VwGH 2006/19/1276

VwGH2006/19/127611.6.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl sowie die Hofräte Mag. Nedwed und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde der N, vertreten durch Dr. Klaus Kocher und Mag. Wilfried Bucher, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Sackstraße 36/II, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 20. September 2006, Zl. 256.992/0- VIII/22/05, betreffend §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres),

Normen

AsylG 1997 §44 Abs3 idF 2003/I/101;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8 Abs1 idF 2003/I/101;
AsylG 1997 §8 Abs2 idF 2003/I/101;
AsylG 1997 §8;
FrPolG 2005;
EMRK Art8;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AsylG 1997 §44 Abs3 idF 2003/I/101;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8 Abs1 idF 2003/I/101;
AsylG 1997 §8 Abs2 idF 2003/I/101;
AsylG 1997 §8;
FrPolG 2005;
EMRK Art8;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

I. zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als die Beschwerdeführerin damit gemäß § 8 Abs. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Armenien ausgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine armenische Staatsangehörige, beantragte am 9. September 2004 Asyl. Sie ist Ehegattin des K (hg. Zl. 2006/19/1186) sowie Mutter des L, geboren am 26. Dezember 1986 (hg. Zl. 2006/19/0588) und des T, geboren am 2. August 1989 (hg. Zl. 2006/19/1334). Ihr Ehegatte sei "Parteimitglied" (gemeint: der armenischen Volkspartei), habe deswegen in Armenien Probleme gehabt und sei 2000 geflohen. Nach dessen Ausreise sei die Beschwerdeführerin telefonisch belästigt und bedroht worden. Man habe von ihr den Aufenthaltsort ihres Ehegatten in Erfahrung bringen wollen.

Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 12. Jänner 2005 den Asylantrag der Beschwerdeführerin gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab (Spruchpunkt I.), erklärte ihre Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Armenien gemäß § 8 Abs. 1 AsylG für zulässig (Spruchpunkt II.) und wies die Beschwerdeführerin gemäß § 8 Abs. 2 AsylG "aus dem österreichischen Bundesgebiet" aus (Spruchpunkt III.). Begründend führte das Bundesasylamt im Wesentlichen aus, das Vorbringen der Beschwerdeführerin bezüglich einer aktuellen Bedrohungssituation in Armenien sei unglaubwürdig. Die Angaben ihres Ehegatten, auf den sich ihr Fluchtvorbringen beziehe, hätten sich in dessen Verfahren als nicht glaubhaft erwiesen. Auch den Angehörigen sei weder Asyl noch subsidiärer Schutz gewährt worden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin gemäß "§§ 7, 8 Abs. 1 und 2 AsylG" ab. Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides wurde dahingehend abgeändert, dass die Beschwerdeführerin "gemäß § 8 Abs. 2 AsylG ... aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Armenien ausgewiesen" wurde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Zu I.:

Die belangte Behörde sieht in ihrer zielstaatsbezogen formulierten Ausweisung der Beschwerdeführerin keine Verletzung in deren Recht auf Familienleben, da keine Beziehung zu einer dauerhaft aufenthaltsberechtigten Person bestünde. Da auch die Berufungen des Ehemannes und des minderjährigen Sohnes abgewiesen würden, fehle der "Anknüpfungspunkt des Privat- und Familienlebens", weshalb eine diesbezügliche Überprüfung unterbleiben könne. Diese Rechtsansicht erweist sich als unrichtig. So ist das Asylverfahren des Ehegatten der Beschwerdeführerin (vgl. den hg. Ablehnungsbeschluss vom heutigen Tag, Zl. 2006/19/1186) mittlerweile zwar negativ beendet. Die ihn betreffenden Bescheide der Asylbehörden enthalten jedoch - aufgrund der in seinem Fall anzuwendenden Vorschriften des AsylG idF vor der AsylG-Novelle 2003, BGBl. I Nr. 101 korrekterweise - keine Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet. Diese müsste vielmehr durch die Fremdenbehörden erfolgen. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits erkannt, dass die Ausweisung eines Ehegatten (hier der Beschwerdeführerin) durch die Asylbehörden in einem solchen Fall nur dann in Betracht kommt, wenn die belangte Behörde darlegen kann, warum öffentliche Interessen es erfordern, die Beschwerdeführerin vor einer allfälligen Entscheidung der Fremdenbehörden über die Ausweisung ihres Ehemannes außer Landes zu bringen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 16. Jänner 2008, Zl. 2007/19/0851).

Der erstinstanzliche Bescheid über den Asylantrag des Sohnes der Beschwerdeführerin T enthielt (in Anwendung des § 44 Abs. 3 AsylG idF der AsylG-Novelle 2003) zwar bereits eine Ausweisung; über seine dagegen erhobene Berufung wurde von der belangten Behörde aber noch nicht entschieden (vgl. den hg. Ablehnungsbeschluss vom heutigen Tag, Zl. 2006/19/1334). Es erscheint daher möglich, dass die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer asylrechtlichen Ausweisung das Bundesgebiet auch ohne ihren (zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch) minderjährigen Sohn zu verlassen hat. Dieser Eingriff in das Recht auf Familienleben bedürfte - wie oben schon dargelegt - einer Rechtfertigung.

Für die Notwendigkeit und Zulässigkeit dieser Eingriffe in die durch Art. 8 EMRK geschützten Rechte der Beschwerdeführerin finden sich im angefochtenen Bescheid keine Begründung, weil die belangte Behörde dem Rechtsirrtum unterlag, schon die Verneinung von Asyl- und Refoulementschutz hinsichtlich des Ehemannes und des minderjährigen Sohnes könne zu keinem Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin führen.

Der angefochtene Bescheid war daher in seiner Ausweisungsentscheidung gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Zu II.:

Gemäß Art. 131 Abs. 3 B-VG und § 33a VwGG in Verbindung mit Art. 129c Abs. 1 B-VG kann der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates durch Beschluss ablehnen, wenn die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wird, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Beschwerde wirft - soweit sie sich auf die Bestätigung der Spruchpunkte I. und II. des erstinstanzlichen Bescheides bezieht - keine für die Entscheidung dieses Falles maßgeblichen Rechtsfragen auf, denen im Sinne der zitierten Bestimmungen grundsätzliche Bedeutung zukäme. Gesichtspunkte, die dessen ungeachtet gegen eine Ablehnung der Beschwerdebehandlung sprechen würden, liegen nicht vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat daher beschlossen, die Behandlung der Beschwerde, soweit sie sich gegen die Bestätigung der Spruchpunkte I. und II. des erstinstanzlichen Bescheides richtet, abzulehnen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 11. Juni 2008

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