VwGH 2006/20/0746

VwGH2006/20/074615.10.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak sowie die Hofrätin Dr. Pollak und den Hofrat Mag. Dr. Wurdinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hahnl, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. Elmar Reinitzer, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Theobaldgasse 16/2, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 21. September 2006, Zl. 262.766/4-XIV/08/06, betreffend §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres),

Normen

AsylG 1997 §8 Abs2;
EMRK Art8;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AsylG 1997 §8 Abs2;
EMRK Art8;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

I. zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als damit die Ausweisung des Beschwerdeführers gemäß § 8 Abs. 2 Asylgesetz 1997 verfügt wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Nigeria, reiste am 28. November 2003 in das Bundesgebiet ein und beantragte am selben Tag Asyl. Als Fluchtgrund gab er in der Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 24. Jänner 2005 an, er werde von den "Bakassi" verfolgt, weil er diesen nicht beigetreten sei. Die "Bakassi" hätten seinen Bruder getötet und seine Wohnung in Brand gesetzt.

Mit Bescheid vom 11. Juni 2005 wies das Bundesasylamt den Asylantrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab (Spruchpunkt I.), erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria gemäß § 8 Abs. 1 AsylG für zulässig (Spruchpunkt II.) und wies ihn gemäß § 8 Abs. 2 AsylG "aus dem österreichischen Bundesgebiet" aus (Spruchpunkt III.). Begründend führte es im Wesentlichen aus, das Fluchtvorbringen sei nicht glaubwürdig. Vom Vorliegen einer Gefahr im Sinne des § 57 FrG könne nicht ausgegangen werden. Der Beschwerdeführer habe keine familiären Beziehungen in Österreich, seine Ausweisung stelle daher keinen Eingriff in Art. 8 EMRK dar. Zudem sei die Ausweisung gerechtfertigt und dringend geboten, "zumal der Aufenthalt im Bundesgebiet als rechtswidrig und die Übertretung als von nicht unerheblicher Bedeutung zu werten" sei.

Die dagegen erhobene Berufung wies die belangte Behörde - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung - ab. Die belangte Behörde schloss sich in der Begründung ihrer Entscheidung der Beurteilung des Bundesasylamtes an. Spruchpunkt III. wurde insoweit abgeändert, als der Beschwerdeführer nunmehr zielstaatsbezogen - "nach Nigeria" - ausgewiesen wurde.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Zu I.:

Hinsichtlich der Entscheidung zur Ausweisung rügt die Beschwerde unterlassene Erhebungen zum Familienstand des Beschwerdeführers. Dazu wird unter Vorlage der Heiratsurkunde und des Auszuges aus dem Mutter-Kind-Pass seiner Ehefrau erstmals behauptet, der Beschwerdeführer sei seit 7. Oktober 2005 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet, in Österreich sozial integriert und für den 31. Dezember 2006 werde die Geburt des gemeinsamen Kindes erwartet; dadurch würde die "Abschiebung" gegen sein Recht auf Familienleben verstoßen.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde einen relevanten Verfahrensmangel auf.

Im Hinblick auf den seit der Vernehmung des Beschwerdeführers vor dem Bundesasylamt am 24. Jänner 2005 bis zur Erlassung der angefochtenen Entscheidung vergangenen Zeitraum von knapp zwei Jahren konnte die Asylbehörde nicht ohne Weiteres davon ausgehen, dass sich die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers mittlerweile nicht verändert haben. Es wäre daher geboten gewesen, dem Beschwerdeführer Gelegenheit zur allfälligen Geltendmachung von unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK relevanten Umständen zu geben. Da die belangte Behörde dies unterließ, unterliegt das (neue) Vorbringen in der Beschwerde nicht dem Neuerungsverbot im verwaltungsgerichtlichen Verfahren (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 19. Dezember 2007, Zl. 2006/20/0425, vom 5. Oktober 2007, Zl. 2007/20/1043, und vom 26. März 2007, Zl. 2006/01/0595).

Überdies lagen der belangten Behörde Anhaltspunkte für eine Eheschließung bereits vor Erlassung des angefochtenen Bescheides vor, weil in der von ihr durchgeführten Anfrage beim Zentralen Melderegister am 18. September 2006 die nunmehr vorgelegte Heiratsurkunde angeführt ist.

Es ist nicht auszuschließen, dass die belangte Behörde bei Berücksichtigung der neu vorgebrachten Umstände zu einer anderen - für den Beschwerdeführer günstigeren - Entscheidung gelangen hätte können. Deshalb war der angefochtene Bescheid insoweit, als damit gemäß § 8 Abs. 2 AsylG die Ausweisung des Beschwerdeführers verfügt wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Zu II.:

Gemäß Art. 131 Abs. 3 B-VG und § 33a VwGG in Verbindung mit Art. 129c Abs. 1 B-VG kann der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates durch Beschluss ablehnen, wenn die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wird, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Beschwerde wirft - soweit sie sich auf die mit dem angefochtenen Bescheid bestätigten Spruchpunkte I. und II. des erstinstanzlichen Bescheides bezieht - keine für die Entscheidung dieses Falles maßgeblichen Rechtsfragen auf, denen im Sinne der zitierten Bestimmungen grundsätzliche Bedeutung zukäme. Gesichtspunkte, die dessen ungeachtet gegen eine Ablehnung der Beschwerdebehandlung sprechen würden, liegen nicht vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat daher beschlossen, die Behandlung der Beschwerde, soweit sie sich gegen die Bestätigung der Spruchpunkte I. und II. des erstinstanzlichen Bescheides richtet, abzulehnen.

Wien, am 15. Oktober 2009

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