Normen
FrG 1997 §10 Abs4;
FrG 1997 §14 Abs2;
EMRK Art8;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
FrG 1997 §10 Abs4;
FrG 1997 §14 Abs2;
EMRK Art8;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
Spruch:
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführerinnen Aufwendungen in der Höhe von je EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das jeweilige Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
I.
1. Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter der Zweitbeschwerdeführerin. Beide Beschwerdeführerinnen haben am 5. August 2004 einen Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für den Zweck "Familiengemeinschaft" mit ihrem in Österreich lebenden Ehegatten bzw. Vater gestellt.
Mit den im Instanzenzug ergangenen Bescheiden vom 29. November 2005 hat die Bundesministerin für Inneres (die belangte Behörde) diese Anträge gemäß § 14 Abs. 2 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, abgewiesen.
Aus den weitgehend gleichlautenden Begründungen dieser Bescheide wird als für das verwaltungsgerichtliche Verfahren wesentlich Folgendes hervorgehoben:
Die Erstbeschwerdeführerin sei im Juni 2002 nach Österreich eingereist und lebe seitdem im Bundesgebiet. Am 20. November 2002 habe sie die Zweitbeschwerdeführerin zur Welt gebracht, welche seit ihrer Geburt im Bundesgebiet lebe. Am 11. Juli 2003 habe die Erstbeschwerdeführerin den Vater der Zweitbeschwerdeführerin, den mit einem Niederlassungsnachweis in Österreich lebenden mazedonischen Staatsangehörigen I., geheiratet. Da die Beschwerdeführerinnen noch nie über einen Sichtvermerk, eine Aufenthaltsbewilligung oder eine Niederlassungsbewilligung verfügt hätten, seien die gegenständlichen Anträge als Erstanträge zu werten. Gemäß § 14 Abs. 2 FrG hätten diese Anträge nur bei Vorliegen von humanitären Gründen im Sinn des § 10 Abs. 4 leg. cit. vom Inland aus gestellt werden dürfen.
Der Wunsch der Beschwerdeführerinnen, bei ihrem Gatten bzw. Vater in Österreich zu leben, stelle keinen besonders berücksichtigungswürdigen humanitären Aspekt dar. Es bestehe zwar ein berechtigtes Interesse an einer Verbesserung der wirtschaftlichen Situation durch die Auswanderung nach Österreich, jedoch keinerlei humanitäre Gründe für die Erteilung eines Aufenthaltstitels. Den Beschwerdeführerinnen könne der Zuzug nach Österreich unter Einhaltung der üblichen gesetzlichen Bestimmungen und unter Berücksichtigung der Quotenpflicht zugemutet werden. Eine Gefährdung im Sinn des § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG hätten die Beschwerdeführerinnen in ihren Berufungen nicht vorgebracht. Aus all diesen Gründen werde die Inlandsantragstellung nicht von Amts wegen zugelassen.
Bei Abweisung von Anträgen wegen unzulässiger Inlandsantragstellung, sei eine Abwägung der persönlichen Interessen der Beschwerdeführerinnen mit den gegenläufigen öffentlichen Interessen nicht vorzunehmen.
2. Gegen diese Bescheide richten sich die jeweils inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machenden Beschwerden je mit dem Antrag, den jeweils angefochtenen Bescheid aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahren vor, sah jedoch von der Erstattung von Gegenschriften ab.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat - nach Verbindung der beiden Beschwerdesachen zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung - erwogen:
1. Unstrittig lebt die Erstbeschwerdeführerin seit Juni 2002, die Zweitbeschwerdeführerin seit ihrer Geburt im November 2002 in Österreich. Ebenso unstrittig haben beide Beschwerdeführerinnen bisher noch nie über einen Aufenthaltstitel verfügt. Von daher ist die - unbekämpfte - Auffassung der belangten Behörde, dass es sich bei den gegenständlichen Anträgen um solche auf Erteilung von Erstniederlassungsbewilligungen handelt, unbedenklich.
2. Solche Anträge sind gemäß § 14 Abs. 2 erster Satz FrG vor der Einreise von Ausland aus zu stellen. Nach der sachverhaltsbezogen allein in Betracht kommenden Ausnahmebestimmung des § 14 Abs. 2 letzter Satz FrG kann der Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung im Inland gestellt werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen gemäß § 10 Abs. 4 leg. cit. vorliegen.
§ 10 Abs. 4 FrG stellt auf mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen verbundene Lebensumstände eines Fremden ab, die dazu Anlass geben, diesem aus humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis zukommen zu lassen. Weiters liegen "besonders berücksichtigungswürdige Fälle" im Sinn der genannten Bestimmung auch dann vor, wenn - ausnahmsweise - ein aus Art. 8 EMRK abzuleitender Anspruch auf Familiennachzug besteht (vgl. aus der ständigen hg. Judikatur etwa das Erkenntnis vom 15. März 2006, Zl. 2006/18/0020, mwN). Dabei ist zu berücksichtigen, dass Art. 8 EMRK keine generelle Verpflichtung normiert, den Wunsch eines Fremden auf Familienzusammenführung in einem bestimmten Land nachzukommen. Ein Anspruch auf Familienzusammenführung in Österreich besteht, wenn der Führung eines gemeinsamen Familienlebens im Heimatstaat wesentliche Hindernisse entgegen stehen oder der Aufenthalt eines Teiles in Österreich so gefestigt ist, dass die Übersiedlung in den Heimatstaat nicht zumutbar ist (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 8. Oktober 2003, G 119/03 u.a. Zlen.).
3. Die Beschwerdeführerinnen haben im Verwaltungsverfahren vorgebracht, staatenlos zu sein. Dazu hat die Erstbeschwerdeführerin auch eine Bestätigung des Ministeriums für innere Angelegenheiten der Republik Mazedonien vom 17. Juli 2002 in beglaubigter Übersetzung vorgelegt, wonach sie im Staatsbürgerschaftsregister dieses Staates nicht eingetragen ist. Weiters hat die Erstbeschwerdeführerin vorgebracht, dass sie früher über einen mazedonischen Fremdenpass verfügt habe, ihr aber nunmehr die Ausstellung eines neuen Fremdenpasses verweigert werde. In den gleichlautenden Berufungen haben die Beschwerdeführerinnen ausgeführt, dass es ihnen auf Grund ihrer Staatenlosigkeit nicht möglich sei, vom Ausland aus einen Antrag zu stellen und das Verfahren hierüber im Ausland abzuwarten.
4. Die belangte Behörde hat sich mit diesem Vorbringen in den angefochtenen Bescheiden in keiner Weise auseinander gesetzt.
Es kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass die belangte Behörde bei ausreichendem Eingehen auf dieses Vorbringen - im Rahmen der Beweiswürdigung und der rechtlichen Beurteilung - unter Berücksichtigung der in der oben 2. dargestellten Judikatur entwickelten Grundsätze zum Ergebnis gekommen wäre, dass im vorliegenden Fall ausnahmsweise ein aus Art. 8 EMRK ableitbarer Anspruch auf Nachzug der Beschwerdeführerinnen zu ihrem unstrittig mit einem Niederlassungsnachweis in Österreich lebenden Ehegatten bzw. Vater besteht.
5. Da die angefochtenen Bescheide somit mangelhaft sind, waren sie gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil im pauschalierten Ersatzbetrag für den Schriftsatzaufwand Umsatzsteuer bereits enthalten ist.
Wien, am 13. Februar 2007
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