VwGH 2006/06/0162

VwGH2006/06/016217.4.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Khozouei, über die Beschwerde des MP in G, vertreten durch Dr. Alfred Lind, Dr. Klaus Rainer, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Kaiserfeldgasse 22, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom 26. April 2006, GZ. 003705/2005/0009, betreffend Auftrag auf Unterlassung der Nutzung gemäß § 41 Abs. 4 Stmk. Baugesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §38;
AVG §39 Abs2;
BauG Stmk 1995 §40 Abs2;
BauG Stmk 1995 §40 Abs3;
BauG Stmk 1995 §41 Abs4;
BauO Stmk 1968 §57 Abs1 litc;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §38;
AVG §39 Abs2;
BauG Stmk 1995 §40 Abs2;
BauG Stmk 1995 §40 Abs3;
BauG Stmk 1995 §41 Abs4;
BauO Stmk 1968 §57 Abs1 litc;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Graz hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Stadtsenat der Landeshauptstadt G erteilte dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 1. März 2005 den Auftrag, die Nutzung zweier Räumlichkeiten im Erdgeschoss im Ausmaß von je ca. 65 m2 und einer Räumlichkeit im Obergeschoss im Ausmaß von ca. 100 m2 für Wohnzwecke in dem auf dem Grundstück Nr. X, KG G., befindlichen Gebäude zu unterlassen.

In der Berufung beantragte der Beschwerdeführer zum Nachweis dafür, dass das Gebäude vor dem 1. Jänner 1969 errichtet worden sei, die Einvernahme von drei Zeugen (Voreigentümer des Objektes). Weiters führte der Beschwerdeführer aus, dass das Objekt zumindest seit Beginn der Achtziger Jahre bewohnt werde und eine 25 Jahre dauernde Nutzung des Hauses zu Wohnzwecken vorliege. Es sei auch von einem rechtmäßigen Bestand gemäß § 40 Abs. 2 Stmk. Baugesetz auszugehen.

Die belangte Behörde wies die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Begründend führte die belangte Behörde dazu im Wesentlichen aus, es ergebe sich aus dem Akt, dass das gegenständliche Gebäude Teil des ehemaligen städtischen Schlachthofes und daher ein Betriebsgebäude gewesen sei. Anlässlich einer örtlichen Erhebung am 7. Juli 2004 habe das Stadtvermessungsamt festgestellt, dass das Gebäude für Wohnzwecke genutzt werde. In der Berufung habe der Beschwerdeführer ausgeführt, dass das Gebäude nach einem Aktenvermerk seit Beginn der 80-iger Jahre des letzten Jahrhunderts bewohnt werde. Nach der am 1. Jänner 1969 in Kraft getretenen Stmk. Bauordnung 1968 (§ 57 Abs. 1 lit. c) seien Änderungen des Verwendungszweckes von Bauten oder Teilen, die von Einfluss auf die Festigkeit, den Brandschutz, die Sicherheit, die äußere Gestaltung und die gesundheitlichen Verhältnisse sein können, bewilligungspflichtig. Diese Bewilligungspflicht habe auch Anfang der 80-iger Jahre bestanden.

Im Zuge des Berufungsverfahrens sei dem Beschwerdeführer mit der Mitteilung vom 27. Juli 2005 ausdrücklich die Möglichkeit eingeräumt worden, binnen 8 Wochen ab Zustellung des Schreibens Pläne und eine Baubeschreibung mit allen für die Bewilligung maßgebenden Umständen, insbesondere auch mit Angaben über den Verwendungszweck der Bauten, im Sinne des § 57 Stmk. Bauordnung 1968 zweifach der Behörde vorzulegen. Der Vertreter des Beschwerdeführers habe sich nicht geäußert und auch nichts vorgelegt. Die Rechtsfolge der Nichterfüllung dieses Auftrages der Behörde sei im vorliegenden Verfahren, dass der Auftrag zur Unterlassung der Wohnnutzung bestätigt werde, weil ohne Vorlage der für die Prüfung erforderlichen Unterlagen, nämlich Baubeschreibungen und Pläne, die Behörde die Rechtmäßigkeit der Anlage nicht feststellen könne. Aus all diesen Gründen sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen und es sei eine Zeugeneinvernahme für die Klärung des Berufungsbegehrens (nämlich, dass das Gebäude vor dem 1. Jänner 1969 errichtet worden sei) nicht erforderlich gewesen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im vorliegenden Fall ist das Steiermärkische Baugesetz 1995, LGBl. Nr. 59 in der Fassung LGBl. Nr. 78/2003 (Stmk. BauG), anzuwenden.

§ 40 Stmk. BauG lautet wie folgt:

"§ 40

Rechtmäßiger Bestand

(1) Bestehende bauliche Anlagen und Feuerstätten, für die eine Baubewilligung zum Zeitpunkt ihrer Errichtung erforderlich gewesen ist und diese nicht nachgewiesen werden kann, gelten als rechtmäßig, wenn sie vor dem 1. Jänner 1969 errichtet wurden.

(2) Weiters gelten solche bauliche Anlagen und Feuerstätten als rechtmäßig, die zwischen dem 1. Jänner 1969 und 31. Dezember 1984 errichtet wurden und zum Zeitpunkt ihrer Errichtung bewilligungsfähig gewesen wären.

(3) Die Rechtmäßigkeit nach Abs. 2 ist über Antrag des Bauwerbers oder von Amts wegen zu beurteilen. Dabei ist die zum Zeitpunkt der Errichtung des Baues maßgebliche Rechtslage zu berücksichtigen. Liegen die Voraussetzungen nach Abs. 2 vor, hat die Behörde die Rechtmäßigkeit festzustellen. Der Feststellungsbescheid gilt als Bau- und Benützungsbewilligung.

(4) Wird das Feststellungsverfahren von Amts wegen eingeleitet, ist der Objekteigentümer zu beauftragen, die erforderlichen Projektunterlagen binnen angemessener Frist bei der Behörde einzureichen."

Gemäß § 41 Abs. 4 erster Satzteil Stmk. BauG hat die Behörde die Unterlassung der vorschriftswidrigen Nutzung aufzutragen, wenn eine bewilligungspflichtige Änderung des Verwendungszweckes von baulichen Anlagen oder Teilen derselben ohne Bewilligung vorgenommen wurde.

Gemäß § 57 Abs. 1 lit. c Stmk. BauO 1968, LGBl. Nr. 149 in der im Zeitpunkt der in Frage stehenden Nutzungsänderung geltenden Stammfassung, waren Umbauten, Bauveränderungen und Änderungen des Verwendungszweckes von Bauten oder Teilen derselben, die auf die Festigkeit, den Brandschutz, die Sicherheit, die äußere Gestaltung und die gesundheitlichen Verhältnisse von Einfluss sein können oder auf welche die Bestimmungen dieses Gesetzes in Ansehung der Rechte der Nachbarn anzuwenden sind, bewilligungspflichtig.

Der Beschwerdeführer macht geltend, es stehe auf Grund der Aktenlage mit hinreichender Sicherheit fest, dass das gegenständliche Objekt vor dem 1. Jänner 1969 errichtet worden sei. Es liege daher ein rechtmäßiger Bestand vor und es habe keiner weiteren Prüfung der Rechtmäßigkeit auf Grund der in § 40 Abs. 2 Stmk BauG genannten Voraussetzungen bedurft. Die belangte Behörde hätte daher vor Einleitung eines Feststellungsverfahren gemäß § 40 Abs. 2 Stmk. BauG zu prüfen gehabt, ob das gegenständliche Objekt vor dem 1. Jänner 1969 errichtet worden sei. Hätten daran Zweifel bestanden, wäre die Einvernahme der von ihm genannten Zeugen unumgänglich gewesen.

Dem ist entgegenzuhalten, dass die belangte Behörde, indem sie die nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers Anfang der 80- iger Jahre erfolgte Verwendungszweckänderung in dem bestehenden Betriebsgebäude im Lichte des § 40 Abs. 2 Stmk. BauG geprüft hat, implizit davon ausgegangen ist, dass das bestehende und unbestritten vor dem 1. Jänner 1969 errichtete Betriebsgebäude im Sinne des § 40 Abs. 1 Stmk. BauG als rechtmäßig anzusehen war. Die für die belangte Behörde im Hinblick auf § 40 Abs. 2 Stmk. BauG maßgeblichen Fragen waren aber, ob die unbestritten erfolgte Änderung der betrieblichen Nutzung von Räumlichkeiten in eine solche zu Wohnzwecken nach dem im Zeitpunkt der Veränderung geltenden Rechtslage bewilligungspflichtig und bejahendenfalls, ob sie genehmigungsfähig gewesen sei. Die belangte Behörde hat die Frage der Bewilligungspflicht angesichts des wiedergegebenen, im Zeitpunkt der Nutzungsänderung geltenden § 57 Abs. 1 lit. c Stmk. Bauordnung 1968 zu Recht bejaht. Die Bewilligungspflicht von Nutzungsänderungen wurde nach dem Wortlaut dieser Bestimmung ("sein können") bereits durch die Möglichkeit des Einflusses auf die genannten Kriterien ausgelöst (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 1992, Zl. 90/06/0129, und die in diesem dazu angeführte hg. Vorjudikatur). Die Änderung des Verwendungszweckes von Räumen in einem Gebäude von betrieblicher Nutzung in Wohnnutzung kann im Hinblick auf den Brandschutz und die gesundheitlichen Verhältnisse von Einfluss auf die betreffenden Teile des Gebäudes sein, weil die Räume bei der Wohnnutzung im Regelfall wesentlich intensiver und durchgehend benutzt werden (insbesondere betreffend die Küchennutzung und die Heizung) und eine Nutzung zu Wohnzwecken allenfalls weitergehender sanitärer Einrichtungen bedarf.

Mit der weiteren Frage des Vorliegens eines rechtmäßigen Bestandes in Bezug auf die verfahrensgegenständliche Verwendungszweckänderung gemäß § 40 Abs. 2 Stmk. BauG hat sich die belangte Behörde aber nicht in rechtmäßiger Weise auseinander gesetzt. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits zu § 40 Abs. 2 Stmk. BauG ausgesprochen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 20. Juni 2001, Zl. 99/06/0130, und vom 20. Juni 2002, Zl. 2000/06/0124), dass die in einem eine andere Hauptfrage betreffenden baurechtlichen Verfahren eine maßgebliche Rolle spielende Frage des Vorliegens eines rechtmäßigen Bestandes im Sinne dieser Bestimmung als Vorfrage zu klären ist. Danach kann auf das Vorliegen eines rechtmäßigen Bestandes im Sinne dieser Bestimmung nicht nur dann abgestellt werden, wenn ein entsprechender bescheidmäßiger Abspruch über diese Frage in einem Feststellungsverfahren gemäß § 40 Abs. 3 Stmk. BauG erfolgt ist. Im Falle einer solchen Vorfragenbeurteilung hat die Behörde dazu von Amts wegen entsprechende Ermittlungen durchzuführen und auf deren Grundlage die Frage des Vorliegens oder Nichtvorliegens eines rechtmäßigen Bestandes im Sinne des § 40 Abs. 2 Stmk. BauG zu beantworten. Indem sich die belangte Behörde mit der Frage des Vorliegens eines rechtmäßigen Bestandes unter Berufung auf die Nichtvorlage von Bauplänen nach entsprechender Aufforderung in dem von Amts wegen eingeleiteten Feststellungsverfahren nicht mehr auseinander gesetzt hat, hat sie keine ausreichende Vorfragenbeurteilung dazu im vorliegenden Verwaltungsverfahren vorgenommen. Auch ein parallel geführtes, von Amts wegen eingeleitetes Feststellungsverfahren gemäß § 40 Abs. 2 und 3 Stmk. BauG entbindet die Behörde, solange keine rechtskräftige Entscheidung in dem Feststellungsverfahren darüber vorliegt, nicht, über diese Frage in dem anderen baurechtlichen Verwaltungsverfahren als Vorfrage abzusprechen oder das Verfahren gemäß § 38 AVG auszusetzen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Ausspruch auf Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003 im Rahmen des Kostenbegehrens.

Wien, am 17. April 2007

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