VwGH 2007/09/0104

VwGH2007/09/010426.2.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des O S in I, vertreten durch Dr. Georg Gschnitzer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Andreas-Hofer-Straße 1, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission für Landeslehrer beim Amt der Tiroler Landesregierung, Senat für Landeslehrer an Hauptschulen, vom 14. März 2007, Zl. DOK-7-34, betreffend Disziplinarstrafe der Geldstrafe, zu Recht erkannt:

Normen

BDG 1979 §43 Abs2 impl;
B-GlBG 1993 §7 Abs2;
B-GlBG 1993 §8 Abs2 idF 2004/I/065;
LDG 1984 §29 Abs2;
StGB §107a idF 2007/I/093;
VwRallg;
BDG 1979 §43 Abs2 impl;
B-GlBG 1993 §7 Abs2;
B-GlBG 1993 §8 Abs2 idF 2004/I/065;
LDG 1984 §29 Abs2;
StGB §107a idF 2007/I/093;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Hauptschuloberlehrer in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Tirol.

Mit Bescheid der beim Amt der Tiroler Landesregierung eingerichteten Disziplinarkommission für Landeslehrer, Senat für Landeslehrer an Hauptschulen, vom 14. Dezember 2004 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, während des Zeitraumes vom 5. Juni 2004 bis 20. Juli 2004 eine namentlich bezeichnete Kollegin an der HS durch verschiedene, im Einzelnen genannte Handlungen sexuell belästigt und dadurch eine Dienstpflichtverletzung nach den einschlägigen Bestimmungen des Bundes-Gleichbehandlungsgesetzes und des § 29 Abs. 2 LDG 1984 begangen zu haben. Über ihn wurde wegen dieser Dienstpflichtverletzungen eine Geldstrafe in der Höhe von drei Monatsgehältern verhängt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Mit Bescheid der beim Amt der Tiroler Landesregierung eingerichteten Disziplinaroberkommission, Senat für Landeslehrer an Hauptschulen, vom 9. Februar 2005 wurde dieser Berufung in der Schuldfrage keine, in der Straffrage hingegen Folge gegeben und die verhängte Geldstrafe auf einen Monatsbezug (EUR 2.882,40) herabgesetzt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, welcher - unter anderem - den bekämpften Bescheid der Disziplinaroberkommission vom 9. Februar 2005 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes mit hg. Erkenntnis vom 26. Juni 2006, Zlen. 2005/09/0039, 2005/09/0049- 5, aufhob. Auf dieses Erkenntnis wird im Übrigen zur Vermeidung von weiteren Wiederholungen gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

Nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 14. März 2007 gab die belangte Behörde mit ihrem Ersatzbescheid mit dem selben Datum der Berufung des Beschwerdeführers (wiederum) teilweise Folge, indem sie unter Neufassung des Spruches den Beschwerdeführer wie folgt schuldig erkannte (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof, Schreibfehler im Original):

"Der Disziplinarbeschuldigte HOL O. S. ist schuldig, er hat seine Kollegin HL S. M. dadurch, dass er sie

1.) am 5.6.2004 kurz nach 6:00 Uhr in Kärnten, F, in der Unterkunft in D, nachdem er sie geweckt hatte, gefragt hat, ob er mit ihr 'schnugelen' (schlafen) dürfe,

2.) am 9.7.2004, obwohl bereits mehrere Versuche mit der Genannten in eine nähere Beziehung zu treten erfolglos verlaufen waren und ihm die Erfolglosigkeit seiner Bemühungen auch unmissverständlich klar gemacht worden war, bei der Schulabschlussfeier in S zu sich nach I eingeladen hatte und gegen 17:00 Uhr durch die telefonische Aufforderung, ihm eine Urlaubskarte zu schreiben,

3.) am 17.7.2004 durch die Einladung mittels SMS, nach O mitzufahren,

4.) am 18.7.2004 durch drei SMS-Mitteilungen um 9:19, 11:59 und 16:08 Uhr, in welchen er der Empfängerin gegenüber sein Bedauern äußerte, dass sie a) nicht mitgefahren sei ('Schade O.'),

b) seine Sehnsucht nach ihrer 'Aura' bekundete und c) zum Ausdruck brachte, dass es ihn 'warm durchströme, wenn er an sie denke', sowie

5.) am 20.7.2004 durch die SMS-Mitteilung um 12:49 Uhr mit dem Inhalt 'Würde dich gerne sehen, dein Anblick fehlt mir so sehr. Wann hast du Zeit. Bitte mach dich nicht zu kostbar. Es strömt mich sanft und warm O.',

im Sinne des § 7 Abs. 2 Z. 1, 2 und 3 lit. a des Bundes-Gleichbehandlungs-gesetzes (B-GlBG), BGBl. I Nr. 100/1993 in der Fassung BGBl. I Nr. 119/2002, sowie des § 8 Abs. 2 Z. 1 B-GlBG in der Fassung BGBl. I Nr. 65/2004 (Tatzeitpunkte 2 bis 5), sexuell belästigt und dadurch eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 45 in Verbindung mit den §§ 7 Abs. 1 Z. 2 und 8 B-GlBG in der Fassung BGBl. Nr. 119/2002 sowie nach § 40 in Verbindung mit den §§ 8 Abs. 1 Z. 3 und 9 B-GlBG in der Fassung BGBl. I Nr. 65/2004 (Diskriminierung auf Grund des Geschlechts) sowie § 29 Abs. 2 LDG 1984 (Wahrung des Vertrauens in die Allgemeinheit in die sachliche Erfüllung der dienstlichen Aufgaben) begangen.

Gemäß § 70 Z. 3 LDG 1984 wird über den Disziplinarbeschuldigten wegen dieser disziplinären Verfehlung eine Geldstrafe in der Höhe von einem Monatsbezug, somit EUR 2.882,40, verhängt."

Nach Verweis auf das aufhebende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Juni 2006, Zlen. 2005/09/0039, 2005/09/0049-5, traf die belangte Behörde auf Grund der Ergebnisse der von ihr durchgeführten Berufungsverhandlung vom 14. März 2007 über den von der Behörde erster Instanz im Disziplinarerkenntnis vom 14. Dezember 2004 in den Punkten 2.1 bis 2.11 zusammengefassten Sachverhalt hinausgehend folgende ergänzende Tatsachenfeststellungen:

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß dem von der belangten Behörde herangezogenen § 29 Abs. 2 des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes - LDG 1984, BGBl. Nr. 302/1984, hat der Landeslehrer in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.

Die Worte "in seinem gesamten Verhalten" lassen - wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt zu der insoweit vergleichbaren Rechtslage nach dem BDG 1979 ausgesprochen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Oktober 1999, Zl. 97/09/0105, mwN) - den Schluss zu, dass hiedurch nicht nur das Verhalten im Dienst gemeint ist, sondern auch außerdienstliches Verhalten, wenn Rückwirkungen auf den Dienst entstehen. Zutreffend hat daher die belangte Behörde die dem Beschwerdeführer vorgeworfene sexuelle Belästigung einer weiblichen Kollegin in rechtlicher Hinsicht als eine mögliche Dienstpflichtverletzung im Sinn des § 29 Abs. 2 LDG 1984 qualifiziert.

Hinsichtlich der Tatzeiträume bis 30. Juni 2004 waren gemäß § 45 Bundes-Gleichbehandlungsgesetz - B-GBG, BGBl. Nr. 100/1993 in der Stammfassung u.a. die §§ 1 bis 8 dieses Bundesgesetzes, hinsichtlich jener Tatzeiträume, die nach dem 1. Juli 2004 liegen, gemäß § 40 B-GBG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 65/2004 u. a. die §§ 1 bis 9 dieses Bundesgesetzes (u.a.) auf Lehrerinnen und Lehrer an öffentlichen Pflichtschulen anzuwenden.

Der Begriff der "sexuellen Belästigung" ist hinsichtlich der Tatzeiten bis 30. Juni 2004 nach § 7 Abs. 2 B-GBG, definiert. Danach liegt sexuelle Belästigung vor, wenn ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten gesetzt wird,

  1. 1. das die Würde einer Person beeinträchtigt,
  2. 2. das für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht oder anstößig ist und

    3. a) das eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder

    b) bei dem der Umstand, dass die betroffene Person ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten seitens einer Vertreterin oder eines Vertreters des Dienstgebers oder einer Kollegin oder eines Kollegen zurückweist oder duldet, ausdrücklich oder stillschweigend zur Grundlage einer Entscheidung mit nachteiligen Auswirkungen auf den Zugang dieser Person zur Aus- und Weiterbildung, Beschäftigung, Weiterbeschäftigung, Beförderung oder Entlohnung oder zur Grundlage einer anderen nachteiligen Entscheidung über das Dienst- oder Ausbildungsverhältnis gemacht wird.

    Hinsichtlich jener Tatzeiten, die nach dem 1. Juli 2004, dem Tag des Inkrafttretens der B-GBG-Novelle BGBl. I Nr. 65/2004, liegen, wird der Begriff der "sexuellen Belästigung" in § 8 Abs. 2 leg. cit. dahingehend bestimmt, dass eine solche anzunehmen ist, wenn ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten gesetzt wird, das die Würde einer Person beeinträchtigt, für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht, entwürdigend, beleidigend oder anstößig ist und

    1. eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder

    2. bei dem der Umstand, dass die betroffene Person ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten seitens einer Vertreterin oder eines Vertreters des Dienstgebers oder einer Kollegin oder eines Kollegen zurückweist oder duldet, ausdrücklich oder stillschweigend zur Grundlage einer Entscheidung mit Auswirkungen auf den Zugang dieser Person zur Aus- und Weiterbildung, Beschäftigung, Weiterbeschäftigung, Beförderung oder Entlohnung oder zur Grundlage einer anderen Entscheidung über das Dienst- oder Ausbildungsverhältnis gemacht wird.

    Nach den Erläuterungen (857 BlgNR, 18. GP, 19) sind unter einem der sexuellen Sphäre zuzuordnenden Verhalten auch verbale und nichtverbale Verhaltensweisen zu verstehen.

    Der Beschwerdeführer wendet sich mit seinen umfangreichen Äußerungen zunächst gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde.

    Die in einem Bescheid darzulegende Beweiswürdigung ist nichts anderes als ein schriftlich festgehaltener Denkprozess der Behörde, der nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich ist, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges handelt bzw. darum, ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind. Die Schlüssigkeit der Erwägungen innerhalb der Beweiswürdigung unterliegt daher der Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes.

    Die Beschwerdeausführungen enthalten zwar weitwendige Gegendarstellungen des Beschwerdeführers und Auszüge aus dem Akteninhalt, aber keine konkreten Argumente, die die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung als zweifelhaft erscheinen ließen. Der Verwaltungsgerichtshof kann weder aus dieser Gegendarstellung noch aus dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten entnehmen, warum die im angefochtenen Bescheid dargelegten Gedankengänge unschlüssig seien oder mit der Lebenserfahrung in Widerspruch stünden; die konkrete Richtigkeit der von der Behörde angenommenen Sachverhaltsgrundlage hingegen ist nicht Prüfungsgegenstand des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 2007, Zl. 2006/09/0196, mwN).

    Verfahrensmängel zeigt der Beschwerdeführer nicht auf, sodass auch der Verwaltungsgerichtshof im Sinne des § 41 Abs. 1 VwGG von jener Sachverhaltsgrundlage auszugehen hatte, die Grundlage des angefochtenen Bescheides ist.

    Aber auch die von der belangten Behörde vorgenommene rechtliche Beurteilung dieses Sachverhaltes erweist sich als zutreffend.

    Bekämpft der Beschwerdeführer insbesondere die Ansicht der belangten Behörde, das ihm vorgeworfene Verhalten anlässlich des Weckvorganges am 5. Juni 2004 stelle keine unerwünschte sexuelle Belästigung dar, sei vielmehr der Ausdruck seiner Suche nach Nähe gewesen, so ist ihm entgegen zu halten, dass gerade diese - erkennbar unerwünschte - Suche nach Nähe Gegenstand des Vorwurfs gewesen ist. Zutreffend hat die belangte Behörde hier den Begriff des "Stalking" eingebracht, der für ein Verhalten steht, unter dem das unerwünschte beharrliche Verfolgen einer Person zu deren psychischen und/oder physischen Nachteil verstanden wird (vgl. dazu auch die Definition des mit der Novelle BGBl. I Nr. 93/2007, eingeführten Straftatbestandes der beharrlichen Verfolgung in § 107a StGB). Zu den möglichen Stalking-Handlungen zählen dabei auch - im Einzelnen oft unverfängliche, in der Wiederholung aber grenzverletzende - Telefonanrufe, SMS-Nachrichten oder E-mails.

    Wenn der Beschwerdeführer meint, nicht seiner Kollegin, sondern ihm selbst sei "Unrecht zugefügt" worden, so ist ihm entgegen zu halten, dass nach den von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen ein aufreizendes Verhalten durch die Betroffene, insbesondere in der deutlichen Absicht, entgegen den verbalen Abwehrversuchen, den Beschwerdeführer damit anzusprechen, nicht gesetzt worden war. Seine Behauptung, erst am 26. Juli 2004 erkannt zu haben, dass seine Annäherungsversuche unerwünscht seien, ist unbeachtlich, weil es auf die subjektive Wahrnehmung nicht ankommt, sondern darauf, wann der Beschwerdeführer nach objektivem Maßstab die Unerwünschtheit seines Verhaltens hätte erkennen müssen.

    In der Beschwerde werden schlussendlich die einzelnen dem Beschwerdeführer zum Vorwurf gemachten Tathandlungen einer eingehenden Besprechung und Gegendarstellung unterzogen, womit der Beschwerdeführer verkennt, dass es eben nicht auf die Rechtswidrigkeit jeder einzelnen Tathandlung ankommt, sondern auf deren Gesamtheit, in der die "Beharrlichkeit" seines Verhaltens ja gerade zum Ausdruck kommt.

    Insgesamt ergeben sich gegen die von der belangten Behörde vorgenommene rechtliche Beurteilung des von ihr festgestellten Sachverhaltes keine Bedenken.

    Aber auch die Höhe der über den Beschwerdeführer verhängten Strafe erscheint im Hinblick auf die von der belangten Behörde herangezogenen - und vom Beschwerdeführer auch nicht als unrichtig bekämpften - Bemessungskriterien angemessen.

    Aus diesen Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

    Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 455/2008, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

    Wien, am 26. Februar 2009

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