Normen
FamLAG 1967 §2 Abs5;
FamLAG 1967 §26 Abs1;
FamLAG 1967 §8;
VwGG §42 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
FamLAG 1967 §2 Abs5;
FamLAG 1967 §26 Abs1;
FamLAG 1967 §8;
VwGG §42 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als er die Monate Mai 2001 bis Dezember 2002 erfasst, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die am 14. April 1984 geborene Jasmin M. ist seit ihrer Geburt behindert und voraussichtlich dauernd außer Stande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Sie wuchs zunächst bei ihren Eltern auf und lebt seit März 2001 in einem vom Verein Lebenshilfe Wien betriebenen Wohnhaus für Personen mit geistiger und mehrfacher Behinderung, wo sie gemäß § 24 des Wiener Behindertengesetzes betreut wird. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Meidling vom 18. Dezember 2002 wurde Jasmin Rechtsanwalt Mag. S. als Sachwalter zur Besorgung aller Angelegenheiten beigestellt.
Die Beschwerdeführerin ist die Mutter von Jasmin und bezog für sie erhöhte Familienbeihilfe sowie den Kinderabsetzbetrag. Im Gefolge eines vom Sachwalter gestellten Antrages auf Leistung der erhöhten Familienbeihilfe an Jasmin selbst leitete das Finanzamt Erhebungen in Richtung Rückforderung der an die Beschwerdeführerin geleisteten Beträge ein. Mit Bescheid vom 19. Dezember 2005 forderte es schließlich die für die Zeiträume Mai 2001 bis Februar 2003 und Juli 2003 bis Juni 2005 gewährte Familienbeihilfe sowie den Kinderabsetzbetrag in Höhe von insgesamt EUR 16.126,09 zurück.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies die belangte Behörde als unbegründet ab. Sie stellte fest, dass Jasmin seit März 2001 Pflegegeld der Stufe 2 gewährt werde. Unter Anrechnung des halben Erhöhungsbetrages der Familienbeihilfe für erheblich behinderte Kinder werde davon ein Teilbetrag an Pflegegeld von monatlich EUR 42,60 abgezogen und an die MA 15 als Kostenträger für die Wohnhausunterbringung für Jasmin einbehalten. Der Sachwalter überweise monatlich aus dem Pflegegeld EUR 70,-- auf ein bei der Lebenshilfe Wien befindliches Taschengeldsparbuch, welches für die Ausgaben des täglichen Bedarfs (Kleidung, Ausflüge, Hygieneartikel, Rezeptgebühren etc.) verwendet werde. Der Rest des Pflegegeldes diene zur teilweisen Abdeckung der Unterbringungskosten im Wohnhaus. Da nicht alle erbrachten Betreuungsleistungen durch den Magistrat der Stadt Wien als Kostenträger abgedeckt würden, werde Jasmin ab dem Unterbringungsdatum im Wohnhaus ein nicht von der öffentlichen Hand abgedeckter Wohnhausbeitrag für die Unterbringungskosten von monatlich EUR 232,-- vorgeschrieben, der aus dem Pflegegeld (EUR 208,-- pro Monat) jedoch nur zum Teil bezahlt werden könne. Zwecks Familienbesuchs - so die belangte Behörde weiter - habe Jasmin im von der Rückforderung umfassten Zeitraum insgesamt - im Einzelnen datumsmäßig näher dargestellte - 151 Tage Ausgang vom Wohnheim der Lebenshilfe Wien gehabt (acht Tage in den fraglichen Monaten des Jahres 2001, 18 Tage im Jahr 2002, 27 Tage in den betroffenen Monaten des Jahres 2003, 70 Tage im Jahr 2004 und 28 Tage bis einschließlich Juni 2005). Die Beschwerdeführerin habe ausschließlich im Zeitraum Juni bis Dezember 2002 Beiträge an die Lebenshilfe Wien betreffend die Betreuung ihrer Tochter Jasmin geleistet, wobei ein Betrag von EUR 1.822,-- (bezahlt Juni 2002) für einen Zeitraum von März 2001 bis Mai 2002 stehe. Außerdem habe die Beschwerdeführerin in den Monaten Juni 2002 bis Oktober 2002 für Jasmin Taschengeld in Höhe von EUR 60,-- bzw. EUR 70,-- monatlich überwiesen. Die Angaben der Beschwerdeführerin, dass sie darüber hinaus Zahlungen zu Gunsten von Jasmin erbracht habe, seien "äußerst unglaubwürdig". Zwar habe sie über Vorhalt die Erbringung von "monatlichen Kostenbeiträgen" behauptet, diese aber in der Folge aus Anlass einer niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 7. April 2006 nicht weiter erläutern können; die Vorlage von nicht konkret zuordenbaren Einkaufsbelegen sei jedenfalls nicht ausreichend und kein Beweis dafür, dass diese Einkäufe der Tochter Jasmin zuzurechnen seien; eine Berücksichtigung von allgemeinen Haushaltskosten (Miete, Strom, Kreditrückzahlungen etc.) könne mangels Zusammenhangs mit Jasmin nicht erfolgen. Da die Beschwerdeführerin somit im Streitzeitraum "ausgenommen die Monate März 2001 bis Mai 2002" nicht die von der Lebenshilfe Wien vorgeschriebenen Wohnhausbeiträge bezahlt und auch sonst nicht konkret nachweisen bzw. glaubhaft habe machen können, dass sie zum Unterhalt ihrer Tochter Jasmin in Höhe der gesetzlichen Mindestbeiträge beigetragen habe, komme "die gesetzliche Fiktion der Haushaltszugehörigkeit" nicht zum Tragen, weshalb ihr die erhöhte Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag nicht zugestanden wären. Der erstinstanzliche Rückforderungsbescheid sei daher zu bestätigen gewesen.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof - nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift seitens der belangten Behörde - erwogen:
Die hier in Rede stehende Rückzahlungsverpflichtung nach § 26 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) sowie nach § 33 Abs. 4 Z 3 lit. a dritter Satz EStG 1988 ist fallbezogen allein davon abhängig, ob Jasmin im fraglichen Zeitraum zum Haushalt der Beschwerdeführerin gehörte. Gemäß § 2 Abs. 5 FLAG gehört ein Kind dann zum Haushalt einer Person, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. Die Haushaltszugehörigkeit gilt nicht als aufgehoben, wenn sich das Kind nur vorübergehend außerhalb der gemeinsamen Wohnung aufhält (lit. a), das Kind für Zwecke der Berufsausübung notwendigerweise am Ort oder in der Nähe des Ortes der Berufsausübung eine Zweitunterkunft bewohnt (lit. b), oder sich das Kind wegen eines Leidens oder Gebrechens nicht nur vorübergehend in Anstaltspflege befindet, wenn die Person zu den Kosten des Unterhalts mindestens in Höhe der Familienbeihilfe für ein Kind beiträgt; handelt es sich um ein erheblich behindertes Kind, erhöht sich dieser Betrag um den Erhöhungsbetrag für ein erheblich behindertes Kind (lit. c).
Angesichts des unbestrittenen Umstandes, dass Jasmin seit März 2001 in einem vom Verein Lebenshilfe Wien betriebenen Wohnhaus für Personen mit geistiger und mehrfacher Behinderung untergebracht ist, wo sie betreut wird, kann nicht ernsthaft vertreten werden, sie habe mit ihrer Mutter "bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung geteilt". Daran vermögen entgegen der offenbar in der Beschwerde vertretenen Ansicht auch die wiederholten Familienbesuche nichts zu ändern, weil sie von vornherein nur auf Zeit angelegt waren ("Ausgang"), sich jeweils bloß auf wenige Tage erstreckten und auch insgesamt von ihrer Dauer her in keinem Verhältnis zur Heimunterbringung standen (vgl. sinngemäß zur Unbeachtlichkeit einzelner Übernachtungen das hg. Erkenntnis vom 18. März 1997, 96/14/0006). In Anbetracht des dauerhaften Charakters der außerfamiliären Pflege von Jasmin ist aber auch nicht zweifelhaft, dass kein Fall des § 2 Abs. 5 lit. a FLAG (nur vorübergehender Aufenthalt außerhalb der gemeinsamen Wohnung) vorliegt. Eine Zugehörigkeit von Jasmin zum Haushalt der Beschwerdeführerin im Sinne des § 2 Abs. 5 FLAG ist daher lediglich unter dem Gesichtspunkt der lit. c der genannten Bestimmung in Betracht zu ziehen, weshalb es gegenständlich entscheidungswesentlich darauf ankommt, ob die Beschwerdeführerin zu den Kosten des Unterhalts von Jasmin mindestens in Höhe der Familienbeihilfe für ein Kind, erhöht um den Erhöhungsbetrag für ein erheblich behindertes Kind, beigetragen hat. Die belangte Behörde hat das zwar verneint, zugleich aber festgestellt, dass die Beschwerdeführerin im Zeitraum Juni bis Dezember 2002 Beiträge an die Lebenshilfe Wien betreffend die Betreuung ihrer Tochter Jasmin (nach der Aktenlage für die Monate Juli bis Dezember 2002 monatlich EUR 221,--) geleistet habe, wobei ein (weiterer) Betrag in Höhe von EUR 1.822,--, einbezahlt im Juni 2002, für einen Zeitraum von März 2001 bis Mai 2002 stehe. Im Rahmen ihrer zusammenfassenden Erwägungen hat die belangte Behörde überdies ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin im Streitzeitraum ausgenommen die Monate März 2001 bis Mai 2002 nicht die von der Lebenshilfe Wien vorgeschriebenen Wohnhausbeiträge bezahlt habe. Bezüglich des Zeitraums Juni 2002 bis Oktober 2002 hat die belangte Behörde schließlich Feststellungen über Taschengeldzahlungen der Beschwerdeführerin an Jasmin in Höhe von EUR 60,--/70,-- monatlich getroffen. Mit diesen Beitrags- und Taschengeldzahlungen hat sich die belangte Behörde nicht ausreichend beschäftigt, obwohl diese Zahlungen - zählt man Taschengeld und Beiträge an die Lebenshilfe zusammen - für die Monate Juli bis Oktober 2002 sogar über der sich nach § 8 FLAG zu errechnenden maßgeblichen "Betragsgrenze" (S 3.500,-- monatlich im Jahr 2001, EUR 254,60 monatlich im Jahr 2002) liegen. Insofern liegt daher ein - wenngleich in der Beschwerde nur ansatzweise geltend gemachter - Verfahrensfehler vor, zumal Feststellungen darüber fehlen, wem das Jasmin ab März 2001 zuerkannte Pflegegeld vor Bestellung des Sachwalters per 18. Dezember 2002 tatsächlich zugeflossen bzw. wofür es verwendet worden ist. Auch mit einer von der Beschwerdeführerin bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme durch die belangte Behörde am 7. April 2006 u.a. vorgelegten Bestätigung der Lebenshilfe Wien vom 20. Juni 2002, wonach die Eltern auch die Bekleidung, die Urlaube und das Taschengeld von Jasmin finanzierten, hätte sich die belangte Behörde auseinander setzen müssen.
Die dargestellten Mängel betreffen indes nur den Zeitraum bis Dezember 2002. Was die nachfolgenden, hier weiter streitgegenständlichen Monate anlangt, kann der belangten Behörde dagegen bei ihrer Beurteilung, es seien seitens der Beschwerdeführerin keine (ausreichenden) Leistungen für Jasmin erbracht worden, auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass an die Nachweisbarkeit von insbesondere im Zuge der Familienbesuche erbrachten tatsächlichen Zuwendungen keine hohen Anforderungen gestellt werden dürfen, nicht entgegengetreten werden. Diesbezüglich sind im Verwaltungsverfahren über bloße Behauptungen der Beschwerdeführerin hinaus keine Anhaltspunkte hervorgekommen, weshalb - anders als die Beschwerde vermeint - auch keine Veranlassung zu einer amtswegigen Einvernahme des Ehemannes der Beschwerdeführerin bestand.
Zusammenfassend ergibt sich damit, dass der bekämpfte Bescheid hinsichtlich seines Abspruchs über eine Rückzahlungsverpflichtung der Beschwerdeführerin für die Monate Mai 2001 bis Dezember 2002 gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war, während die Beschwerde im Übrigen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden musste.
Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Da die Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG infolge Bewilligung der Verfahrenshilfe nicht entrichtet worden ist, kommt insoweit auch die Zuerkennung von Kostenersatz nicht in Betracht.
Wien, am 23. Mai 2007
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