VwGH 2006/10/0108

VwGH2006/10/010829.10.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Köhler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerde des HS in G, vertreten durch Mag. Gerald Gerstacker, Rechtsanwalt in 230 Mödling, Schrannenplatz 3/I, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 11. April 2006, Zl. GS5- SH-9261/001-2006, betreffend Kostenersatz für Sozialhilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs4;
SHG EigenmittelV NÖ 2000 §3 Abs1 Z5;
SHG EigenmittelV NÖ 2000 §3 Abs1;
SHG NÖ 2000 §38 Abs1 Z2;
SHG NÖ 2000 §40 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AVG §66 Abs4;
SHG EigenmittelV NÖ 2000 §3 Abs1 Z5;
SHG EigenmittelV NÖ 2000 §3 Abs1;
SHG NÖ 2000 §38 Abs1 Z2;
SHG NÖ 2000 §40 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der NÖ Landesregierung vom 11. April 2006 wurde der Beschwerdeführer verpflichtet, zu den für seinen Aufenthalt im NÖ Landes-Pensionisten- und Pflegeheim M in der Zeit vom 1. Jänner 2002 bis 24. August 2005 aufgewendeten Sozialhilfekosten in Höhe von EUR 64.096,71 gemäß § 38 Abs. 1 Z. 2 NÖ Sozialhilfegesetz 2000 (NÖ SHG) einen einmaligen Kostenbeitrag in der Höhe von EUR 18.417,80 zu leisten. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe am 15. August 1998 einen Antrag auf Aufnahme in ein NÖ Landes- Pensionisten- und Pflegeheim gestellt. In diesem Antrag habe er bekannt gegeben, dass er über ein Sparvermögen von rund ATS 400.000,-- (EUR 29.069,13) verfüge. In der Folge sei er (nicht in einem NÖ Landes- Pensionisten- und Pflegeheim, sondern) im Pflegeheim B. untergebracht gewesen. Die Kosten dieses Aufenthaltes habe er aus Eigenmitteln getragen. Am 25. September 2000 habe der Sachwalter des Beschwerdeführers der Bezirkshauptmannschaft Mödling (BH) bekannt gegeben, dass der Beschwerdeführer nunmehr über ein Sparvermögen von ca. ATS 40.000,-

- (EUR 2.906,91) verfüge, das in nächster Zeit verbraucht sein werde. Daraufhin sei dem Beschwerdeführer mit Bescheid der BH vom 25. September 2000 ab 31. August 2000 "Hilfe bei stationärer Pflege" im NÖ Landes- Pensionisten- und Pflegeheim M gewährt worden. In diesem Bescheid sei er darauf hingewiesen worden, dass er jede Änderung der Vermögens- und Einkommensverhältnisse, auf Grund derer Art und Umfang der Hilfe neu zu bestimmen oder einzustellen wären, binnen vier Wochen der Behörde anzeigen müsse. Am 18. November 2005 habe der Sachwalter der BH bekannt gegeben, dass der Beschwerdeführer per 31. August 2005 über ein Sparguthaben in der Höhe von EUR 23.231,80 verfüge.

Im Zeitpunkt der Hilfegewährung sei - den Angaben des Beschwerdeführers bzw. seines Sachwalters folgend - angenommen worden, der Beschwerdeführer besitze Sparvermögen, das unter dem frei bleibenden Betrag (10-facher Richtsatz für einen Alleinstehenden im Jahre 2000, das waren EUR 4.424,32) liege. Erst durch die Mitteilung des Sachwalters vom 18. November 2005 sei der Behörde bekannt geworden, dass der Beschwerdeführer über ein Sparguthaben in Höhe von EUR 23.231,80 verfüge. Es sei daher der Kostenersatztatbestand des § 38 Abs. 1 Z. 2 NÖ SHG in Ansehung der für den Aufenthalt des Beschwerdeführers im NÖ Landes-Pensionisten- und Pflegeheim vom 1. Jänner 2002 bis 24. August 2005 aufgewendeten Kosten in Höhe von EUR 64.096,71 erfüllt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 38 Abs. 1 NÖ Sozialhilfegesetz 2000 (NÖ SHG) ist der Hilfeempfänger zum Ersatz der für ihn aufgewendeten Kosten verpflichtet, wenn

  1. 1. er zu hinreichendem Einkommen oder Vermögen gelangt;
  2. 2. nachträglich bekannt wird, dass er zur Zeit der Hilfeleistung hinreichendes Einkommen oder Vermögen hatte;

    3. im Falle des § 15 Abs. 3 und 4 die Verwertung von Vermögen nachträglich möglich und zumutbar wird.

    Von der Verpflichtung zum Kostenersatz ist gemäß § 38 Abs. 3 NÖ SHG abzusehen, wenn dies für den Hilfeempfänger eine Härte bedeuten oder den Erfolg der Sozialhilfe gefährden würde.

    Der Anspruch auf Kostenersatz verjährt gemäß § 40 Abs. 1 NÖ SHG, wenn seit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Sozialhilfe geleistet worden ist, mehr als drei Jahre verstrichen sind. Für die Wahrung der Frist gelten sinngemäß die Regeln über die Unterbrechung der Verjährung (§ 1497 ABGB).

    Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, es sei auf Grund der Mitteilung des Sachwalters des Beschwerdeführers vom 18. November 2005 nachträglich bekannt geworden, dass der Beschwerdeführer zur Zeit der Hilfeleistung in Gestalt eines Sparguthabens in Höhe von EUR 23.231,80 über hinreichendes Vermögen verfügte. Unter Berücksichtigung des Freibetrages in Höhe des 10-fachen Richtsatzes für einen Alleinstehenden, (dieser betrage nach der NÖ Richtsatzverordnung 9200/1-5 EUR 481,40), sei der Beschwerdeführer daher gemäß § 38 Abs. 1 Z. 2 NÖ SHG zur Leistung eines Kostenersatzes in Höhe von EUR 18.417,80 verpflichtet.

    Der Beschwerdeführer hält dagegen, die belangte Behörde hätte Vermögen, das er vor dem 1. Jänner 2002 angespart habe - das seien EUR 6.802,96 gewesen -, für den Kostenersatz nicht heranziehen dürfen, sodass seine Ersparnisse aus der Zeit vom 1. Jänner 2002 bis 24. August 2005 lediglich mit EUR 16.428,84 anzunehmen gewesen wären. Der Kostenersatz aus vor dem 1. Jänner 2002 erzielten Ersparnissen sei verjährt. Die Unzulässigkeit einer Heranziehung dieser Ersparnisse ergebe sich auch aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. April 2002, Zl. 98/03/0289. Unter Zugrundelegung eines Sparvermögens von EUR 16.428,84 ergäbe sich ein niedrigerer als der vorgeschriebene Kostenersatz. Darüber hinaus hätte die belangte Behörde den Freibetrag (10-facher Richtsatz) nach der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides geltenden Richtsatzverordnung zu bemessen gehabt, d. h. der Freibetrag wäre mit dem 10-fachen von EUR 493,40 und nicht mit dem 10-fachen von EUR 481,40 anzusetzen gewesen.

    Was das Vorbringen anlangt, es hätte das vom Beschwerdeführer bereits vor dem 1. Jänner 2002 angesparte Vermögen nicht zum Kostenersatz herangezogen werden dürfen, übersieht die Beschwerde, dass sich die - oben wiedergegebenen - Bestimmungen über die Verjährung lediglich auf den Kostenersatzanspruch des Sozialhilfeträgers beziehen. Dieser Anspruch ist der Verjährung unterworfen. Hingegen ist dem § 40 Abs. 1 NÖ SHG nicht zu entnehmen, dass Vermögen, das vor der 3-Jahres-Frist erworben wurde, zum Ersatz der Kosten für innerhalb dieser Frist geleistete Sozialhilfe nicht herangezogen werden dürfe. Derartiges ergibt sich auch nicht aus dem vom Beschwerdeführer zitierten hg. Erkenntnis vom 29. April 2002.

    In dem erwähnten Erkenntnis ist vielmehr ausgeführt, dass selbst Ersparnisse, die aus Einkommensteilen gebildet wurden, die bei der Gewährung von Sozialhilfe außer Ansatz zu bleiben haben, als Vermögen des Betreffenden zu behandeln sind, das die Grundlage für einen Ersatzanspruch bilden kann (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 23. April 2007, Zl. 2007/10/0011, und die dort zitierte Judikatur). Dem ist hinzuzufügen, dass es nach dem Gesetz auch nicht darauf ankommt, ob das Vermögen des Hilfeempfängers vor oder während der Hilfeleistung erworben wurde. Nur das gemäß der Verordnung über die Berücksichtigung von Eigenmitteln, LGBl. 9200/2, als anrechenfrei zu behandelnde Vermögen des Hilfeempfängers darf zum Kostenersatz nicht herangezogen werden.

    Zu Recht ist der Beschwerdeführer jedoch der Auffassung, es bemesse sich das Ausmaß seines anrechenfrei bleibenden Vermögens nach der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides geltenden Rechtslage. Die belangte Behörde hatte nämlich gemäß § 66 Abs. 4 AVG "in der Sache", d.h. in gleicher Weise wie die Erstbehörde zu entscheiden, ob und in welchem Ausmaß der Beschwerdeführer aus seinem Sparvermögen die Kosten der ihm gewährten Sozialhilfe zu ersetzen hat. Für eine solche Entscheidung ist allerdings die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides maßgeblich, zumal es nicht um den Abspruch geht, was zu einem bestimmten Zeitpunkt (etwa jenem der Erlassung des erstbehördlichen Bescheides) oder in einem bestimmten Zeitraum rechtens war, sondern um die aktuelle Begründung einer Zahlungsverpflichtung des Beschwerdeführers.

    Die belangte Behörde hat daher, indem sie der Bemessung des anrechenfreien Vermögens des Beschwerdeführers gemäß § 3 Abs. 1 Z. 5 der Verordnung über die Berücksichtigung von Eigenmitteln (Barbeträge oder sonstige Barwerte, die das 10-Fache des Richtsatzes einen Alleinstehenden im Sinne der gemäß § 10 NÖ SHG erlassenen Verordnung über Sozialhilfen nicht übersteigen) den Richtsatz gemäß § 1 Abs. 1 Z. 1 der Richtsatzverordnung in der Fassung der 4. (EUR 481,40) und nicht in der Fassung der - im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits in Geltung stehenden - 5. Novelle (EUR 493,40) zu Grunde gelegt hat, die Rechtslage verkannt. Der angefochtene Bescheid war aus diesem Grunde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

    Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG abgesehen werden.

    Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

    Wien, am 29. Oktober 2007

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