Normen
FrPolG 1954 §54 Abs1 Z2;
EMRK Art8;
NAG 2005 §30 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
FrPolG 1954 §54 Abs1 Z2;
EMRK Art8;
NAG 2005 §30 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 54 Abs. 1 Z. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG aus dem Bundesgebiet aus.
Zur Begründung dieser Maßnahme verwies sie darauf, dass der Beschwerdeführer im September 2002 illegal in das Bundesgebiet eingereist sei und am 25. September 2002 einen Asylantrag gestellt habe. Dieser sei mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 13. Oktober 2003 gemäß § 7 Asylgesetz 1997 abgewiesen und zugleich sei die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Türkei gemäß § 8 Asylgesetz 1997 für zulässig erklärt worden. Dagegen habe der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben, der deren Behandlung mit Beschluss vom 23. Februar 2004, B 1522/03-11, abgelehnt und die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten habe. Der Verwaltungsgerichtshof habe ebenfalls die Behandlung der Beschwerde abgelehnt (richtig: das Verfahren mit Beschluss vom 6. Mai 2004, Zl. 2004/20/0077, eingestellt, weil der Beschwerdeführer seine Beschwerde zurückgezogen hatte).
Am 4. März 2004 habe der Beschwerdeführer die am 24. Jänner 1986 geborene österreichische Staatsangehörige B. geheiratet. Die Ehe sei aus Liebe geschlossen und vollzogen worden, ein gemeinsames Familienleben sei "bis Ende Mai 2005" geführt worden. Danach hätte sich B. vom Beschwerdeführer getrennt und habe "nunmehr einen neuen Freund". Das nach dem Mai 2005 noch erfolgte "gelegentliche gemeinsame Übernachten" des Beschwerdeführers mit B., mit der er nach wie vor aufrecht verheiratet sei, könne "nicht mehr als eheliche Gemeinschaft definiert werden".
Über Antrag vom 1. Juli 2004 sei dem Beschwerdeführer, gestützt auf die Familiengemeinschaft mit seiner Ehefrau B., eine Niederlassungsbewilligung für den Gültigkeitszeitraum vom 2. September 2004 bis 2. September 2005 erteilt worden. Am 5. August 2005 habe er einen Verlängerungsantrag (wiederum) für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger - Österreich" eingebracht. In der Rubrik "Familienangehörige" habe er seine Ehegattin angeführt, in der Rubrik "Angaben zum Aufenthaltszweck" die "Familiengemeinschaft mit Ehegattin" angekreuzt. Der Beschwerdeführer habe somit am 5. August 2005 eine Familiengemeinschaft im Sinn von Art. 8 EMRK vorgespiegelt, die er damals schon seit mindestens zwei Monaten nicht mehr geführt habe. Dadurch habe er § 30 Abs. 1 NAG verletzt, wonach sich Ehegatten, die ein gemeinsames Familienleben nicht führten, für die Beibehaltung eines Aufenthaltstitels nicht auf die Ehe berufen dürften. Durch diesen Täuschungs- bzw. Erschleichungsversuch sei die öffentliche Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens gravierend beeinträchtigt. Es sei daher die Prognose gerechtfertigt, dass sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährde. Das Verhalten sei somit unter § 11 Abs. 1 Z. 4 NAG subsumierbar und stelle einen Versagungsgrund im Sinn des § 54 Abs. 1 Z. 2 FPG dar.
In Österreich lebe - von B. abgesehen - nur ein Angehöriger, nämlich der Vater des Beschwerdeführers. Seine Mutter sowie seine Geschwister hielten sich in der Türkei auf. Zwar habe der Beschwerdeführer mit seinem Vater während des Aufenthaltes in Österreich zeitweise im gemeinsamen Haushalt gelebt, dies sei jedoch offenbar auf wirtschaftliche Gründe zurückzuführen gewesen. Die Beziehung zum Vater, der sich zudem bereits seit 1990 in Österreich aufhalte, während der Beschwerdeführer damals in der Türkei verblieben sei, sei überdies durch dessen Volljährigkeit relativiert. Weiters sei zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer seit März 2004 durchgehend einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sei. Diesbezüglich sei zwar "ansatzweise Integration zu erkennen", eine nachhaltige Integration setze jedoch ein gewisses Maß an Rechtstreue voraus, dessen Nichtvorliegen durch die erwiesenen Täuschungs- und Erschleichungsversuche dokumentiert sei. Die Aufenthaltszeit werde daher "im Sinn von § 66 FPG nicht besonders gewichtet". Unter Berücksichtigung der genannten Umstände sei die Ausweisung demnach dringend geboten. Darüber hinaus gebe es keine wesentlich zu berücksichtigenden Elemente, weshalb die Behörde ihren Ermessensspielraum zu Gunsten des Beschwerdeführers ausüben müsste.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:
Gemäß § 54 Abs. 1 FPG können Fremde, die sich auf Grund eines Aufenthaltstitels oder während eines Verlängerungsverfahrens im Bundesgebiet aufhalten, mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre (Z. 1), oder wenn der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund entgegensteht (Z. 2).
§ 30 Abs. 1 NAG ordnet an, dass Ehegatten, die ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nicht führen, sich für die Erteilung und Beibehaltung von Aufenthaltstiteln nicht auf die Ehe berufen dürfen.
Von daher kann das Berufen auf eine Ehe zum Zweck der Erlangung eines Aufenthaltstitels, obwohl zu diesem Zeitpunkt ein Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nicht geführt wurde, einen Versagungsgrund darstellen, sodass grundsätzlich der Ausweisungstatbestand des § 54 Abs. 1 Z. 2 FPG erfüllt sein kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2007, Zl. 2006/21/0330).
Fallbezogen kann jedoch angesichts der zunächst unstrittig vorliegenden Familiengemeinschaft sowie der festgestellten bloß zweimonatigen Trennung bei gelegentlichen gemeinsamen Übernachtungen der Ehegatten in den Wochen danach noch nicht gesagt werden, das Familienleben, auf das sich der Beschwerdeführer berufen hatte, sei bereits endgültig faktisch weggefallen gewesen, ohne dass das Eheband formell aufgelöst worden wäre.
Feststellungen, aus denen ein früherer Wegfall des Familienlebens gefolgert werden könnte, sowie generell für die Zeit nach dem August 2005 hat die belangte Behörde nicht getroffen. Ebenso hat sie dem Beschwerdeführer zu diesen relevanten Fragen kein rechtliches Gehör eingeräumt.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 31. März 2008
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