2004/10/0228, und die dort zitierte Vorjudikatur), ist in einem Verfahren gemäß § 29 Abs. 2 Tir NatSchG in einem ersten Schritt zu prüfen, welches Gewicht der Beeinträchtigung von Interessen des Naturschutzes (Vielfalt, Eigenart und Schönheit der Natur, Erholungswert, Artenreichtum der heimischen Tier- und Pflanzenwelt und deren natürliche Lebensräume, möglichst unbeeinträchtigter und leistungsfähiger Naturhaushalt) durch das Vorhaben zukommt. Dem sind die langfristigen öffentlichen Interessen, denen die Verwirklichung des Vorhabens dienen soll, gegenüberzustellen.

In Ansehung der im erwähnten ersten Schritt zu beurteilenden Frage, ob und inwieweit es durch das Vorhaben der beschwerdeführenden Partei zu einer Beeinträchtigung der Interessen des Naturschutzes iSd § 1 Abs. 1 Tir NatSchG kommt, steht zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens unbestritten fest, dass durch die Errichtung des Speicherteiches ein Moor (Zwischenmoor) völlig zerstört würde. Auch wenn es sich dabei - wie die Beschwerde vorbringt - um einen in den Zentralalpen häufig vorkommenden Biotoptyp handelte, ändert dies nichts daran, dass der Naturschutzgesetzgeber Mooren einen besonderen Schutz gewährleistet. Angesichts der völligen Zerstörung eines solchen besonders geschützten Gebietes konnte die belangte Behörde daher zu Recht von einer nicht bloß vernachlässigbaren Beeinträchtigung der Interessen des Naturschutzes iSd § 1 Abs. 1 Tir NatSchG ausgehen. Zur Begründung ihrer Auffassung, an der Erhaltung des Moores bestünden gewichtige Naturschutzinteressen, hat die belangte Behörde auch auf das Protokoll "Bodenschutz" zur Durchführung der Alpenkonvention (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 24. Februar 2006, VwSlg. 16.847/A, und vom 8. Juni 2005, VwSlg. 16.640/A) hingewiesen. Sie hat im Übrigen aber die Versagung der beantragten Bewilligung entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht auf das erwähnte Protokoll, sondern auf § 29 Tir NatSchG gestützt.

Eine Bewilligung gemäß § 29 Abs. 2 Tir NatSchG kam somit nur bei Vorliegen langfristiger öffentlicher Interessen an der Verwirklichung des Projektes in Betracht. Ein solches überwiegendes langfristiges öffentliches Interesse besteht nach Auffassung der beschwerdeführenden Partei an der Optimierung der Beschneiung ihrer Schipisten zur Erhaltung der Konkurrenzfähigkeit. Die beschwerdeführende Partei hat aber nicht konkret aufgezeigt, dass das beantragte Vorhaben für den Betrieb der Schipisten von einer solchen Bedeutung wäre, dass dessen Aufrechterhaltung andernfalls ernsthaft gefährdet wäre. Nur in einem solchen Fall könnte aber davon ausgegangen werden, dass im Gegenstande öffentliche Interessen des Fremdenverkehrs langfristig und erheblich berührt würden. Soweit sich die beschwerdeführende Partei jedoch auf ihr Interesse an der Verbesserung ihrer Konkurrenzfähigkeit gegenüber anderen Anbietern bezieht, handelt es sich bloß um betriebswirtschaftliche Interessen; ein langfristiges öffentliches Interesse kann daraus nicht abgeleitet werden.

Die beschwerdeführenden Partei rügt in diesen Zusammenhang noch die unterbliebene Berücksichtigung zweier Stellungnahmen durch die belangte Behörde, sie hat sie es jedoch unterlassen, die Wesentlichkeit des behaupteten Verfahrensmangels iSd § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG darzutun. Auch dem nicht näher begründeten Hinweis auf eine bei Verwirklichung des Projektes mögliche Energieersparnis kann konkret nicht entnommen werden, dass die belangte Behörde das Gewicht der am beantragten Vorhaben bestehenden langfristigen öffentlichen Interessen unzutreffend angenommen hätte.

Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 3. November 2008

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