VwGH 2006/18/0463

VwGH2006/18/046316.1.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des I U, (geboren 1984), vertreten durch Mag. Nikolaus Rast, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schmerlingplatz 3, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 18. Oktober 2006, Zl. SD 1279/06, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13a;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §61;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
SMG 1997;
AVG §13a;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §61;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
SMG 1997;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 18. Oktober 2006 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen (angeblich) nigerianischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 und § 63 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen und der im Erstbescheid gemäß § 64 Abs. 2 AVG ausgesprochene Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung bestätigt.

Die Gründe des Erstbescheides seien im Ergebnis auch für den angefochtenen Bescheid maßgebend. Zum Berufungsvorbringen werde ergänzend Folgendes festgehalten:

Der Beschwerdeführer, dessen Identität auf Grund fehlender Dokumente nicht nachgewiesen sei, sei nach der Aktenlage am 9. Juli 2002 illegal in das Bundesgebiet gelangt und habe am selben Tag einen Asylantrag gestellt. Dieser sei im Instanzenzug mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenats gemäß § 7 des Asylgesetzes 1997 abgewiesen worden. Diese Entscheidung sei am 22. April 2006 in Rechtskraft erwachsen. Mit gleichem Bescheid der Asylbehörde sei der Beschwerdeführer rechtskräftig ausgewiesen worden.

Etwa neun Monate nach seiner illegalen Einreise sei der Beschwerdeführer erstmals wegen des Verdachts der Übertretung des Suchtmittelgesetzes (SMG) festgenommen und in weiterer Folge am 27. Juni 2003 vom Jugendgerichtshof Wien wegen der Vergehen nach § 27 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 2 (erster Fall) SMG zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Er sei für schuldig erkannt worden, in Wien den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift anderen gewerbsmäßig überlassen zu haben, indem er im Zeitraum von ca. zwei Monaten bis 23. April 2003 zumindest 20 g Heroin und Kokain mit nicht mehr feststellbarem Wirkstoffgehalt an Suchtgiftkonsumenten verkauft habe. Am 24. April 2003 habe er zudem 14,8 g Heroin und 7,1 g Kokain zur Weitergabe und in einem nicht mehr feststellbaren Zeitraum bis 23. April 2003 gelegentlich Cannabiskraut und Kokain für seinen Eigenkonsum besessen.

Diese Verurteilung habe den Beschwerdeführer aber nicht davon abhalten können, erneut einschlägig straffällig zu werden. Am 27. Februar 2006 sei er vom Landesgericht für Strafsachen Wien wiederum wegen der Vergehen nach § 27 Abs. 1, Abs. 2 Z. 2 (erster Fall) SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Der Beschwerdeführer habe am 16. Jänner 2006 eine Kugel Kokain sowie Heroin und Kokain im Wert von EUR 40,-- einem Komplizen zum Weiterverkauf überlassen. Von Mitte Oktober 2005 bis Mitte Jänner 2006 habe er demselben Komplizen Heroin und Kokain in jeweils geringer Menge überlassen, die dieser drei Mal wöchentlich (es habe sich dabei um Kugeln im Gewicht von einem halben bis zu einem Gramm Kokain und Heroin brutto gehandelt) verkauft habe. Gleichzeitig sei die bedingte Strafnachsicht der ersten Verurteilung widerrufen worden.

Es könne kein Zweifel bestehen, dass im gegenständlichen Verfahren die Voraussetzungen zur Erlassung eines Aufenthaltsverbots vorlägen. Zum einen sei auf Grund der beiden Verurteilungen des Beschwerdeführers der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt, zum anderen gefährde das dargestellte Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers die öffentliche Ordnung und Sicherheit in höchstem Maß, sodass sich (auch) die im § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme als gerechtfertigt erweise. In einem solchen Fall könne ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn dem nicht die Bestimmung des § 66 FPG entgegenstehe.

Im Zug des erstbehördlichen Verfahrens sei dem Beschwerdeführer die Gelegenheit eingeräumt worden, seine persönlichen Verhältnisse darzustellen. Davon habe er allerdings keinen Gebrauch gemacht. Auch in der vorliegenden Berufung würden keine familiären bzw. beruflichen Bindungen zum Bundesgebiet geltend gemacht. Seinen Angaben im Asylverfahren zufolge sei der Beschwerdeführer ledig und habe keine Sorgepflichten. Familiäre Bindungen im Bundesgebiet seien auch nach der Aktenlage nicht zu erkennen. Zwar sei im Hinblick auf seinen bisherigen Aufenthalt im Bundesgebiet von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers auszugehen, dieser sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen, insbesondere der Suchtgiftkriminalität - dringend geboten sei. Wer, wie der Beschwerdeführer, in Österreich angeblich Schutz vor Verfolgung suche und dann hier wiederholt dem gewerbsmäßigen Suchtgifthandel nachgehe, lasse seine außerordentliche Geringschätzung maßgeblicher, in Österreich gültiger Rechtsvorschriften erkennen. Dazu komme, dass insbesondere der Suchtgiftkriminalität nicht nur eine hohe Sozialschädlichkeit, sondern auch eine überaus hohe Wiederholungsgefahr anhafte, die sich im Fall des Beschwerdeführers geradezu als bestätigt erweise. Solcherart sei eine zu Gunsten des Beschwerdeführers ausfallende Verhaltensprognose nicht möglich. Es könne daher kein Zweifel bestehen, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbots dringend geboten und sohin zulässig im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG sei.

Bei der gemäß § 66 Abs. 2 leg. cit. durchzuführenden Interessenabwägung sei zunächst zu bedenken gewesen, dass der Beschwerdeführer auf keine maßgebliche, aus der Dauer seines Aufenthalts ableitbare Integration in Österreich verweisen könne, weil sich sein bisheriger Aufenthalt auf einen Asylantrag gestützt habe, der sich als unberechtigt erwiesen habe. Auch angesichts des Mangels jeglicher familiärer Bindungen zu Österreich sei das ihm insgesamt zuzusprechende Interesse an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet gering. Demgegenüber stehe jedoch das große öffentliche Interesse an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität. Bei Abwägung dieser Interessenlagen sei die belangte Behörde zur Auffassung gelangt, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbots auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers keineswegs schwerer wögen als das in seinem Fehlverhalten gegründete große öffentliche Interesse daran, dass er das Bundesgebiet verlasse und diesem fernbleibe. Die Erlassung des Aufenthaltsverbots erweise sich daher auch im Sinn des § 66 Abs. 2 FPG als zulässig.

Ein Sachverhalt gemäß § 61 FPG sei nicht gegeben gewesen. Mangels sonstiger, besonders zugunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände habe die belangte Behörde keine Veranlassung gesehen, von der Erlassung des Aufenthaltsverbots im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.

Was die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbots betreffe, so erweise sich der unbefristete Ausspruch durch die Erstbehörde auch nach Auffassung der belangten Behörde als gerechtfertigt. Angesichts des dargestellten, wiederholten und schwerwiegenden strafbaren Verhaltens und der daraus ableitbaren erheblichen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch den Beschwerdeführer in Österreich könne auch unter Bedachtnahme auf seine aktenkundige Lebenssituation nicht vorhergesehen werden, wann die für die Erlassung des Aufenthaltsverbots maßgeblichen Gründe weggefallen sein würden.

Da der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung unbekämpft geblieben sei, sei darauf nicht weiter einzugehen gewesen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Auf dem Boden der insoweit unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde betreffend die (rechtskräftigen) Verurteilungen des Beschwerdeführers durch den Jugendgerichtshof Wien und durch das Landesgericht für Strafsachen Wien begegnet die - nicht bekämpfte - Beurteilung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 (erster und vierter Fall) FPG verwirklicht sei, keinen Bedenken.

1.2. In Anbetracht des unstrittig festgestellten, den besagten Verurteilungen zugrunde liegenden Fehlverhaltens des Beschwerdeführers besteht auch gegen die weitere Auffassung der belangten Behörde, dass die Annahme gemäß § 60 Abs. 1 FPG gerechtfertigt sei, kein Einwand. Der Beschwerdeführer hat durch dieses Fehlverhalten gravierend gegen das große öffentliche Interesse an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität, bei der es sich um eine besonders gefährliche Art der Kriminalität handelt, verstoßen. Die Suchtgiftdelikten erfahrungsgemäß innewohnende Wiederholungsgefahr hat sich beim Beschwerdeführer dadurch manifestiert, dass er sich durch seine Verurteilung im Jahr 2003 nicht davon hat abhalten lassen, neuerlich straffällig zu werden, indem er wiederum über einen längeren Zeitraum hinweg dem SMG zuwidergehandelt hat.

2.1. Gegen die von der belangten Behörde im Grund des § 66 FPG getroffene Beurteilung wendet die Beschwerde ein, die belangte Behörde habe es verabsäumt, eine Interessenabwägung nach dieser Bestimmung vorzunehmen. Ferner habe die belangte Behörde lediglich lapidar ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer Gelegenheit zur Darstellung seiner persönlichen Verhältnisse gegeben worden sei; behördliche Ermittlungen über die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers, insbesondere über seine familiären und beruflichen Bindungen zum Inland, seien aber nicht vorgenommen worden. Die belangte Behörde habe es auch unterlassen, den Beschwerdeführer darauf hinzuweisen, entsprechende Angaben über seine persönlichen Verhältnisse zu machen, und damit ihre Manuduktionspflicht verletzt.

2.2. Der Einwand betreffend die Verletzung der Manuduktionspflicht verkennt, dass die belangte Behörde nach § 13a AVG nicht gehalten war, dem Beschwerdeführer Unterweisungen zu erteilen, wie ein Vorbringen zu gestalten sei, damit seinem Standpunkt allenfalls Rechnung getragen werde (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Jänner 2006, Zl. 2006/18/0001, mwH). Das übrige Vorbringen des Beschwerdeführers führt schon deshalb nicht zum Erfolg, weil in der Beschwerde nicht ausgeführt wird, welche konkreten Umstände bei solchen Ermittlungen zutage getreten wären, die die Behörde zu einem anderen (für den Beschwerdeführer günstigen) Ergebnis hätten führen können, weshalb es die Beschwerde verabsäumt hat, die Relevanz des geltend gemachten Verfahrensmangels darzutun. Schließlich begegnet die von der belangten Behörde im Grund des § 66 Abs. 1 und 2 FPG vorgenommene - vom Beschwerdeführer im Übrigen nicht bekämpfte - Beurteilung aus den im angefochtenen Bescheid dazu angestellten Erwägungen keinem Einwand.

3. Dem Vorbringen, die belangte Behörde habe ihre Beurteilung nach § 61 FPG im angefochtenen Bescheid nicht begründet, ist entgegenzuhalten, dass der Beschwerdeführer keinerlei Anhaltspunkte dafür vorbringt, inwiefern das vorliegende Aufenthaltsverbot nach § 61 leg. cit. unzulässig wäre, und es damit auch diesbezüglich unterlässt, die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels darzutun.

4. Der Einwand, die belangte Behörde habe die aufschiebende Wirkung einer Berufung ohne Begründung ausgeschlossen, verfängt ebenfalls nicht. Der von der Erstbehörde ausgesprochene Ausschluss der aufschiebenden Wirkung blieb nach den insoweit unstrittigen Feststellungen des angefochtenen Bescheids in der vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung unbekämpft, weshalb die belangte Behörde nicht gehalten war, sich mit diesem Ausspruch auseinanderzusetzen. Bei dieser Sachlage wurde der Beschwerdeführer ferner dadurch, dass die belangte Behörde den besagten Ausspruch der Erstbehörde bestätigte, in keinem Recht verletzt.

5. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 16. Jänner 2007

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