Normen
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 18. Mai 2006 wies die belangte Behörde - in Bestätigung des Bescheides der Erstbehörde vom 17. Jänner 2006 - den Beschwerdeführer, einen nigerianischen Staatsangehörigen, gemäß den §§ 31, 53 Abs. 1 und 66 Abs. 1 des (am 1. Jänner 2006 in Kraft getretenen) Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) aus dem Bundesgebiet aus.
Zur Begründung führte sie aus, der Beschwerdeführer sei am 21. November 2001 illegal in das Bundesgebiet eingereist. Der in der Folge gestellte Asylantrag sei "mittlerweile von der Asylbehörde am 06.09.2005 rechtskräftig negativ" erledigt und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria für zulässig erklärt worden. Der Verwaltungsgerichtshof habe die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 25. Oktober 2005 (Zl. 2005/20/0540) abgelehnt. Seit diesem Zeitpunkt halte sich der Beschwerdeführer, der während des Asylverfahrens im Besitz einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung gewesen sei, nicht mehr rechtmäßig im Bundesgebiet auf, weil er über keinen Aufenthaltstitel verfüge. Weiters sei aktenkundig, dass der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Wien am 24. Juli 2002 wegen § 27 Abs. 1 und 2 Z 2 SMG und § 15 StGB zu einer (teil)bedingten Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt worden sei. Am 5. April 2006 sei eine (näher bezeichnete) Polizeiinspektion vom Personalbüro eines bestimmten Unternehmens darüber informiert worden, dass der Beschwerdeführer aufgrund von ihm vorgelegter, auf einen anderen Namen lautender Dokumente unter falscher Identität seit April 2004 (als Arbeiter) angemeldet gewesen sei.
Bereits ein mehrmonatiger unrechtmäßiger Aufenthalt - so die belangte Behörde nach Zitierung der maßgeblichen Rechtsvorschriften weiter - gefährde die öffentliche Ordnung in hohem Maße, die Ausweisung sei demnach zu deren Wahrung dringend geboten. Der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften komme ein hoher Stellenwert zu. Das maßgebliche öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens sei zusätzlich in der Form verletzt worden, dass sich der Beschwerdeführer bei der Einreise der Hilfe eines Schleppers bedient habe.
Demgegenüber sei das persönliche Interesse des Beschwerdeführers an einem weiteren Verbleib in Österreich angesichts des noch keineswegs langen Aufenthaltes in der Dauer von vier Jahren und sieben Monaten, wovon ein Zeitraum von sechs Monaten als unrechtmäßiger Aufenthalt zu Buche schlage, nicht so stark ausgeprägt, dass es schwerer zu gewichten wäre als das besagte maßgebliche öffentliche Interesse. Zur Aufenthaltsdauer sei auch noch relativierend festzustellen, dass der Beschwerdeführer über das vorläufige Aufenthaltsrecht nur aufgrund eines letztlich unberechtigten Asylantrages verfügt habe. Er habe in Österreich keine Familienangehörigen und Verwandten. Die (in der Berufung vorgetragene) bloße Absicht, eine österreichische Staatsangehörige zu heiraten, könne das private Interesse des Beschwerdeführers nicht maßgeblich verstärken. Auch das Vorbringen, durch die Beschäftigung als Zeitungsausträger die Kosten des täglichen Lebens bestreiten zu können und auch noch von der Caritas und vom Sozialamt finanziell unterstützt zu werden, sei nicht geeignet, eine ausgeprägte Integration darzutun.
Daraus folgerte die belangte Behörde, die Ausweisung sei vor dem Hintergrund der Beeinträchtigung des sehr hoch zu bewertenden öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen - trotz des sich aus dem bisherigen Aufenthalt des Beschwerdeführers ergebenden Interesses an einem weiteren Inlandsaufenthalt - im Sinne des § 66 Abs. 1 FPG dringend geboten. Angesichts des eminenten öffentlichen Interesses an einer wirksamen Bekämpfung des unrechtmäßigen Aufenthaltes bzw. der illegalen Zuwanderung Fremder habe die belangte Behörde auch das ihr eingeräumte Ermessen nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers ausüben können.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:
Unter der Überschrift "Ausweisung Fremder ohne Aufenthaltstitel" ordnet § 53 Abs. 1 FPG an, dass Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden können, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Die Beschwerde gesteht zu, dass das Asylverfahren des Beschwerdeführers rechtskräftig beendet ist. Sie behauptet auch nicht, dass eine der Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 31 Abs. 1 FPG - insbesondere die Erteilung eines Aufenthaltstitels - beim Beschwerdeführer vorlägen. Dafür bestehen nach der Aktenlage auch keine Anhaltspunkte, sodass keine Bedenken gegen die behördliche Annahme bestehen, der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG sei im vorliegenden Fall verwirklicht.
Würde durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Ausweisung gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Unter diesem Gesichtspunkt bringt die Beschwerde vor, die belangte Behörde habe die Einvernahme des Beschwerdeführers - trotz eines diesbezüglichen ausdrücklichen Beweisantrages in der Berufung - aus unerklärlichen Gründen unterlassen. Bei einer ergänzenden Befragung hätte der Beschwerdeführer darlegen können, dass die Ausweisung einen vehementen Eingriff in sein Privat- und Familienleben darstelle und nicht hätte erlassen werden dürfen. Er hätte darlegen können, dass er ständig in medizinischer Behandlung stehe, die in Nigeria nicht möglich sei, sodass "sein Leben in seinem Heimatland auf das Gröbste gefährdet wäre". In diesem Zusammenhang verwies der Beschwerdeführer auf die Schriftsätze vom 25. April 2006 und vom 27. April 2006, mit denen ärztliche Befunde vorgelegt worden seien. Diesen lasse sich entnehmen, dass der Beschwerdeführer an einer psychischen Erkrankung leide, insbesondere dass der Verdacht auf eine schizoaffektive Störung vorliege. Diese medizinischen Unterlagen seien von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid überhaupt nicht berücksichtigt worden.
Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg:
Der Verwaltungsgerichtshof hat schon wiederholt ausgesprochen, dass bei der Abwägung der persönlichen Interessen eines Fremden an einem Verbleib im Bundesgebiet mit dem öffentlichen Interesse an der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme auch dem Umstand Bedeutung zukommt, dass eine medizinische Behandlung in Österreich vorgenommen wird. Wenn für den Fremden keine Aussicht besteht, sich in seinem Heimatstaat oder in einem anderen Land - sollte ein solches als Zielort überhaupt in Betracht kommen - außerhalb Österreichs der für ihn notwendigen Behandlung unterziehen zu können, kann das - abhängig von den dann zu erwartenden Folgen - eine maßgebliche Verstärkung der persönlichen Interessen an einem (unter Umständen auch nur vorübergehenden) Verbleib in Österreich darstellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. März 2006, Zl. 2004/21/0191, mit weiteren Nachweisen).
Vor diesem rechtlichen Hintergrund hätte sich die belangte Behörde mit dem Inhalt der medizinischen Unterlagen befassen und dazu Stellung nehmen müssen, wobei (allenfalls nach ergänzenden Ermittlungen) Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers, zu notwendigen Behandlungen und zu den erwartbaren Auswirkungen für den Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Nigeria (erforderlichenfalls auch unter Einbeziehung der dort für ihn möglichen medizinischen Versorgung) angezeigt gewesen wären. Demgegenüber ist die belangte Behörde auf die ihr übermittelten ärztlichen Äußerungen im angefochtenen Bescheid mit keinem Wort eingegangen. Vielmehr hat sie die beantragte ergänzende Vernehmung des Beschwerdeführers mit dem Argument abgelehnt, weder die niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor der Erstbehörde noch jene in der Berufung hätten - außer zur Beschäftigung und Heiratsabsicht - sonst Tatsachenbehauptungen zur Begründung eines maßgeblichen privaten oder familiären Interesses enthalten. Damit wird deutlich, dass die belangte Behörde die mit den (vor Erlassung des angefochtenen Bescheides eingelangten) Schriftsätzen vom 25. und 27. April 2006 ergänzend vorgelegten Beweismittel ohne jede Begründung nicht beachtet und deren Inhalt bei der Entscheidungsfindung völlig ausgeblendet hat.
Da nicht von vornherein ausgeschlossen ist, dass die Einbeziehung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers zu einem für ihn günstigen Ergebnis geführt hätte, war der angefochtene Bescheid angesichts des aufgezeigten Begründungsmangels wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 27. März 2007
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