VwGH 2006/08/0285

VwGH2006/08/028520.2.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerden

1. der H Ges.m.b.H & Co KEG (protokolliert zur hg. Zl. 2006/08/0285) in Großhöflein und 2. der H Ges.m.b.H (protokolliert zur hg. Zl. 2006/08/0286) in Wien, beide vertreten durch Mag. Franz Karl Juraczka, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Alser Straße 32/15, gegen die Bescheide des Landeshauptmannes vom Burgenland je vom 13. Juli 2006, zu 1. Zl. 6-SO-N2068/7-2004, und zu 2. Zl. 6-SO-N2070/4-2004, jeweils betreffend Beitragsnachverrechnung und Beitragszuschlag (mitbeteiligte Partei jeweils: Burgenländische Gebietskrankenkasse, 7001 Eisenstadt, Esterhazyplatz 3), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §113 Abs1;
VwRallg;
ASVG §113 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz) hat den beschwerdeführenden Gesellschaften Aufwendungen in der Höhe von je EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Die Mehrbegehren werden abgewiesen.

Begründung

Die zweitbeschwerdeführende Gesellschaft ist seit 29. Dezember 2005 persönlich haftende Gesellschafterin der erstbeschwerdeführenden Gesellschaft, deren Firma bis zu dem genannten Tag S. KEG gelautet hat.

Mit den im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheiden hat die belangte Behörde die Berufungen der beschwerdeführenden Gesellschaften gegen die Bescheide der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse je vom 14. August 2000, mit denen den beschwerdeführenden Gesellschaften Sozialversicherungsbeiträge einschließlich der Sonderbeiträge, Fonds- und Umlagenbeträge in der Höhe von S 474.333,39 (zu 1.) und S 480. 994,46 (zu 2.) sowie gemäß § 113 Abs. 1 ASVG Beitragszuschläge in der Höhe von S 94.868,-- (zu 1.) und von S 92.200,26 (zu 2.) vorgeschrieben wurden, als unbegründet abgewiesen.

Nach den - im Wesentlichen gleich lautenden - Begründungen habe die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse bezogen auf die Jahre 1998 und 1999 eine Beitragsprüfung bei den beschwerdeführenden Gesellschaften durchgeführt und die angeführten Beiträge mit den genannten Bescheiden anhand dort angeschlossener Beitragsnachverrechnungen samt Erläuterungen vorgeschrieben. Nach Wiedergabe diverser Stellungnahmen in den Einspruchsverfahren stellte die belangte Behörde jeweils die Rechtslage dar und führte zu den "Kilometergeldern" in beiden Bescheiden wörtlich aus:

"Es war in Zweifel zu ziehen, ob ausbezahlten Kilometergeldern auch tatsächlich entsprechende Reisebewegungen gegenüberstanden, da nicht alle in der Buchhaltung ausgewiesenen Kilometergelder an die Dienstnehmer ausbezahlt wurden.

Die einzelnen Beträge wurden - diesbezüglich ist der (mitbeteiligten Gebietskrankenkasse) zu folgen - nachträglich in Lohnbestandteile und Kilometergeld aufgeteilt, sodass von einer Nichtauszahlung der ausgewiesenen Summen (so die Meinung des Betriebsprüfers des Finanzamtes Eisenstadt) nicht die Rede sein kann. Es handelte sich hierbei vielmehr um 'verstecktes Entgelt'."

Zum Thema "geringfügige bzw. fallweise Beschäftigung vs. Pflichtversicherung" führte die belangte Behörde in beiden Bescheiden gleich lautend aus:

"Wie von der (mitbeteiligten Gebietskrankenkasse) zu Recht festgestellt wurde, handelt es sich bei den Beschäftigungsverhältnissen der Dienstnehmer, welche zu regelmäßigen Aushilfsarbeiten herangezogen wurden, nicht um geringfügige Beschäftigungsverhältnisse, sondern um durchgehende, kurze Dienstverhältnisse, wobei das ausbezahlte Entgelt Vollversicherungspflicht mit sich brachte. Eine 'fallweise Beschäftigung' i.S.d. § 471b ASVG ist auszuschließen.

Aus der Auflistung in der verfahrensgegenständlichen Beitragsnachverrechnung geht hervor, dass die Dienstnehmer durchschnittlich 2 - 4 Wochen durchgehend beschäftigt waren, was in keiner Weise einer 'fallweisen Beschäftigung' bzw. einer 'geringfügigen Beschäftigung' entspricht.

Bei den Beschäftigungsverhältnissen der Dienstnehmer, welche zu regelmäßigen Aushilfsarbeiten herangezogen wurden, handelte es sich daher um durchgehende, kurze Dienstverhältnisse, für welche Vollversicherung notwendig ist."

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden - bis auf die verfahrensspezifischen Besonderheiten wörtlich gleich lautenden - Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und Gegenschriften erstattet, in denen sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Verfahren wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges verbunden und über die Beschwerden erwogen:

Vorweg ist festzuhalten, dass sich aus dem Firmenbuchauszug der zu 1. beschwerdeführenden Gesellschaft eine Änderung der Firma von S. KEG auf die im Kopf dieses Urteils angeführte Firma erfolgte (Eintragung vom 29. Dezember 2005). Die im Betreff des angefochtenen Bescheides vom 13. Juli 2006 angeführte S. KEG, die unter dieser Firma noch Einspruch erhoben hat, ist demnach mit der zu 1. beschwerdeführenden Gesellschaft, die unter ihrer neuen Firma Beschwerde erhoben hat, identisch. Es handelt sich im angefochtenen Bescheid daher lediglich um eine unrichtige Parteibezeichnung; Zweifel an der Identität der Bescheidadressatin bestehen daher nicht.

Die belangte Behörde hat Beitragsnachverrechnungen vorgenommen, weil sie einerseits Beschäftigungsverhältnisse als durchgehende gewertet hat; andererseits hat sie "Kilometergelder" nicht als beitragsfrei belassen, weil deren Auszahlung - teilweise - nicht nachgewiesen bzw. der Nachweis der Reisetätigkeit nicht erbracht worden sei.

Die beschwerdeführenden Gesellschaften haben nicht bestritten, dass es sich bei den in Rede stehenden Beschäftigungen um abhängige Beschäftigungsverhältnisse im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG handelt. Nach der Rechtsprechung können trotz der Beachtlichkeit der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses in Grenzfällen auch Personen, die nur tageweise Beschäftigungen ausüben, (sofern dadurch nicht ein durchgehendes Beschäftigungsverhältnis während eines größeren Zeitraumes begründet wird) jedenfalls in den tatsächlichen Beschäftigungszeiten in versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen stehen, wenn nach dem Gesamtbild der jeweils konkret zu beurteilenden tageweisen Beschäftigung die Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch diese Beschäftigung weitgehend ausgeschaltet und nicht nur beschränkt ist (vgl. das Erkenntnis vom 19. Juni 1990, Slg. Nr. 13.223/A mwN).

Gemäß § 471b ASVG sind unter fallweise beschäftigten Personen, die grundsätzlich vollversicherungspflichtig sind, solche zu verstehen, die in unregelmäßiger Folge tageweise beim selben Dienstgeber beschäftigt werden, wenn die Beschäftigung für eine kürzere Zeit als eine Woche vereinbart ist.

Ist ein Dienstnehmer nicht nur tageweise, sondern während eines durchgehenden - im Beschwerdefall jeweils zwei bis vier Wochen betragenden - Zeitraumes beschäftigt, ist umso mehr davon auszugehen, dass keine tageweisen, sondern durchgehende Beschäftigungsverhältnisse vorliegen.

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes geben die beschwerdeführenden Gesellschaften in den Beschwerden die oben angeführten Feststellungen zur durchgehenden Beschäftigung wieder und behaupten, "dies" sei den Auflistungen der Beitragsnachverrechnungen nicht zu entnehmen.

Abgesehen davon, dass es sich bei diesem Argument um eine Verfahrensrüge handelt, sind den den erstinstanzlichen Bescheiden angeschlossenen einzelnen Aufstellungen der Beitragsnachverrechnungen für die Zeit vom Jänner 1998 bis zum Dezember 1999 im Detail die den jeweiligen Dienstnehmern der beschwerdeführenden Gesellschaften zugeordneten Beschäftigungszeiträume zu entnehmen. Alle Beschäftigungen betreffen jeweils zusammenhängende durchgehende Zeiträume. Den beschwerdeführenden Gesellschaften wäre es daher möglich gewesen, in jedem Fall jede einzelne Feststellung eines Beschäftigungszeitraumes konkret zu bestreiten. Dies ist schon in den Verwaltungsverfahren nicht erfolgt und auch in den Beschwerden unterlassen worden.

Die beschwerdeführenden Gesellschaften weisen in der Folge auf die Judikatur zu der Frage hin, wann eine durchgehende Beschäftigung anzunehmen sei; daraus ist für sie nichts gewonnen:

nach den Feststellungen bzw. den genannten Beitragsnachverrechnungen sind nur Beschäftigungsverhältnisse, die einen durchgehenden Zeitraum betrafen, zur Nachverrechnung gelangt. Die beschwerdeführenden Gesellschaften halten dem festgestellten Sachverhalt auch keinen konkreten anderen Sachverhalt entgegen, wenn sie von Vereinbarungen sprechen, die "durchaus möglich gewesen" wären. Der belangten Behörde kann daher nicht entgegen getreten werden, wenn sie die zusammenhängenden Beschäftigungszeiträume nicht als tageweise bzw. fallweise, sondern als durchgehende Beschäftigung beurteilt hat.

Die Feststellungen der belangten Behörde zum "Kilometergeld" lauten derart, dass sie nicht feststellen könne, ob den ausbezahlten Kilometergeldern auch tatsächlich entsprechende Reisebewegungen gegenüber stünden bzw. dass sie nicht feststellen könne, ob alle Kilometergelder tatsächlich ausbezahlt worden seien; andererseits hält sie fest, dass von einer Nichtauszahlung der ausgewiesenen Summen nicht die Rede sein könne.

Der von den beschwerdeführenden Gesellschaften in diesen Feststellungen vermutete Widerspruch liegt tatsächlich vor. Auf Basis dieser Feststellungen durfte die belangte Behörde nicht davon ausgehen, dass die Kilometergelder nicht beitragsfrei seien, wenn nicht einmal feststeht, ob und in welcher Höhe "Kilometergelder" an wen ausbezahlt wurden. In diesem Zusammenhang verweisen die beschwerdeführenden Gesellschaften in der Verfahrensrüge zutreffend auch auf das aufgezeigte Spannungsverhältnis zwischen der Feststellung zum Fehlen glaubwürdiger Aufzeichnungen zur Auszahlung von Kilometergeldern und der Annahme des Finanzamtsprüfers, S 130.000,-- hätten die Gesellschafter selbst vereinnahmt. Damit hat sich die belangte Behörde nicht auseinander gesetzt, weshalb sich die angefochtenen Bescheide in diesem - von den sonst nachverrechneten Beiträgen nicht trennbaren - Punkt als rechtswidrig erweisen.

Die beschwerdeführenden Gesellschaften rügen aber auch, dass die Ermessensentscheidungen zur Verhängung von Beitragszuschlägen unrichtig getroffen worden seien.

Gemäß § 113 Abs. 1 ASVG können in bestimmten Fällen Beitragszuschläge vorgeschrieben werden.

Bei der Ermessensübung gemäß § 113 Abs. 1 ASVG ist nicht nur auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beitragsschuldners und auf die Art des Meldeverstoßes, sondern auch auf das Ausmaß der Verspätung sowie auf den Umstand Bedacht zu nehmen, inwieweit der Dienstgeber bisher seinen Meldeverpflichtungen nachgekommen ist (vgl. das Erkenntnis vom 26. Jänner 2005, Zl. 2004/08/0141).

Die belangte Behörde hat jegliche Begründung zur Verhängung der Beitragszuschläge unterlassen, weshalb sich die angefochtenen Bescheide auch in diesem Punkt als rechtswidrig erweisen.

Die belangte Behörde hat demnach Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Mangels Trennbarkeit der Beitragsnachverrechnung waren die angefochtenen Bescheide zur Gänze gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Wegen der auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden sachlichen Abgabenfreiheit (§ 110 ASVG) waren die Eingabegebühren nicht zu ersetzen.

Wien, am 20. Februar 2008

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