Normen
EStG 1988 §16 Abs1;
EStG 1988 §20 Abs1;
EStG 1988 §16 Abs1;
EStG 1988 §20 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 1.171,20 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Im angefochtenen Bescheid wird ausgeführt, der seit dem Jahre 1995 verwitwete Beschwerdeführer habe in den Streitjahren als Hochschulprofessor an der Universität in X Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt. Außerdem habe er eine Witwerpension bezogen und lt. den Angaben in den Steuererklärungen Einkünfte als Steuerberater und Schriftsteller sowie als Komplementär einer KEG, als Beirat einer GmbH und als Aufsichtsrat einer AG erzielt. Weiters sei er ab 28. Jänner 1993 Gesellschafter-Geschäftsführer der M GmbH gewesen. Der Beschwerdeführer habe in X einen Zweitwohnsitz unterhalten. Seine in den Einkommensteuererklärungen 2000 und 2001 angegebene Wohnanschrift habe sich im von X 117 Kilometer entfernten Ort Y befunden, in dem auch seine vier Kinder lebten. Im Berufungsverfahren sei strittig, ob die Kosten des Zweitwohnsitzes in X (für die Jahre 2000 und 2001 jeweils Mietkosten und Kosten für Familienheimfahrten in den durch § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 gezogenen Grenzen) als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten abzugsfähig seien und in welcher Höhe das beantragte Betriebsausgabenpauschale zustehe.
Unstrittig sei, dass der Beschäftigungsort X vom Hauptwohnsitz Y des Beschwerdeführers so weit entfernt liege, dass ihm eine tägliche Rückfahrt nicht zugemutet werden könne. Den Verwaltungsakten sei zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer wochentags regelmäßig in X anwesend gewesen sei. Selbst wenn seine Anwesenheit in Y während des Wochenendes betriebsbedingt anzunehmen wäre, sei es entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers, "rein wirtschaftlich betrachtet", nahe liegend, den Ort X (Universität, Kanzlei M GmbH), in dem der Beschwerdeführer während des größten Teiles der Zeit (hauptsächlich) betrieblich und beruflich tätig sei, auch zum Mittelpunkt seiner betrieblichen/beruflichen Tätigkeit zu machen. Der Beschwerdeführer führe in seinem Berufungsschriftsatz zwar "vier gewichtige Anknüpfungen zu Betrieben" in Y für die Beibehaltung seines Familienwohnsitzes in Y an, lasse dabei aber - im Gegensatz zu seinen späteren Ausführungen - seine "(gewichtigsten) angeblich" in Y erzielten Einnahmen als selbstständiger Steuerberater gänzlich außer Acht. Die Wahl (Beibehaltung) des Wohnsitzes (Familienwohnsitzes) in einer vom Mittelpunkt der betrieblichen/beruflichen Tätigkeit ungewöhnlichen Entfernung spreche gegen die Werbungskosteneigenschaft der damit verbundenen Aufwendungen. Die Beibehaltung des Wohnsitzes in Y könne daher bezogen auf die Streitjahre nicht (mehr) als aus in der nichtselbständigen Tätigkeit gelegenen Gründen gerechtfertigt angesehen werden.
Die Ursache, warum der Beschwerdeführer den Wohnsitz in Y beibehalte, sei nicht in seiner nichtselbständigen Tätigkeit in X, nicht in seiner vorwiegend in X ausgeübten selbständigen Haupttätigkeit und auch nicht etwa darin zu finden, dass er in X keine geeignete Familienunterkunft hätte besorgen können; Derartiges werde vom Beschwerdeführer auch nicht behauptet. Seine in Y ausgeübten "selbständigen" Tätigkeiten (Komplementär, Beirat und Aufsichtsrat), die auch bei einer Verlegung des Wohnsitzes weiterhin ausgeübt werden könnten bzw. einer Übersiedlung nicht im Wege stünden, hätten zu vernachlässigende Größen und rechtfertigten keinen Doppelwohnsitz. Die Ursachen für die Beibehaltung des Wohnsitzes in Y seien vielmehr in Umständen zu sehen, die mit den privaten Beweggründen des Beschwerdeführers in unmittelbarem Zusammenhang stünden. Der Beschwerdeführer habe die privaten Beweggründe selbst offen gelegt, wenn er ausführe, dass er seit dem Tod seiner Ehefrau auf die Unterstützung seiner Familie bei der Erziehung seiner vier Kinder angewiesen sei und er diese nicht in fremde Obhut geben wolle. Dafür, dass die Ursache für die Beibehaltung des Hauptwohnsitzes in Y nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit der nichtselbständigen Arbeit des Beschwerdeführers in X stehe, spreche auch die jahrelange Beibehaltung des (Heimat-)Wohnsitzes in Y. Zur Frage der Zumutbarkeit der Verlegung des (Heimat-)Wohnsitzes an den Beschäftigungsort sei zu sagen, dass gerade in Anbetracht dessen, dass dem Beschwerdeführer eine jahrelange Übergangszeit (langjährige steuerliche Anerkennung einer doppelten Haushaltsführung bzw. von Familienheimfahrten) zur Verfügung gestanden sei, ihm nach Ansicht der belangten Behörde die Verlegung seines (Heimat-)Wohnsitzes in den Nahebereich seiner Arbeitsstätte bzw. zum Mittelpunkt seiner beruflichen und betrieblichen Tätigkeit in X zuzumuten gewesen wäre. Je länger eine doppelte Haushaltsführung dauere, desto stärker würden in der Regel private, insbesondere in der Familie des Steuerpflichtigen liegende Gründe hervortreten, die ihn veranlassten, die doppelte Haushaltsführung nicht zu beenden. Mit fortschreitender Dauer werde der berufliche Zusammenhang immer mehr gelockert, sodass die privaten Gründe die ursprünglich berufliche Veranlassung letztlich völlig überlagerten. Auf Grund seiner Einkommensverhältnisse wäre es dem Beschwerdeführer unschwer möglich gewesen, für sich und seine Kinder eine passende und familiengerechte Wohnung in X zu beschaffen, wobei in X auch hinreichende Möglichkeiten für die Ausbildung und Obsorge (Haushaltshilfe) der Kinder zur Verfügung gestanden wären. Im Hinblick auf die in Y erzielten "selbständigen Einkünfte" (Komplementär, Beirat, Aufsichtsrat; die Einkünfte aus der "steuerberatenden, schriftstellerischen" Tätigkeit seien nach Ansicht der belangten Behörde seinem Wohnsitz in X zuzurechnen) sei zu bedenken, dass diese Einkünfte, die im Übrigen bei einer Übersiedlung nach X auch nicht verloren gingen, im Verhältnis zu den in X erzielten Einkünften von derart untergeordneter Bedeutung seien, dass sie die Beibehaltung des Wohnsitzes in Y nicht rechtfertigten. Insgesamt spreche daher nach Ansicht der belangten Behörde nichts gegen die Zumutbarkeit der Verlegung des (Heimat-)Wohnsitzes nach X. Mangels beruflicher Veranlassung seien die geltend gemachten Aufwendungen bzw. Ausgaben nicht (mehr) abzugsfähig.
Betreffend "Betriebsausgabenpauschale" wird im angefochtenen Bescheid darauf hingewiesen, dass nach § 17 Abs. 1 EStG 1988 bei Einkünften aus selbständiger Arbeit und bei Einkünften aus Gewerbebetrieb unter bestimmten Voraussetzungen ein Pauschalbetrag von 6 % bzw. von 12 % der Umsätze angesetzt werden könne. Der Beschwerdeführer habe im Verwaltungsverfahren keine geeigneten Unterlagen vorgelegt und auch nicht entsprechend glaubhaft dargelegt, welche jeweiligen Inhalte - als maßgebliche Voraussetzung für die unterschiedlichen Durchschnittssätze - seine selbständigen Tätigkeiten umfasst hätten. Der belangten Behörde sei es damit nicht möglich gewesen, sich ein genaues Bild über die tatsächlich ausgeübte selbständige Tätigkeit des Beschwerdeführers zu machen und eine klare Abgrenzung seiner selbständigen Tätigkeiten vorzunehmen "und die jeweils unterschiedlichen Pauschsätze einkünftebezogen anzusetzen". Das beanspruchte einheitliche 12 %-ige Betriebsausgabenpauschale sei im Übrigen jedenfalls unrichtig, weil einerseits aus § 17 Abs. 1 EStG 1988 hervorgehe, dass bei bestimmten Tätigkeiten lediglich 6 % Berücksichtigung finden könnten und andererseits der Beschwerdeführer offensichtlich selbständige Tätigkeiten ausgeübt habe, die nicht einem einheitlichen, "einzigen Berufsbild eines Steuerberaters entsprechen und die eindeutig unter das Sechs-Prozent-Pauschale fallen (Tätigkeiten als Komplementär, Aufsichtsrat, Beirat, Geschäftsführer; weiters seine schriftstellerische, vortragende und - lt. Berufungsschriftsatz - auch gutachtliche Tätigkeit)". Es sei daher zu Recht vom Betriebsausgabenpauschale in Höhe von 6 % der Umsätze auszugehen und auch die Berufung in diesem Punkt als unbegründet abzuweisen gewesen.
In der Beschwerde wird vorgebracht, der Beschwerdeführer sei in seinem Recht auf gesetzmäßige Festsetzung der Einkommensteuer für die Jahre 2000 und 2001 verletzt. Die Aufwendungen für den berufsbedingten Zweitwohnsitz in X (Kosten für die Mietwohnung und für die Familienheimfahrten) seien von der Einkommensteuerbemessungsgrundlage ebenso abzuziehen wie die Betriebsausgabenpauschale von 12 %.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde, auf die der Beschwerdeführer replizierte, erwogen:
Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt erkannt, dass die Beibehaltung eines (Familien)Wohnsitzes aus der Sicht der Erwerbstätigkeit, die in unüblich weiter Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, nicht durch die Erwerbstätigkeit, sondern durch Umstände veranlasst ist, die außerhalb der Erwerbstätigkeit liegen. Der Grund, warum Aufwendungen für Familienheimfahrten dennoch als Betriebsausgaben oder Werbungskosten bei den aus der Erwerbstätigkeit erzielten Einkünften Berücksichtigung finden, liegt darin, dass derartige Aufwendungen solange als durch die Einkunftserzielung veranlasst gelten, als dem Steuerpflichtigen eine Wohnsitzverlegung in übliche Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 28. September 2004, 2001/14/0178, und vom 21. Juni 2007, 2005/15/0079, mwN). Die Unzumutbarkeit kann ihre Ursachen sowohl in der privaten Lebensführung haben als auch in der weiteren Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen oder in der Erwerbstätigkeit des Ehegatten (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. November 2006, 2005/15/0011). Die Unzumutbarkeit ist aus der Sicht des jeweiligen Streitjahres zu beurteilen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Juli 2007, 2006/15/0047).
Da die - im Einzelfall zu beurteilende - Unzumutbarkeit insbesondere auch in der privaten Lebensführung gelegen sein kann, lässt sich für den Standpunkt der belangten Behörde durch den Hinweis im angefochtenen Bescheid, der Beschwerdeführer habe die privaten Beweggründe für die Beibehaltung des Wohnsitzes in Y, nämlich die Unterstützung seiner Familie bei der Erziehung seiner vier Kinder nach dem Tod seiner Ehefrau, selbst offen gelegt, nichts gewinnen. Dass die Pflegebedürftigkeit naher Angehöriger gewichtige Gründe darstellen können, die für die Beibehaltung des Hauptwohnsitzes sprechen, hat der Verwaltungsgerichtshof auch bereits in seiner Judikatur zum Ausdruck gebracht (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 9. Oktober 1991, 88/13/0121, und vom 27. Mai 2003, 2001/14/0121).
Das Vorbringen des Beschwerdeführers zur Beibehaltung seines Hauptwohnsitzes in Y infolge seiner schwierigen familiären Situation wird in der Beschwerde dahingehend zusammengefasst, dass er nach dem (plötzlichen) Tod seiner Ehefrau im Jahr 1995 zur Erziehung seiner vier (in den Jahren 1995, 1990, 1988 und 1986 geborenen) Kinder auf die Unterstützung seiner Familie (Eltern bzw. Schwägerin) angewiesen gewesen sei. Zur Bewahrung dieses familiären Umfeldes sei ihm (als Witwer mit vier minderjährigen Kindern) die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort seiner nichtselbständigen Tätigkeit nicht zumutbar gewesen (familiäre Geborgenheit sei durch bezahlte Haushaltshilfen nicht zu ersetzen).
Wenn die belangte Behörde zur Ablehnung der Anerkennung der Kosten für die doppelte Haushaltsführung auf "eine jahrelange Übergangszeit" verweist, ist darauf hinzuweisen, dass die Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung aus der Sicht des jeweiligen Streitjahres zu beurteilen ist. Die Betreuung und Erziehung der in den Streitjahren rd. 5 bis 15 Jahre alten Kinder unter Mithilfe der familiären Bezugspersonen am Ort des Hauptwohnsitzes wird auch von der belangten Behörde nicht in Abrede gestellt. Damit lagen aber gewichtige, in der privaten Lebensführung gelegene Gründe vor, die eine Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung in den Streitjahren begründeten. Eine von der belangten Behörde auch angesprochene Möglichkeit zur Obsorge in Form einer (bloßen) Haushaltshilfe am Beschäftigungsort des Beschwerdeführers ändert daran nichts. Hat damit die belangte Behörde bereits insoweit die Rechtslage verkannt, war auf das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach auch "vier gewichtige Anknüpfungen zu Betrieben in Y" die Unzumutbarkeit einer Wohnsitzverlegung bewirkt hätten, nicht mehr einzugehen.
Der angefochtene Bescheid war bereits deshalb wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben. Einer Auseinandersetzung mit der Frage der Zuerkennung des 12 %igen Betriebsausgabenpauschales nach § 17 Abs. 1 EStG 1988, zu der in der Beschwerde im Wesentlichen vorgebracht wird, die den Steuererklärungen beigelegten Einnahmenaufzeichnungen hätten ohnedies eine exakte Zuordnung zu den einzelnen Tätigkeiten des Beschwerdeführers zugelassen, bedurfte es damit nicht mehr.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Der Pauschbetrag für Schriftsatzaufwand beträgt nach dieser Verordnung 991,20 EUR und beinhaltet auch die Umsatzsteuer. Das darüber hinausgehende Kostenbegehren war daher abzuweisen.
Wien, am 20. September 2007
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