VwGH 2006/10/0183

VwGH2006/10/018314.12.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Köhler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerde des GG in St. Pölten, vertreten durch Dr. Friedrich Schwarzinger und Mag. Nikolaus Weiser, Rechtsanwälte in 4600 Wels, Johannisgasse 3/III, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 25. Juli 2006, Zl. GS5-SH-2812/020-2006, betreffend Sozialhilfe, zu Recht erkannt:

Normen

SHG NÖ 2000 §26;
SHG NÖ 2000 §32;
SHG NÖ 2000 §26;
SHG NÖ 2000 §32;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 25. Juli 2006 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf "Aufnahme in eine geeignete Einrichtung" gemäß § 26 NÖ Sozialhilfegesetz 2000 (NÖ SHG) abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe am 31. Mai 2006 einen Antrag auf Unterbringung in einer geeigneten Einrichtung im Rahmen der "Hilfe für Menschen mit besonderen Bedürfnissen" gestellt. Er sei im Zeitpunkt der Antragstellung in einer Einrichtung der "Emmausgemeinschaft St. Pölten" untergebracht gewesen, von wo er aber wegen provokanten Verhaltens gegenüber Mitbewohnern per 8. Juli 2006 habe entlassen werden sollen. Am 30. Mai 2006 sei er nämlich als eine der Hauptpersonen an einem Konflikt beteiligt gewesen, der schließlich zu Handgreiflichkeiten und zur Entlassung eines Mitbewohners geführt habe. Vor seinem Aufenthalt in der "Emmausgemeinschaft St. Pölten" sei der Beschwerdeführer, wie im Zuge der behördlichen Erhebungen zu Tage gekommen sei, mehrere Jahre in Einrichtungen der Caritas in Retz und Unternalb untergebracht gewesen. Von dort sei er auf Grund des Verdachts der Vergewaltigung eines schwerer behinderten Mitbewohners sowie wegen zunehmender Unführbarkeit am 14. Oktober 2005 entlassen worden. Er habe sich der pädagogischen Einflussnahme immer wieder entzogen und sich auch nicht an die mit ihm getroffenen Vereinbarungen gehalten. Auf Grund dieser Umstände sei der von der Behörde befasste "Heimeinweisungsausschuss der Abteilung Sozialhilfe" zur Auffassung gelangt, dass es derzeit in Niederösterreich keine Einrichtung gebe, mit der ein Übereinkommen über die Betreuung von Menschen mit besonderen Bedürfnissen bestehe und in der der Beschwerdeführer auf Grund seines Zustandsbildes adäquat betreut und die Sicherheit der Mitbewohner gewährleistet werden könne. Mangels geeigneter Einrichtung habe dem Antrag des Beschwerdeführers nicht entsprochen werden können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 24 Abs. 3 NÖ Sozialhilfegesetz 2000 (NÖ SHG) ist das Ziel der Hilfe für Menschen mit besonderen Bedürfnissen, diesen auf der Grundlage eines auf ihre Bedürfnisse und Möglichkeiten abgestimmten Hilfsangebotes dazu zu befähigen, in die Gesellschaft eingegliedert zu werden.

Gemäß § 26 Abs. 1 NÖ SHG umfasst die Hilfe für Menschen mit besonderen Bedürfnissen

  1. 1. Heilbehandlung,
  2. 2. Hilfsmittel,
  3. 3. Hilfe zur Frühförderung, Erziehung und Schulbildung,
  4. 4. Hilfe zur beruflichen Eingliederung,
  5. 5. Hilfe durch geschützte Arbeit,
  6. 6. Hilfe zur sozialen Eingliederung,
  7. 7. Hilfe durch soziale Betreuung und Pflege sowie
  8. 8. persönliche Hilfe.

    Auf die Hilfen gemäß Abs. 1, ausgenommen Z. 2, 5 und 8, besteht gemäß § 26 Abs. 2 NÖ SHG ein Rechtsanspruch. Es besteht jedoch kein Rechtsanspruch auf eine bestimmte Maßnahme oder Einrichtung. Nach den Erfordernissen des Einzelfalles ist die Maßnahme auszuwählen. Hilfen gemäß Abs. 1 Z. 1, 3, 4, 6 und 7 sind nach Maßgabe der zur Verfügung stehenden Einrichtungen zu gewähren.

    Die Grundlage der Entscheidung für die Leistung und die Auswahl der Hilfemaßnahmen bildet gemäß § 26 Abs. 3 NÖ SHG ein Sachverständigengutachten eines Arztes oder die Stellungnahme eines Diplom-Sozialarbeiters. Erforderlichenfalls sind zur ganzheitlichen Beurteilung der Situation auch Personen aus anderen Bereichen, beispielsweise der Heil- oder Sonderpädagogik, der Psychologie oder der Pflege, beizuziehen.

    Gemäß § 32 Abs. 1 NÖ SHG umfasst die Hilfe zur sozialen Eingliederung alle Maßnahmen, die geeignet sind, Menschen mit besonderen Bedürfnissen in die Lage zu versetzen, ihre Fähigkeiten zu entwickeln und zu erhalten, um die in den unabänderlichen Lebensverhältnissen gelegenen Schwierigkeiten zu mildern und ihnen ein erfülltes Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen.

    Die Maßnahme besteht gemäß § 32 Abs. 2 NÖ SHG in der aktivierenden Betreuung und Unterbringung in teilstationären und stationären Einrichtungen. Sie umfasst auch Geldleistungen nach § 10 Abs. 2 Z. 3 sowie Fahrtkosten im Sinne des § 27 Abs. 3.

    Die Hilfe zur sozialen Eingliederung ist gemäß § 32 Abs. 3 NÖ SHG nur so lange zu gewähren, als eine Verbesserung und Erhaltung der selbständigen Alltags- und Lebensgestaltung der Menschen mit besonderen Bedürfnissen zu erwarten ist.

    Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, der Beschwerdeführer weise ein Zustandsbild auf, das seine Betreuung in einer in Niederösterreich bestehenden Einrichtung ausschließe. In den bestehenden Einrichtungen, mit denen ein Betreuungsvertrag bestehe, könne der Beschwerdeführer weder adäquat betreut werden, noch könne - im Falle seiner Aufnahme - die Sicherheit der Mitbewohner gewährleistet werden.

    Der Beschwerdeführer wendet dagegen ein, es sei zwar richtig, dass kein Rechtsanspruch des Hilfebedürftigen auf eine bestimmte Maßnahme oder Einrichtung bestehe, es sei der Behörde aber kein Ermessen hinsichtlich der Leistung schlechthin eingeräumt. Sein "schwieriges Verhalten" könne nicht ausreichen, um ihm eine Leistung zu verweigern. Es sei "schwer zu glauben", dass das Land Niederösterreich Personen, die geistig behindert und - im Sinne einer Verhaltensauffälligkeit - psychisch beeinträchtigt seien, keine geeigneten Einrichtungen zur Verfügung stellen könne. Dies wäre als Verletzung der Vorsorgepflicht anzusehen. Gegebenenfalls hätte aber noch geprüft werden müssen, ob nicht in einem anderen Bundesland, etwa in Wien, eine geeignete Einrichtung existiere. Die Behörde habe im Übrigen ausschließlich die Stellungnahme des Heimeinweisungsausschusses eingeholt, obwohl im Sinne des § 26 Abs. 3 NÖ SHG die Einholung eines ärztlichen Gutachtens angebracht gewesen wäre bzw. eine ganzheitliche fachliche Beurteilung des Beschwerdeführers sowie eine fachliche Beantwortung der Frage, ob es in Niederösterreich eine geeignete Einrichtung gebe. Mit dem Vorschlag, den Beschwerdeführer in Mariensee unterzubringen, habe sich die Behörde nicht beschäftigt; sie habe es überhaupt unterlassen darzulegen, worin ihre Erhebungen bestanden hätten und welche Beweismittel sie eingeholt habe. Die Behörde habe dem Beschwerdeführer auch keine Möglichkeit eingeräumt, zu den Beweisergebnissen Stellung zu nehmen.

    Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit auf:

    Der Beschwerdeführer übersieht zunächst, dass "Hilfe zur sozialen Eingliederung" im Sinne des § 32 NÖ SHG in der Unterbringung in teilstationären und stationären Einrichtungen bestehen kann, dass unter diesem Titel, wie § 32 Abs. 1 NÖ SHG zeigt, aber auch andere Hilfsmaßnahmen (z.B. die dem Beschwerdeführer nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten vorgeschlagene Betreuung durch den regional zuständigen Psychosozialen Dienst) in Betracht kommen. Er übersieht weiters, dass Hilfe durch Unterbringung in Einrichtungen gemäß § 26 Abs. 2 NÖ SHG nur nach Maßgabe der zur Verfügung stehenden Einrichtungen zu gewähren ist und dass dem Hilfe Suchenden zwar ein Rechtsanspruch auf Hilfe zur sozialen Eingliederung, nicht aber auch auf Unterbringung oder eine bestimmte andere Art der Hilfeleistung gewährleistet ist.

    Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer nicht Hilfe zur sozialen Eingliederung schlechthin versagt. Sie ist vielmehr - gestützt auf die Stellungnahme des Heimeinweisungsausschusses der Abteilung Sozialhilfe - zur Auffassung gelangt, es gebe in Niederösterreich keine Einrichtung, mit der ein Übereinkommen über die Betreuung von Menschen mit besonderen Bedürfnissen bestehe, in der eine adäquate Betreuung des Beschwerdeführers erfolgen und gleichzeitig die Sicherheit der Mitbewohner gewährleistet werden könnte. Dem Beschwerdeführer könne von den in Betracht kommenden Hilfsmaßnahmen daher jene der Unterbringung in einer geeigneten Einrichtung nicht gewährt werden.

    Die Beschwerde rügt zwar die dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegende Stellungnahme des Heimeinweisungsausschusses als nicht nachvollziehbar, zeigt im Übrigen aber nicht auf, dass die belangte Behörde den Beschwerdeführer, indem sie seinen Antrag auf Unterbringung abwies, in Rechten verletzt hätte. Gleiches gilt für das Vorbringen, es sei im Verfahren eine "Einrichtung in Mariensee" vorgeschlagen, dieser Vorschlag aber nicht berücksichtigt worden, sowie für die Behauptung, es hätten auch Einrichtungen in den anderen Bundesländern in Betracht gezogen werden müssen. Soweit eine Verletzung des Parteiengehörs behauptet wird, wird die Relevanz des damit geltend gemachten Verfahrensmangels nicht dargetan.

    Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

    Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

    Wien, am 14. Dezember 2007

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