Normen
AVG §69 Abs1 Z1;
AVG §69 Abs3;
StbG 1985 §11a Abs1 Z1;
AVG §69 Abs1 Z1;
AVG §69 Abs3;
StbG 1985 §11a Abs1 Z1;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer wurde am 26. Mai 1977 in Ägypten geboren. Er hat seit 2001 seinen ununterbrochenen Hauptwohnsitz in Österreich und heiratete am 16. Mai 2003 die österreichische Staatsbürgerin U.S.D. Am 3. Mai 2004 beantragte er bei der belangten Behörde die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 30. Dezember 2005 wurde dem Beschwerdeführer "mit Wirkung vom 9. Jänner 2006" die österreichische Staatsbürgerschaft nach § 11a des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 verliehen.
Anlässlich der am 27. Jänner 2006 (bei der Bezirkshauptmannschaft Gmunden) durchgeführten Verleihung wurde der Beschwerdeführer niederschriftlich befragt, wobei er mit seiner Unterschrift unter anderem bestätigte, dass er mit der Ehegattin U.S.D. im gemeinsamen Haushalt lebe.
Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Bad Ischl vom 27. Juli 2006 wurde die Ehe des Beschwerdeführers mit U.S.D. gemäß § 55a Ehegesetz einvernehmlich geschieden (materiell rechtskräftig am 19. August 2006).
In dem zugehörigen Protokoll gestanden der Beschwerdeführer und Frau U.S.D., dass die Lebensgemeinschaft seit 1. September 2005 aufgehoben sei und sie bereits getrennt lebten. In dem gleichzeitig geschlossenen Vergleich wurde unter anderem festgehalten, dass der Beschwerdeführer die ehemalige Ehewohnung in Ebensee bereits vollständig geräumt habe und Frau U.S.D. die alleinige Mieterin bleibe.
Die belangte Behörde stellte nach Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an das Standesamt Gmunden eine Anfrage, wobei sich herausstellte, dass die Ehe des Beschwerdeführers mit Frau U.S.D. geschieden worden war. Nach Einsichtnahme in den Ehescheidungsakt des Bezirksgerichtes Bad Ischl wurde Frau U.S.D. von der belangten Behörde am 28. November 2006 niederschriftlich als Zeugin einvernommen.
Hinsichtlich der Frage des gemeinsamen Haushalts gab Frau U.S.D. Folgendes an:
"Ich kann mich an die Abgabe des Scheidungsantrags beim Bezirksgericht Gmunden noch gut erinnern. Ursprünglich stand auf der zweiten Seite, dass die eheliche Gemeinschaft seit 01. März 2006 aufgehoben sei, dann erhielt ich einen Anruf von einem Bediensteten des BG Gmunden, dass diese Zeitangabe für eine einvernehmliche Scheidung nicht ausreiche, wegen der Mindestfrist von sechs Monaten. Daraufhin bin ich noch einmal zum BG Gmunden gegangen und habe in der Folge vor der Richterin, deren Name mir nicht bekannt ist, den Zeitpunkt auf 01. September 2005 umgebessert. Die Unterschriften auf dem Original stammen von mir und meinem Exgatten. Im Dezember 2005 hat mein Exgatte sicher schon in Gmunden gewohnt. Im Zeitpunkt als ich den Antrag auf einvernehmliche Scheidung beim BG Gmunden abgegeben habe, das war der 15. Mai 2006, hat Herr G jedenfalls nicht mehr bei mir gewohnt. Im Jahr 2006 hat Herr G sicher nicht mehr bei mir gewohnt. Irgendwann hat er sich die restlichen persönlichen Sachen abgeholt. Ich kann über weiteres Befragen mit Sicherheit angeben, dass die eheliche Gemeinschaft im Dezember 2005 endgültig aufgelöst wurde. Ich lebe nicht im Streit mit meinem Exgatten und er weiß auch nicht, dass ich heute hier aussage und ich habe aufgrund seiner persönlichen Eigenschaft auch keine Angst vor ihm."
Der Beschwerdeführer wurde danach am 14. März 2007 (von der Bezirkshauptmannschaft Gmunden) niederschriftlich befragt. Er gab Folgendes an:
"Im Zeitpunkt der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft (27.01.2006) habe ich jedenfalls noch bei Frau D in Ebensee gewohnt, ausgezogen bin ich bei ihr im März oder April 2006. Nach der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft am 27.01.2006 hat mir Frau D irgendwann - das genaue Datum weiß ich nicht mehr - gesagt, mit mir nicht mehr leben zu wollen und die Scheidung einzureichen. Die Ehe war früher sehr gut, dann sagte sie mir, dass sie die Scheidung will. Ich wollte die Scheidung nicht. Nachdem sie aber die Scheidung wollte, war ich damit einverstanden. Ich habe sicher keine falschen Angaben gemacht. Ich kann heute genau wie damals sagen, dass die Ehe mit Frau S D im Zeitpunkt der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft aufrecht war, wir im gemeinsamen Haushalt gelebt haben und kein Verfahren auf Ehescheidung anhängig war. Die Scheidung wurde erst im Mai 2006 eingereicht, das Datum der Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft ist berichtigt."
Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 26. März 2007 wurde
- das Verwaltungsverfahren zur Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an den Beschwerdeführer von Amts wegen mit der Wirkung wieder aufgenommen, dass es sich in dem Stand vor Erlassung des Verleihungsbescheids vom 30.Dezember2005 befinde (SpruchteilA)
- das Ansuchen des Beschwerdeführers vom 3.Mai2004 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß §11a des Staatsbürgerschaftsgesetzes1985, BGBl.Nr.311 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl.I Nr.37/2006, abgewiesen (SpruchteilB).
Begründend führte die belangte Behörde aus, sie gehe auf Grund der unter Wahrheitspflicht abgelegten Aussage von Frau U.S.D. davon aus, dass die eheliche Gemeinschaft des Beschwerdeführers mit seiner damaligen Ehegattin im Zeitpunkt der Verleihung der Staatsbürgerschaft nicht mehr aufrecht gewesen sei. Durch die Aussage von Frau U.S.D. sei auch erwiesen, dass der Beschwerdeführer am 27. Jänner 2006 mit ihr nicht mehr im gemeinsamen Haushalt gelebt habe. Der Antrag auf Ehescheidung sei etwa vier Monate nach der Verleihung eingebracht worden. Ein Indiz für das Nichtvorliegen der ehelichen Gemeinschaft am Verleihungstag sei auch, dass im Scheidungsantrag mit dem Datum der unheilbaren Zerrüttung der Ehe "herumjongliert" worden sei. Frau U.S.D. habe als Zeugin ausgesagt, an diesem Datum sei "herumprobiert" worden, um den Antrag "formell richtig zu platzieren". Auch daraus sei zu folgern, dass im Verleihungszeitpunkt die Lebens-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft bereits aufgehoben gewesen sei. Aus der bewussten Platzierung eines passenden Datums der unheilbaren Ehezerrüttung ergebe sich, dass noch auf die Verleihung der Staatsbürgerschaft Rücksicht genommen worden sei. Die Angaben des Beschwerdeführers seien als Schutzbehauptungen zu werten. Die Meldesituation sei unbeachtlich; sie könne für sich betrachtet das Bestehen eines gemeinsamen Haushalts nicht beweisen. Der Beschwerdeführer habe die Tatsache, dass die eheliche Gemeinschaft bereits aufgehoben sei und ein gemeinsamer Haushalt nicht mehr bestehe, verschwiegen und dadurch den für ihn günstigen Bescheid über die Verleihung der Staatsbürgerschaft erwirkt, wobei ihm bewusst gewesen sei, dass seine Angaben falsch seien und die Behörde dadurch in die Irre geführt werde. Der Wiederaufnahmegrund des § 69 Abs. 1 Z. 1 AVG sei daher vorgelegen. Der Verleihungsantrag sei abzuweisen, weil die Verleihungsvoraussetzung nach § 11a StbG nicht vorliege; im Verleihungszeitpunkt bestehe kein gemeinsamer Haushalt mehr; ein anderer Verleihungstatbestand liege nicht vor.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des StbG in der Fassung der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, BGBl. I Nr. 37/2006 (im Folgenden StbG nF) lauten:
"§ 24. Die Wiederaufnahme eines Verleihungsverfahrens darf aus den im § 69 Abs. 1 Z. 2 und 3 AVG, BGBl. Nr. 51/1991, genannten Gründen nur bewilligt oder verfügt werden, wenn der Betroffene hiedurch nicht staatenlos wird.
...
§ 35. Die (...) Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 69 Abs. 1 Z. 1 AVG hat von Amts wegen oder auf Antrag des Bundesministers für Inneres zu erfolgen.
...
§ 11a. (1) Einem Fremden ist nach einem rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt von mindestens sechs Jahren im Bundesgebiet und unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 2 bis 8, Abs. 2 und 3 die Staatsbürgerschaft zu verleihen, wenn
1. sein Ehegatte Staatsbürger ist und bei fünfjähriger aufrechter Ehe im gemeinsamen Haushalt mit ihm lebt;"
Die im Beschwerdefall im Hinblick auf die Wiederaufnahme des Verleihungsverfahrens maßgeblichen Bestimmungen des StbG in der Fassung vor der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, also in der Fassung BGBl. I Nr. 124/1998 (im Folgenden: StbG aF) lauten:
"§ 11a. (1) Einem Fremden ist unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 2 bis 8 und Abs. 3 die Staatsbürgerschaft zu verleihen, wenn
1. sein Ehegatte Staatsbürger ist und im gemeinsamen Haushalt mit ihm lebt,
..."
Im Beschwerdefall ist die belangte Behörde davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer bei der Verleihung der Staatsbürgerschaft objektiv unrichtig angegeben habe, er lebe mit Frau U.S.D. im gemeinsamen Haushalt. Dies hat die belangte Behörde als Wiederaufnahmegrund nach § 69 Abs. 1 Z. 1 AVG (Erschleichung) gewertet, da diese Angabe des Beschwerdeführers im Hinblick auf die Verleihungsvoraussetzung nach § 11a Abs. 1 StbG aF von wesentlicher Bedeutung gewesen sei.
Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 25. Juni 2009, Zl. 2007/01/1051, mwN, ausgesprochen hat, setzt die für eine Erschleichung eines Bescheides nach § 69 Abs. 1 Z. 1 AVG notwendige Irreführungsabsicht voraus, dass die Partei wider besseres Wissen gehandelt hat und dies deshalb, um einen vielleicht sonst nicht erreichbaren Vorteil zu erlangen. Ob Irreführungsabsicht vorliegt kann nur aus den das rechtswidrige Verhalten der Partei begleitenden Umständen geschlossen werden, die von der Behörde in freier Beweiswürdigung festzustellen sind (vgl. zuletzt etwa das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 2009, Zl. 2007/01/0990, mwN).
Die Beschwerde bringt gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde vor, das Ermittlungsverfahren sei einseitig gestaltet worden, mit für den Beschwerdeführer "günstigeren Sachverhaltselementen" habe die belangte Behörde sich nicht ausreichend beschäftigt. Die Ehe mit Frau U.S.D. sei nicht zwecks Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft geschlossen worden. Die Feststellung, der Beschwerdeführer habe im Jänner 2006 nicht mehr bei Frau U.S.D. in Ebensee gewohnt, sei "nicht zu begründen". Die belangte Behörde habe "unzureichend ermittelt" und wäre angehalten gewesen, "weitere Ermittlungen" anzustellen.
Dem ist entgegenzuhalten:
Die als Zeugin vernommene Frau U.S.D. hat ausgesagt, der Beschwerdeführer habe im Jahr 2006 "sicher nicht mehr" bei ihr (in Ebensee) gewohnt; sie gab auch an, die eheliche Gemeinschaft sei "im Dezember 2005 endgültig" aufgelöst worden. Wenn die belangte Behörde der Aussage von Frau U.S.D. glaubte, ist das nicht als unschlüssig zu erkennen. Der Beschwerdeführer hat in seiner niederschriftlichen Befragung nicht angegeben, aus welchem Grund die Aussage von Frau U.S.D. unrichtig wäre. Auch in der Beschwerde wurden keine Gründe vorgebracht, die gegen die Glaubwürdigkeit dieser Aussage sprächen. Dass die Angaben von Frau U.S.D. "nicht geeignet" seien, den maßgeblichen Sachverhalt "zweifelsfrei wiederzugeben", trifft nicht zu. Konkrete - über bloße Gegenbehauptungen hinausgehende - Hinweise für das Vorliegen eines im Jahr 2006 in Ebensee bestehenden gemeinsamen Haushalts bzw. einer ehelichen Gemeinschaft mit Frau U.S.D. enthält die Aussage des Beschwerdeführers nicht. Auch die Beschwerde bringt in dieser Hinsicht nichts vor. Aus den von der Beschwerde ins Treffen geführten Umständen, wie es zur Eheschließung zwischen dem Beschwerdeführer und Frau U.S.D. kam, ist für das Vorliegen eines gemeinsamen Haushalts im Zeitpunkt der Verleihung der Staatsbürgerschaft nichts zu gewinnen. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde erweist sich nicht als unschlüssig.
Die belangte Behörde konnte - entgegen dem Beschwerdevorbringen - die bekämpften Feststellungen auf die Aussage der Zeugin U.S.D. stützen bzw. mit dieser Aussage begründen. Welche (weiteren) "Ermittlungen" die belangte Behörde noch hätte anstellen müssen, legt die Beschwerde nicht dar.
Mit dem Hinweis auf die (zweiwöchige) Frist des § 69 Abs. 2 AVG zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Bei einer amtswegigen Wiederaufnahme spielt diese Frist keine Rolle. Die amtswegige Einleitung eines Wiederaufnahmeverfahrens wegen eines im § 69 Abs. 1 Z. 1 AVG angeführten Grundes ist zufolge § 69 Abs. 3 letzter Satz AVG an keine Frist gebunden.
Somit begegnet die auf § 69 Abs. 1 Z. 1 AVG gestützte Wiederaufnahme des Verleihungsverfahrens keinen Bedenken.
Zur Abweisung des Antrages auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft wird in der Beschwerde nichts ausgeführt.
Die sich somit insgesamt als unbegründet erweisende Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 21. Jänner 2010
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