VwGH 2007/08/0077

VwGH2007/08/007730.6.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer, Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde der JG in Wien, vertreten durch Dr. Harald Essenther, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Walfischgasse 14, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 15. Dezember 2006, Zl. LGSW/Abt. 10-AlV/1218/56/2006- 9706, betreffend Höhe des Arbeitslosengeldes und der Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §21 Abs1;
AlVG 1977 §21 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die im Jahr 1948 geborene Beschwerdeführerin war vom 15. Jänner 1965 bis 1. Juli 1967 und vom 7. Mai bis 5. September 1968 arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt, wobei sie als Zahnarzthelferin tätig war. Während der Zeiträume vom 25. März bis 1. Juli 1967 sowie vom 26. Mai bis 5. September 1968 war das Dienstverhältnis durch Wochengeldbezug unterbrochen.

Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice D (in der Folge: AMS) vom 2. Juni 2006 wurde der Beschwerdeführerin auf Grund ihres Antrages vom 2. April 2004 gemäß § 21 AlVG Arbeitslosengeld ab 2. April 2004 in der Höhe von täglich EUR 9,89 zuerkannt. Dies wurde damit begründet, dass die Geltendmachung in der ersten Jahreshälfte erfolgt sei und daher für die Berechnung des Ausmaßes des Arbeitslosengeldes das Entgelt des Kalenderjahres 2002 heranzuziehen wäre; mangels Vorliegens einer Jahresbeitragsgrundlage für 2002 sei die Jahresbeitragsgrundlage des Kalenderjahres 1968 heranzuziehen gewesen.

Mit Bescheid gleichen Datums hat das AMS der Beschwerdeführerin gemäß § 33 leg. cit. Notstandshilfe ab 20. August 2004 in der Höhe von täglich EUR 8,61 zuerkannt.

Den gegen diese Bescheide erhobenen Berufungen hat die belangte Behörde mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 15. Dezember 2006 keine Folge gegeben.

Begründend führte die belangte Behörde - insbesondere im Hinblick auf den Berufungseinwand der Beschwerdeführerin, dass das einzige von ihr im Jahr 1968 erzielte Einkommen eine Lehrlingsentschädigung gewesen sei, welche bei der Berechnung außer Betracht zu bleiben habe - unter Hinweis auf § 21 Abs. 1 AlVG aus, dass es sich als Ergebnis der Prüfung und Rücksprache mit der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse bei dem Dienstverhältnis der Beschwerdeführerin aus dem Jahr 1968 beim Dienstgeber U. um ein arbeitslosenversicherungspflichtiges Dienstverhältnis gehandelt habe; die Beschwerdeführerin sei zwar als Anlernling beschäftigt gewesen, jedoch seien Anlernlinge keine Lehrlinge. Die deshalb heranzuziehende Jahresbeitragsgrundlage aus dem Jahr 1968 betrage S 2.036,64 x 4,122 (Aufwertungsfaktor für das Jahr 1968) = S 8.395,03 = EUR 610,09.

Darauf aufbauend legte sie im Weiteren ihre - unbestritten gebliebene - Berechnung zur Ermittlung des zuerkannten Arbeitslosengeldes bzw. des Ausmaßes der Notstandshilfe dar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 21 Arbeitslosenversicherungsgesetz (AlVG) lautet in der im Beschwerdefall zeitraumbezogen maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 71/2003:

"§ 21. (1) Für die Festsetzung des Grundbetrages des Arbeitslosengeldes ist bei Geltendmachung bis 30. Juni das Entgelt des vorletzten Kalenderjahres aus den beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger gespeicherten Jahresbeitragsgrundlagen aus arbeitslosenversicherungspflichtigem Entgelt, mangels solcher aus anderen für Zwecke der Sozialversicherung gespeicherten Jahresbeitragsgrundlagen heranzuziehen. Bei Geltendmachung nach dem 30. Juni ist das Entgelt des letzten Kalenderjahres heranzuziehen. Liegen die nach den vorstehenden Sätzen heranzuziehenden Jahresbeitragsgrundlagen nicht vor, so sind jeweils die letzten vorliegenden Jahresbeitragsgrundlagen eines vorhergehenden Jahres heranzuziehen. Durch Teilung des Entgelts der maßgeblichen Jahresbeitragsgrundlagen durch zwölf ergibt sich das monatliche Bruttoeinkommen. Zeiten, in denen der Arbeitslose infolge Erkrankung (Schwangerschaft) nicht das volle Entgelt oder wegen Beschäftigungslosigkeit kein Entgelt bezogen hat, sowie Zeiten des Bezuges einer Lehrlingsentschädigung, wenn es für den Arbeitslosen günstiger ist, bleiben bei der Heranziehung der Beitragsgrundlagen außer Betracht. In diesem Fall ist das Entgelt durch die Zahl der Versicherungstage zu teilen und mit 30 zu vervielfachen. Jahresbeitragsgrundlagen, die einen Zeitraum enthalten, in dem Karenz-(Urlaubs-)Geld oder Kinderbetreuungsgeld bezogen wurde oder die Normalarbeitszeit zum Zwecke der Sterbebegleitung eines nahen Verwandten oder der Begleitung eines schwerst erkrankten Kindes gemäß § 14a oder § 14b AVRAG oder einer gleichartigen Regelung herabgesetzt wurde, bleiben außer Betracht, wenn diese niedriger als die sonst heranzuziehenden Jahresbeitragsgrundlagen sind. Sind die heranzuziehenden Jahresbeitragsgrundlagen zum Zeitpunkt der Geltendmachung älter als vier Jahre, so sind diese mit den Aufwertungsfaktoren gemäß § 108 Abs. 4 ASVG der betreffenden Jahre aufzuwerten. Jahresbeitragsgrundlagen, die Zeiten einer gemäß § 1 Abs. 2 lit. e von der Arbeitslosenversicherungspflicht ausgenommenen krankenversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit enthalten, gelten als Jahresbeitragsgrundlagen aus arbeitslosenversicherungspflichtigem Entgelt.

(2) Liegen noch keine Jahresbeitragsgrundlagen vor, so ist für die Festsetzung des Grundbetrages des Arbeitslosengeldes das Entgelt der letzten sechs Kalendermonate vor der Geltendmachung des Arbeitslosengeldes heranzuziehen. Sonderzahlungen im Sinne der gesetzlichen Sozialversicherung (§ 49 ASVG) sind anteilsmäßig zu berücksichtigen. Durch Teilung des Entgelts der letzten sechs Kalendermonate durch sechs ergibt sich das monatliche Bruttoeinkommen. Abs. 1 fünfter und sechster Satz ist anzuwenden.

..."

In der vorliegenden Beschwerde wiederholt die Beschwerdeführerin ihren Berufungseinwand, wonach die belangte Behörde zu Unrecht als Jahresbeitragsgrundlage das Kalenderjahr 1968 herangezogen habe.

Soweit sie dazu unter Bezugnahme auf § 21 Abs. 1 erster Satz AlVG vorbringt, dass ihre "nachweislich" im Jahr 2003 erzielten Einkünfte als Basis für die Festsetzung des Grundbetrages heranzuziehen gewesen wären, übersieht sie, dass nach der hier maßgeblichen Rechtslage bei Fehlen von Beitragsgrundlagen in dem zunächst heranzuziehenden Kalenderjahr die letzte vorliegende Jahresbeitragsgrundlage eines vorhergehenden Jahres (hier: 2002) heranzuziehen ist.

Auch ihre weitere - für den Fall der Verneinung der Einkünfte aus 2003 als Berechungsgrundlage erhobene - Argumentation, wonach ihre sämtlichen Beschäftigungszeiten im Zeitraum 1965 bis 1967 als sogenannter Anlernling bei einem Dentisten nicht, sondern vielmehr das Jahr 1964 als Basis für die Berechnung heranzuziehen gewesen wäre, in welchem die Beschwerdeführerin bei der Schneiderfirma E. gearbeitet und die aus dem Beitragsgrundlagennachweis 1964 ersichtlichen, wesentlich höheren Einkünfte bezogen habe, verfängt nicht:

Die von der Beschwerdeführerin begehrte analoge Anwendung des § 21 Abs. 1 AlVG auf Zeiten des Bezuges eines Entgeltes als Anlernling bei einem Dentisten scheidet deshalb aus, weil diesbezüglich keine Gesetzeslücke vorliegt; es sind nämlich jene Fälle, in denen der Arbeitslose weniger Entgelt bezieht, im Gesetz aufgezählt (Schwangerschaft, Beschäftigungslosigkeit, Bezug einer Lehrlingsentschädigung), ohne dass angenommen werden könnte, dass auch andere Sachverhalte (wie z.B. Beschäftigungsverhältnisse in Teilzeit oder mit aus anderen Gründen geringer Entlohnung etwa im Rahmen eines sonstigen Ausbildungsverhältnisses) von dieser Regelung umfasst werden sollen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 2005, Zl. 2002/08/0093, betreffend den Bezug eines Entgelts im Rahmen eines Pflichtpraktikums).

Im Übrigen verkennt sie, dass sie durch die Berücksichtigung des Wochengeldbezuges nicht schlechter gestellt wurde, da die Höhe des Wochenhilfeanspruches betragsmäßig der Höhe des Entgelts entspricht.

Die belangte Behörde hat daher zu Recht als Basis für die gegenständlichen Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung die Jahresbeitragsgrundlage aus dem Jahr 1968 herangezogen. Die daraus resultierenden weiteren Berechnungen des zuerkannten Arbeitslosengeldes bzw. Notstandshilfe werden in der Beschwerde nicht bekämpft; gegen deren Rechtmäßigkeit bestehen keine Bedenken.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 30. Juni 2010

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