VwGH 2006/21/0168

VwGH2006/21/016820.12.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des S, vertreten durch Dr. Helge Doczekal, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Wickenburggasse 3, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 19. April 2006, Zl. Fr- 2663/04, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

EheG §23;
FrG 1997 §36 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
MRK Art7 impl;
VStG §1 Abs1 impl;
VwRallg;
EheG §23;
FrG 1997 §36 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
MRK Art7 impl;
VStG §1 Abs1 impl;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Pakistan, gemäß § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 9 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.

In ihrer Begründung verwies sei darauf, dass der Beschwerdeführer am 3. Juli 2002 mit der österreichischen Staatsangehörigen H. die Ehe nur zu dem Zweck geschlossen habe, um für Österreich einen Aufenthaltstitel zu erhalten. Dafür habe er seiner Ehegattin einen (näher bezeichneten) Vermögensvorteil geleistet. Die Ehe sei mit Urteil des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 4. Juni 2004 rechtskräftig als nichtig erklärt worden. Schon diese Rechtskraftwirkung stehe einer anderen Beurteilung durch die Verwaltungsbehörde entgegen.

Es sei daher davon auszugehen, dass die Eheschließung mit der genannten österreichischen Staatsangehörigen nur deshalb erfolgt sei, um in den Genuss eines Aufenthaltstitels und einer arbeitsmarktrechtlichen Bewilligung zu gelangen. Der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG sei demnach verwirklicht.

Im Rahmen des durch § 60 Abs. 1 FPG eingeräumten Ermessensspielraums und bei Prüfung, ob das Aufenthaltsverbot im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingreife, sei zu berücksichtigen, dass sich der Beschwerdeführer seit 19. September 1998 im Bundesgebiet aufhalte, seit 1. Dezember 2000 als Koch aufrecht beschäftigt und seit 1. April 2003 an derselben Adresse gemeldet sei. In Österreich lebten sein Onkel und seine pakistanische Lebensgefährtin, mit der er "nach islamischem Ritus verheiratet" sei. Er habe mit ihr aber seit 21. März 2005 keinen gemeinsamen Wohnsitz.

Infolge der relativ starken sozialen und beruflichen Bindungen in Österreich sei von einem Eingriff in das Privat- und Familienleben auszugehen. Jedoch könnten die Aufenthaltszeiten in Österreich - zunächst nach einem sich letztlich als unberechtigt erweisenden Asylantrag und danach auf Grund der angeführten Täuschungs- und Umgehungshandlungen gegenüber der österreichischen Rechtsordnung - "nicht besonders gewichtet" werden. Auch die Integration werde deshalb deutlich geschmälert. Unter Gesamtwürdigung des vorliegenden Sachverhaltes würden die Auswirkungen eines Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers gemäß § 66 FPG nicht schwer wiegender beurteilt als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes. Allfällige Privatinteressen an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet hätten eindeutig hinter die hohen öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen zurückzutreten. Diese Überlegungen hätten auch für die Ermessensübung nach § 60 Abs. 1 FPG zu gelten. Auf Grund dieser Umstände sei "die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes für die Dauer von fünf Jahren dringend geboten und daher vertretbar".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:

Nach der Übergangsbestimmung des § 125 Abs. 1 FPG sind Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung, die bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes anhängig sind, nach dessen Bestimmungen weiterzuführen. Dementsprechend hat die belangte Behörde im vorliegenden Fall zutreffend die Bestimmungen des FPG angewendet.

Von daher kommt den - in der Beschwerde bekämpften - Feststellungen über die Leistung eines Vermögensvorteils an die österreichische Staatsangehörige H. keine entscheidende Bedeutung zu: Anders als nach dem (bis zum 31. Dezember 2005 in Geltung gestandenen) § 36 Abs. 2 Z. 9 des Fremdengesetzes 1997 (FrG) wird von § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG, der in dem bei seinem Inkrafttreten am 1. Jänner 2006 im Berufungsstadium anhängigen vorliegenden Verfahren anzuwenden war, eine Geldleistung durch den Fremden nicht gefordert. Auch kommt bei den Aufenthaltsverbotstatbeständen ein Rückwirkungsverbot nicht zum Tragen (vgl. zuletzt etwa das hg. Erkenntnis vom 30. August 2007, Zl. 2006/21/0144, mwN).

Anzumerken ist weiters, dass die Fremdenpolizeibehörde - wie der angefochtene Bescheid zutreffend dargestellt hat - an die zivilgerichtlichen Feststellungen über das rechtsmissbräuchliche Eingehen einer Ehe gebunden ist. Durch die Nichtigerklärung der am 3. Juli 2002 geschlossenen Ehe (mit dem erwähnten Urteil des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 4. Juni 2004) ist somit auch rechtskräftig und bindend festgestellt, dass der Beschwerdeführer eine Aufenthaltsehe eingegangen ist. Dieser Umstand verwirklicht den Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG und gibt als schwere Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens Grund für die im § 60 Abs. 1 FPG umschriebene negative Prognose für einen weiteren Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet (vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 30. August 2007, Zl. 2007/21/0138, mwN).

Zur Interessenabwägung nach § 66 iVm § 60 Abs. 6 FPG bringt der Beschwerdeführer vor, in Lebensgemeinschaft mit seiner "Ehefrau nach islamischen Recht" A. zu leben. Am 22. November 2005 sei der gemeinsame Sohn M. geboren worden. Sein Onkel, der gleichzeitig sein "Schwiegervater" sei, sei "nunmehr" ebenso österreichischer Staatsbürger wie seine "Schwägerin" und die beiden "Schwager", die alle auch in Österreich aufhältig seien. Er selbst lebe nicht nur seit fast acht Jahren im Bundesgebiet, sondern sei während dieser Zeit stets berufstätig sowie kranken- und sozialversichert gewesen. Da er weiters die deutsche Sprache annähernd perfekt beherrsche, liege ein stärkerer Eingriff in das Privat- und Familienleben vor, als ihn die belangte Behörde angenommen habe. Auch die Ermessensentscheidung hätte zu seinen Gunsten ausfallen müssen. Jedenfalls wäre er zu den genannten Umständen von der belangten Behörde einzuvernehmen gewesen, sodass insoweit eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens vorliege.

Dem ist zu entgegnen, dass die belangte Behörde im Rahmen der gemäß § 60 Abs. 6 FPG bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes durchzuführenden Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 1 und 2 FPG die im Inland lebenden Angehörigen des Beschwerdeführers, seinen langjährigen inländischen Aufenthalt und seine Berufstätigkeit entsprechend berücksichtigt hat. Im Hinblick darauf, dass sein Aufenthalt in weiten Teilen auf seinem dargestellten rechtsmissbräuchlichen Verhalten beruhte, sind die aus der Aufenthaltsdauer und der Berufstätigkeit ableitbaren Interessen jedoch wesentlich zu relativieren (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 28. Juni 2007, Zl. 2006/21/0114, und vom 30. August 2007, Zl. 2006/21/0246). Auch sind Umstände, die einem Zusammenleben des Beschwerdeführers mit seiner Lebensgefährtin und dem gemeinsamen Kind außerhalb des Bundesgebietes entgegenstünden, weder aktenkundig, noch wurden solche in der Beschwerde ins Treffen geführt.

Die vom Beschwerdeführer begangene grobe Verletzung des als hoch zu bewertenden öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften kann - trotz des seit der Eheschließung mit H. verstrichenen Zeitraums - noch nicht als maßgeblich gemindert angesehen werden. Insgesamt kann die Ansicht der belangten Behörde, dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der öffentlichen Ordnung (geordnetes Fremdenwesen) im Sinn des Art. 8 Abs. 2 EMRK dringend geboten sei (§ 66 Abs. 1 FPG) und dass die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 FPG) nicht als rechtswidrig erkannt werden. Daher ist der belangten Behörde im Ergebnis in diesem Zusammenhang auch kein Verfahrensmangel von Relevanz vorzuwerfen. Auch die Übung des Ermessens ist nicht zu beanstanden.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG unterbleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 20. Dezember 2007

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