Normen
BAO §183 Abs4;
BAO §198;
BAO §232 Abs1;
BAO §232;
BAO §288 Abs1 litd;
BAO §93 Abs2;
BAO §93 Abs3 lita;
EO §371;
BAO §183 Abs4;
BAO §198;
BAO §232 Abs1;
BAO §232;
BAO §288 Abs1 litd;
BAO §93 Abs2;
BAO §93 Abs3 lita;
EO §371;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im Zuge einer gemeinsamen Prüfung lohnabhängiger Abgaben beim Beschwerdeführer ordnete das Finanzamt mit Bescheid vom 11. Jänner 2005 die Sicherstellung der Abgabenansprüche "Lohnsteuer Oktober 2000 - September 2004 EUR 145.345,--, Dienstgeberbeitrag Oktober 2000 - September 2004 EUR 80.667,--, Zuschlag zum DB Oktober 2000 - September 2004 EUR 8.066,--, insgesamt EUR 234.078,--" an.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen diesen Bescheid als unbegründet abgewiesen. In der Begründung führte die belangte Behörde - soweit für die Beschwerde von Bedeutung - aus, das Finanzamt habe den Sicherstellungsauftrag vom 11. Jänner 2005 damit begründet, dass der Beschwerdeführer nach den Feststellungen der Lohnsteuerprüfung für den Zeitraum 10/2000 bis 9/2004 keine Lohnabgaben für "Pflegepersonal in Personalgestellung" gemeldet und entrichtet habe. Da die Voraussetzungen für ein Dienstverhältnis, insbesondere Weisungsgebundenheit, keine Vertretungsmöglichkeit, organisatorische Eingliederung durch Vorgabe des Dienstortes und der Dienstzeit, vorlägen, hätte der Arbeitgeber für die ordnungsgemäße Abfuhr der Lohnabgaben zu sorgen gehabt. Der Beschwerdeführer sei von der Abfuhrpflicht ausgegangen, weil er nach den Bilanzen der Jahre 2000 und 2001 Rückstellungen für gesetzlichen Sozialaufwand gebildet habe. Die Abgabenansprüche seien im Schätzungsweg ermittelt worden, wobei die im gegenständlichen Zeitraum ausbezahlten Beträge mit EUR 1,647.246,-- , die zur Hälfte lohnsteuerpflichtig wären, festgestellt worden seien. Die Lohnsteuer sei mit durchschnittlich 15 % angenommen worden.
In der Berufung gegen diesen Bescheid habe der Beschwerdeführer geltend gemacht, die Begründung des Finanzamtes lasse nicht erkennen, welchen Sachverhalt es seiner Entscheidung zu Grunde gelegt habe. Es seien zwar die Voraussetzungen eines Dienstverhältnisses angeführt worden, nicht jedoch die Umstände, die zu einer solchen rechtlichen Beurteilung führten. Es sei auch nicht erläutert worden, ob er als Dienstgeber oder als Haftender steuerpflichtig wäre. Als Haftender sei er zum Abzug und zur Abfuhr des Dienstgeberbeitrages und des Zuschlages dafür nicht verpflichtet.
Der Beschwerdeführer habe auch gerügt, dass das Finanzamt sein Recht auf Parteiengehör verletzt habe.
Im Vorlageantrag - nach Erlassung einer abweisenden Berufungsvorentscheidung - habe der Beschwerdeführer gerügt, das Finanzamt habe die Dienstnehmereigenschaft nicht selbständig geprüft, sondern diese Einstufung ohne weitere Erhebungen von der Gebietskrankenkasse übernommen. Das Verfahren zur Feststellung der Dienstnehmereigenschaft der Frau M. sei mangelhaft geblieben. Frau M. sei eine gebürtige Tschechin, die vor ca. sieben Jahren nach Österreich gekommen und der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig sei. Sie sei ohne Beiziehung eines Dolmetschers vernommen worden. Der Einspruch des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid sei bislang unerledigt.
Der Beschwerdeführer habe auch darauf verwiesen, dass die Beträge des Sicherstellungsauftrages nach Abgabenart und Zeiträumen aufzugliedern wären.
Im Erwägungsteil führte die belangte Behörde aus, es sei zu prüfen, ob im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides die Voraussetzungen für einen Sicherstellungsauftrag gegeben gewesen seien. Der Rüge des Beschwerdeführers, sein Parteiengehör sei verletzt worden, sei entgegenzuhalten, dass es auf Grund der Natur des Sicherstellungsauftrages als Sofortmaßnahme nicht notwendig sei, vor Erlassung des Auftrages sämtliche Beweise zu erheben und diese dem Abgabepflichtigen vorzuhalten. Die Begründung des Sicherstellungsauftrages habe aber nachvollziehbare Feststellungen zur Entstehung des Abgabenanspruches zu enthalten. Die im Sicherstellungsauftrag enthaltenen Ausführungen hinsichtlich der Lohnsteuerpflicht für das vermittelte Pflegepersonal, das auf Grund der Feststellungen der Prüfer hinsichtlich der Weisungsgebundenheit, des Fehlens einer Vertretungsmöglichkeit, der organisatorischen Eingliederung sowie des vorgegebenen Dienstortes und der Dienstzeit "als Dienstnehmer einzustufen wäre", seien durchaus geeignet und auch ausreichend, die geforderte Begründung der Entstehung des Abgabenanspruches darzutun. Ausführlicher werde die Dienstnehmereigenschaft am Beispiel der Tätigkeit von Frau M. im Bescheid der Gebietskrankenkasse vom 5. August 2004, der den Feststellungen der zu den Nachforderungen führenden Lohnsteuerprüfung zu Grunde liege, begründet. So sei festgestellt worden, dass sowohl vertragliche Beziehungen zwischen M. und dem Beschwerdeführer als auch zwischen dem Beschwerdeführer und der jeweiligen Krankenanstalt, nicht aber zwischen M und dem Krankenhaus bzw. Pflegeheim bestanden hätten. Das Fehlen arbeitsrechtlicher Vereinbarungen zwischen überlassener Arbeitskraft und Beschäftiger wäre aber ein Merkmal der Arbeitskräfteüberlassung. Konkret seien Frau M. sowohl der Arbeitsort, die jeweilige Station im jeweiligen Krankenhaus/Pflegeheim, also auch die Arbeitszeit exakt vorgegeben gewesen, ebenso wie ihr arbeitsbezogenes Verhalten. M. sei auch strengen Weisungen und Kontrollen in Bezug auf Arbeitszeit und arbeitsbezogenes Verhalten unterlegen gewesen. Sie sei zur persönlichen Arbeitsleistung verpflichtet gewesen. § 5 Abs. 1 AÜG stelle klar, dass die Pflichten des Arbeitgebers, insbesondere hinsichtlich abgabenrechtlicher Vorschriften durch die Überlassung nicht berührt würden. Der Beschäftigungsort sei dabei der Betriebsstandort des Überlassers. Den Beschwerdeführer als Dienstgeber treffe daher die Verpflichtung zur Meldung und Abfuhr der Lohnabgaben.
Da die Abgabenbehörde zweiter Instanz den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abändern könne, würden die für den gesamten Zeitraum Oktober 2000 bis September 2004 angeführten Abgaben unter Zugrundelegung des sich aus dem Betriebsprüfungsbericht vom 31. Mai 2005 ergebenden Aufteilungsschlüssels auf die einzelnen Zeiträume aufgegliedert (es folgt eine Aufstellung der Abgaben "L, DB, DZ" für 2000 bis 2004 mit Anführung eines bestimmten Betrages pro Abgabe und Jahr).
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Anführung eines einheitlichen Betrages für mehrere Steuerperioden genüge den Anforderungen des § 232 Abs. 2 BAO nicht. Der Sicherstellungsauftrag vom 11. Jänner 2005 sei daher rechtswidrig. Auch die von der belangten Behörde vorgenommene Aufgliederung des Betrages in der Begründung ihres Bescheides beseitige diese Rechtswidrigkeit nicht. Abgesehen davon habe der Betriebsprüfungsbericht vom 31. Mai 2005 die Grundlage für die Aufgliederung gebildet. Die Aufgliederung auf Grund von nach Ergehen des Sicherstellungsauftrages hervorgekommenen Angaben sei nicht zulässig.
Gemäß § 232 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschriften die Abgabenpflicht knüpfen, selbst bevor die Abgabenschuld dem Ausmaß nach feststeht, bis zum Eintritt der Vollstreckbarkeit (§ 226) an den Abgabepflichtigen einen Sicherstellungsauftrag erlassen, um einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung zu begegnen. Der Abgabepflichtige kann durch Erlag eines von der Abgabenbehörde zu bestimmenden Betrages erwirken, dass Maßnahmen zur Vollziehung des Sicherstellungsauftrages unterbleiben und bereits vollzogene Maßnahmen aufgehoben werden.
Nach dem zweiten Absatz dieser Bestimmung hat der Sicherstellungsauftrag zu enthalten:
- a) die voraussichtliche Höhe der Abgabenschuld;
- b) die Gründe, aus denen sich die Gefährdung und Erschwerung der Einbringung der Abgabe ergibt;
c) den Vermerk, dass die Anordnung der Sicherstellung sofort in Vollzug gesetzt werden kann;
d) die Bestimmung des Betrages, durch dessen Hinterlegung der Abgabepflichtige erwirken kann, dass Maßnahmen zur Vollziehung des Sicherstellungsauftrages unterbleiben und bereits vollzogene Maßnahmen aufgehoben werden.
Die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages setzt somit zunächst die Verwirklichung jenes Tatbestandes voraus, an den die Abgabepflicht geknüpft ist. Die Verwirklichung dieses Tatbestandes muss im Hinblick auf die auch für Sicherstellungsaufträge geltende Begründungspflicht im Sinne des § 93 Abs. 3 lit. a BAO in der Begründung des Sicherstellungsauftrages oder in der diesen bestätigenden Berufungsentscheidung dargetan werden. Die Begründung muss in diesem Zusammenhang jedenfalls erkennen lassen, welcher konkrete Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde und welche Erwägungen im Rahmen der Beweiswürdigung dafür maßgebend waren. Ein Sicherstellungsauftrag ist aber kein abschließender Sachbescheid im Sinne des § 183 Abs. 4 BAO, sondern eine dem Bereich der Abgabeneinbringung zuzuordnende Sofortmaßnahme, die dazu dient, selbst vor Feststellung des Ausmaßes der Abgabenschuld Einbringungsmaßnahmen setzen zu können, wenn Grund zur Annahme besteht, dass die spätere Einbringung der Abgabe gefährdet oder wesentlich erschwert wäre. Es liegt in der Natur einer solchen Maßnahme, dass sie nicht erst nach Erhebung sämtlicher Beweise, sohin nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens, gesetzt werden kann, sondern dass es genügt, dass die Abgabenschuld dem Grunde nach mit der Verwirklichung des abgabenrechtlich relevanten Tatbestandes entstanden ist und gewichtige Anhaltspunkte für ihre Höhe sowie für die Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung ihrer Einbringung gegeben sind. Ob der Abgabenanspruch tatsächlich entstanden ist, ist in einem Sicherstellungsverfahren nicht zu entscheiden (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung zuletzt etwa das Erkenntnis vom 4. Juni 2008, 2005/13/0041).
Zur voraussichtlichen Höhe der Abgabenschuld hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 19. Oktober 1999, 98/14/0122, ausgesprochen, dass sie nach den einzelnen Abgabenarten und Zeiträumen aufzugliedern ist. Die Angabe eines einheitlichen Betrages für mehrere Steuerperioden genügt diesen Anforderungen nicht. Das Prinzip der Abschnittsbesteuerung bringt es nämlich mit sich, dass für jeden Abschnitt ein eigener Abgabenanspruch entsteht. Für jeden dieser Ansprüche kann die Abgabenbehörde - bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 232 BAO - einen gesonderten Sicherstellungsauftrag erlassen. Fasst sie mehrere solche Ansprüche aus Zweckmäßigkeitsgründen in einer einzigen Bescheidausfertigung zusammen, hat diese für jeden Anspruch die Angaben gemäß § 232 Abs. 2 BAO zu enthalten. Die voraussichtliche Höhe der Abgabenschuld gemäß § 232 Abs. 2 lit. a BAO ist somit Spruchbestandteil; dies auch dann, wenn mehrere Bescheide formularmäßig zusammengefasst werden (vgl. Ritz, BAO3, § 232 Tz. 8, § 198 Tz. 8). Im Sicherungsverfahren sollen auf Grund des Sicherstellungsauftrages gemäß § 232 BAO als Exekutionstitel für jeden Abgabenanspruch Pfandrechte begründet werden. Dies setzt die exakte Benennung der jeweiligen Abgabenart und ihrer Höhe im Spruch voraus (siehe auch Angst, Kommentar zur Exekutionsordnung, 2. Auflage, § 371 EO, Tz 9).
Die belangte Behörde hat die Berufung als unbegründet abgewiesen. Dieser Spruch ist so zu werten, als ob sie einen mit dem bekämpften Bescheid im Spruch übereinstimmenden Bescheid erlassen hätte (vgl. Ritz, a.a.O., § 289 Tz. 47). Der somit übernommene Spruch des Sicherstellungsauftrages vom 11. Jänner 2005 entspricht den Anforderungen des § 232 Abs. 2 lit. a BAO nicht. Der angefochtene Bescheid war bereits aus diesem Grunde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 4. Februar 2009
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