VwGH 2006/18/0032

VwGH2006/18/003213.3.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des P N, geboren 1971, vertreten durch Dr. Werner Zach, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Spiegelgasse 19, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 6. Dezember 2005, Zl. 125.404/10- III/4/05, betreffend Versagung einer Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §10 Abs1;
FrG 1997 §10 Abs2 Z1;
FrG 1997 §10 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
FrG 1997 §10 Abs1;
FrG 1997 §10 Abs2 Z1;
FrG 1997 §10 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Devolutionsweg ergangenen Bescheid der Bundesministerin für Inneres (der belangten Behörde) vom 6. Dezember 2005 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 6. März 2002 auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung gemäß § 10 Abs. 2 Z. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, abgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei mit dem an seinen Rechtsvertreter gerichteten Schreiben vom 10. Oktober 2005 u.a. aufgefordert worden, den Nachweis des gesicherten Unterhalts zu erbringen. Der Beschwerdeführer habe mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2005 vorgebracht, geschäftsführender Gesellschafter der N. Gesellschaft zu sein und ein monatliches Entgelt von EUR 1.200,-- zu beziehen. Damit habe der Beschwerdeführer zwar ein monatliches Einkommen behauptet, jedoch den dafür geforderten Nachweis nicht erbracht.

Somit liege der Versagungsgrund gemäß § 10 Abs. 2 Z. 1 FrG vor, weshalb die Erteilung der begehrten Erstniederlassungsbewilligung für den Zweck "selbständig, § 30 Abs. 2 FrG" ausgeschlossen sei, zumal der Beschwerdeführer auch trotz Aufforderung hinsichtlich seiner Ausbildung und der Beschreibung der beabsichtigten Tätigkeit keine Angaben gemacht habe.

Die Interessenabwägung habe ergeben, dass den öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen absolute Priorität eingeräumt werden müsse, da der Beschwerdeführer der Behörde keinen Nachweis über die Sicherung seines Lebensunterhalts erbracht habe. Es sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer - weil er künftig über keinerlei eigene Mittel verfügen werde - auf finanzielle Unterstützung der Sozialhilfeträger angewiesen sein werde.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 10 Abs. 2 FrG kann die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels wegen Gefährdung öffentlicher Interessen (§ 8 Abs. 3 Z. 2) insbesondere versagt werden, wenn (Z. 1) der Fremde nicht über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt oder im Gesundheitszeugnis gemäß § 8 Abs. 6 und Abs. 7 leg. cit. eine schwerwiegende Erkrankung aufweist oder nicht über ausreichende eigene Mittel zu seinem Unterhalt oder - bei der Erteilung eines Einreise- oder befristeten Aufenthaltstitels - für die Wiederausreise verfügt.

Nach der hg. Judikatur hat der Fremde initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel nachzuweisen, dass sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint, wobei insoweit die Verpflichtung besteht, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 17. Februar 2006, Zl. 2005/18/0691).

2. Nach den nicht bestrittenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Beschwerdeführer über seinen Rechtsvertreter mit dem - nicht bei den vorgelegten Verwaltungsakten erliegenden - Schreiben vom 10. Oktober 2005 u.a. aufgefordert, einen Nachweis für seinen gesicherten Lebensunterhalt zu erbringen. Ebenso unstrittig hat der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers daraufhin mit dem - ebenfalls nicht bei den Verwaltungsakten befindlichen - Schriftsatz vom 31. Oktober 2005 zur Frage der Unterhaltsmittel des Beschwerdeführers lediglich vorgebracht, dieser beziehe als geschäftsführender Gesellschafter einer namentlich genannten Gesellschaft ein monatliches Einkommen von EUR 1.200,--, ohne dafür einen Nachweis zu erbringen.

Damit ist der Beschwerdeführer seiner Verpflichtung zum initiativen Nachweis der Unterhaltsmittel im Sinn der oben 1. zitierten hg. Judikatur nicht nachgekommen.

Die Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 10 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt sei, kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden.

3. Gemäß § 10 Abs. 2 FrG kann bei Vorliegen eines der Tatbestände der Z. 1 bis 5 die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels versagt werden. Damit ist klargestellt, dass das Vorliegen der in § 10 Abs. 2 FrG genannten Umstände nicht zwingend einen Versagungsgrund darstellt. Vielmehr ist der Ausdruck "kann" dahin zu verstehen, dass die Behörde bei Anwendung eines der dort angeführten Versagungsgründe zu prüfen hat, ob ein durch diese Anwendung allenfalls erfolgter Eingriff in ein durch Art. 8 EMRK geschütztes Recht des Antragstellers aus den in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Gründen gerechtfertigt ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 2. September 1999, Zl. 99/18/0088). Hiezu ist eine Abwägung der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Aufenthalt im Bundesgebiet mit den gegenläufigen öffentlichen Interessen vorzunehmen.

Der Beschwerdeführer bringt zu seinen persönlichen Verhältnissen vor, dass er sich seit 4. März 1992 im Bundesgebiet aufhalte. Er habe zunächst über einen Sichtvermerk für die Dauer von März 1992 bis August 1992, im Anschluss daran bis 30. März 1994 über Wiedereinreisesichtvermerke, danach bis 2. April 1998 über Aufenthaltsbewilligungen, im Anschluss daran über eine Aufenthaltserlaubnis bis 30. Oktober 1998 und zuletzt über eine Aufenthaltserlaubnis mit einer Gültigkeitsdauer von 3. März 2000 bis 6. Februar 2001 verfügt. Mehrere dieser Aufenthaltstitel sind aktenkundig. Aus der Aktenlage ergibt sich auch, dass es sich bei den zuletzt erteilten Aufenthaltserlaubnissen um solche zum Zweck des Studiums gehandelt hat. Da der gegenständliche Antrag die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zum Zweck der selbständigen Erwerbstätigkeit zum Inhalt hat, stünde im Übrigen § 15 FrG der Abweisung des Antrages (ohne Durchführung des in dieser Bestimmung geregelten Verfahrens) nicht entgegen.

Die belangte Behörde hat ausgeführt, dass im Rahmen der Interessenabwägung auf Grund des mangelnden Nachweises ausreichender Unterhaltsmittel den öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen "absolute Priorität" eingeräumt werden müsse. Damit hat sie im Ergebnis die Ansicht vertreten, dass beim Versagungsgrund der mangelnden Unterhaltsmittel gemäß § 10 Abs. 2 Z. 1 FrG den öffentlichen Interessen jedenfalls ein so großes Gewicht zukomme, dass die Abwägung unabhängig vom Gewicht der persönlichen Interessen des Fremden immer zu dessen Lasten ausgehen müsse.

Diese Ansicht wird vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt, würde doch im Fall des Versagungsgrundes der mangelnden Unterhaltsmittel gemäß § 10 Abs. 2 Z. 1 FrG die vom Gesetzgeber für alle Fälle des § 10 Abs. 2 leg. cit. - anders als für jene des § 10 Abs. 1 leg. cit. - getroffene Anordnung einer Abwägung ins Leere gehen.

Auf Grund dieser Verkennung der Rechtslage hat sich die belangte Behörde in keiner Weise mit den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am (weiteren) Aufenthalt im Bundesgebiet auseinandergesetzt und dazu keine Feststellungen getroffen. Hiebei handelt es sich um einen sekundären Verfahrensmangel.

4. Die dargestellte Verkennung der Rechtslage durch die belangte Behörde führt gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

5. Hingewiesen wird darauf, dass der Beschwerdeführer auch nach dem Beitritt Bulgariens zur Europäischen Union mit 1. Jänner 2007 durch den angefochtenen Bescheid noch beschwert ist, ist doch der - nach dem Inhalt des angefochtenen Bescheides nicht als erbracht anzusehende - Nachweis "ausreichender Existenzmittel zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts" gemäß § 51 Z. 2 des mit 1. Jänner 2006 in Kraft getretenen Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes - NAG, BGBl. I Nr. 100/2005, Voraussetzung für die Niederlassungsberechtigung von EWR-Bürgern.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 13. März 2007

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