VwGH 2006/21/0227

VwGH2006/21/022730.1.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl und Dr. Pelant als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde des B, vertreten durch Dr. Walter Schlick & Mag. Erik Steinhofer Rechtsanwälte KEG, 8010 Graz, Friedrichgasse 6/II, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 30. Juni 2006, Zl. 314.290/2- III/4/04, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

NAG 2005 §72;
NAG 2005 §72;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund der Beschwerde und der mit ihr vorgelegten Bescheidkopie steht Folgendes fest:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Serbien, stammt aus dem Kosovo und gehört der albanischen Volksgruppe an. Nachdem er Anfang Mai 2002 den Kosovo verlassen hatte und "illegal" nach Österreich eingereist war, beantragte er am 6. Mai 2002 die Gewährung von Asyl. Dieser Antrag wurde letztlich mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 22. Jänner 2004 rechtskräftig abgewiesen, zugleich sprach der unabhängige Bundesasylsenat aus, dass gemäß § 8 AsylG iVm § 57 FrG die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Kosovo zulässig sei. Mit Beschluss vom 8. März 2005, Zl. 2004/01/0115, lehnte der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde ab.

Noch während offenen Asylverfahrens stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen für "jeglichen Aufenthaltszweck". Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid vom 30. Juni 2006 wies die belangte Behörde diesen Antrag gemäß §§ 21 Abs. 1, 72 und 74 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG ab. Der Beschwerdeführer habe nie über einen Sichtvermerk, eine Aufenthaltsbewilligung oder eine Niederlassungsbewilligung verfügt, weshalb sein bereits nach den Bestimmungen des NAG zu beurteilender Antrag als Erstantrag zu werten sei und demzufolge gemäß § 21 Abs. 1 NAG vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einzubringen gewesen wäre. Demgegenüber habe der Beschwerdeführer seinen Niederlassungsantrag im Inland gestellt und sich auch während der Antragstellung in Österreich aufgehalten. Zwar könne im Fall des Vorliegens eines besonders berücksichtigungswürdigen Grundes iS des § 72 Abs. 1 NAG gemäß § 74 leg. cit. auch eine Inlandsantragstellung zugelassen werden, doch sei im vorliegenden Fall "kein besonders berücksichtigungswürdiger humanitärer Aspekt" gegeben. Es könne dem Beschwerdeführer vielmehr zugemutet werden, seinen Zuzug nach Österreich unter Einhaltung der "üblichen gesetzlichen Bestimmungen und unter Berücksichtigung der Quotensituation" zu bewerkstelligen. Der vorliegende Niederlassungsantrag sei daher im Hinblick auf den Inlandsaufenthalt des Beschwerdeführers abzuweisen.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

Der Beschwerdeführer stellt nicht in Abrede, dass es sich beim gegenständlichen Antrag um einen Erstantrag handelt und dass er die sich aus § 21 Abs. 1 NAG ergebende Verpflichtung, diesen Erstantrag bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einzubringen und die Entscheidung im Ausland abzuwarten, verletzt hat. Er vertritt jedoch die Ansicht, dass ihm ungeachtet dessen im Hinblick auf die §§ 72 und 74 NAG die beantragte Niederlassungsbewilligung zu erteilen gewesen wäre.

Gemäß § 74 NAG kann die Behörde von Amts wegen die Inlandsantragstellung auf Erteilung eines Aufenthaltstitels oder die Heilung von sonstigen Verfahrensmängeln zulassen, wenn die Voraussetzungen des § 72 erfüllt werden. Abs. 1 der letztgenannten Norm lautet wie folgt:

"Aufenthaltsbewilligung aus humanitären Gründen

§ 72. (1) Die Behörde kann im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses (§ 11 Abs. 1), ausgenommen bei Vorliegen eines Aufenthaltsverbotes (§ 11 Abs. 1 Z 1 und 2), in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen aus humanitären Gründen von Amts wegen eine Aufenthaltsbewilligung erteilen. Besonders berücksichtigungswürdige Gründe liegen insbesondere vor, wenn der Drittstaatsangehörige einer Gefahr gemäß § 50 FPG ausgesetzt ist. Drittstaatsangehörigen, die ihre Heimat als Opfer eines bewaffneten Konflikts verlassen haben, darf eine solche Aufenthaltsbewilligung nur für die voraussichtliche Dauer dieses Konfliktes, höchstens jedoch für drei Monate, erteilt werden."

§ 72 NAG stellt insbesondere - wie schon die Vorgängerbestimmung des § 10 Abs. 4 FrG - auf mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen verbundene Lebensumstände eines Fremden ab, die dazu Anlass geben, diesem aus humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen; weiters liegt ein "besonders berücksichtigungswürdiger Fall" auch dann vor, wenn - ausnahmsweise - ein aus Art. 8 EMRK abzuleitender Anspruch auf Familiennachzug besteht (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 25. April 2006, Zl. 2006/21/0060, und vom 22. Juni 2006, Zl. 2006/21/0108).

Der Beschwerdeführer macht als humanitären Grund einerseits geltend, dass er bei Rückkehr in seine Heimat mit einer Verletzung seiner psychischen und physischen Integrität rechnen müsste. Andererseits beruft er sich darauf, dass er in Österreich völlig integriert sei, weil er die deutsche Sprache einwandfrei beherrsche, einer geregelten Arbeit nachgehe und sich mit einer österreichischen Staatsbürgerin in Lebensgemeinschaft befinde; außerdem befänden sich sämtliche Freunde und Verwandte in Österreich.

Was zunächst den erstgenannten Gesichtspunkt anlangt, womit der Beschwerdeführer im Ergebnis die in § 72 Abs. 1 NAG angesprochene Gefahr gemäß § 50 FPG anspricht, so ist er auf den rechtskräftigen Ausspruch der Asylbehörde zu verweisen, wonach seine Abschiebung in den Kosovo zulässig sei. Zwar behauptet er, dass im Gebiet des Kosovo "wiederum Unruhen" aufgetreten seien, die abermals eine zunehmende Gefährdung der albanischen Bevölkerungsgruppe zur Folge gehabt hätte, doch stellt er mit diesem in keiner Weise näher konkretisierten Vorbringen nicht ausreichend dar, inwieweit nunmehr - gemessen am eingangs erwähnten Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 22. Jänner 2004 - eine Änderung der Beurteilungsgrundlage eingetreten sein soll.

Bezüglich der weiters geltend gemachten Integration im Inland ist dem Beschwerdeführer zu erwidern, dass jedenfalls kein "Familiennachzugsfall" vorliegt und dass die von ihm in diesem Zusammenhang ins Treffen geführten Umstände grundsätzlich nicht ausreichen, vom Vorliegen eines hier maßgeblichen humanitären Grundes auszugehen (vgl. dazu II. 4.1. der Entscheidungsgründe aus dem hg. Erkenntnis vom 15. März 2006, Zl. 2006/18/0020). Die vorgebrachten privaten und familiären Bezüge des Beschwerdeführers zu Österreich rechtfertigen es nicht, ausnahmsweise zu einer gegenteiligen Beurteilung zu gelangen (vgl. im Übrigen das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 2006, Zl. 2006/18/0153, wonach § 74 NAG dem Fremden kein durchsetzbares und vor dem Verwaltungsgerichtshof geltend zu machendes Recht auf Inlandsantragstellung einräumt).

Vor dem Hintergrund des Gesagten ist nicht zu erkennen, dass der belangten Behörde - wie in der Beschwerde ergänzend geltend gemacht - Ermittlungs- bzw. Begründungsmängel anzulasten wären. Insgesamt begegnet ihre Ansicht, eine Inlandsantragstellung nach § 74 NAG komme im vorliegenden Fall nicht in Betracht, daher keinen Bedenken.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 30. Jänner 2007

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