Normen
62001CJ0249 Hackermüller VORAB;
BVergG 2002 §105;
LVergabenachprüfungsG OÖ 2002 §2 Abs5;
LVergabenachprüfungsG OÖ 2002 §4 Abs1 Z3;
LVergabenachprüfungsG OÖ 2002 §4 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
62001CJ0249 Hackermüller VORAB;
BVergG 2002 §105;
LVergabenachprüfungsG OÖ 2002 §2 Abs5;
LVergabenachprüfungsG OÖ 2002 §4 Abs1 Z3;
LVergabenachprüfungsG OÖ 2002 §4 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin hat als öffentliche Auftraggeberin mit Bekanntmachung vom 15. Mai 2003 einen Bauauftrag betreffend Portale, Fenster und Glasfassade für die Erweiterung eines näher genannten Gebäudes im offenen Verfahren ausgeschrieben, woraufhin die mitbeteiligte Partei und ein weiterer Bieter Angebote gelegt haben.
Mit Telefax der beschwerdeführenden Auftraggeberin vom 10. Juli 2003 wurde das Vergabeverfahren (gemeint: die Ausschreibung) gemäß § 105 Bundesvergabegesetz 2002 (BVergG 2002) widerrufen.
Diesen Widerruf bekämpfte die mitbeteiligte Partei mit ihrem Nachprüfungsantrag vom 20. August 2003 und begehrte die Nichtigerklärung des Widerrufs sowie (in eventu) die Feststellung, dass der Widerruf infolge eines Verstoßes gegen das BVergG 2002 rechtswidrig gewesen sei.
Dagegen wendete die beschwerdeführende Auftraggeberin in ihrer Äußerung vom 10. September 2003 (u.a.) ein, dass der mitbeteiligten Partei die Legitimation für den gegenständlichen Nachprüfungsantrag fehle, weil die von ihr angebotene Fassade nicht ausschreibungskonform sei (die mitbeteiligte Partei habe eine "Pfosten-Riegel-Konstruktion" angeboten, die gegenüber der ausgeschriebenen Fassade aus konkret dargelegten Gründen ein anderes optisches Erscheinungsbild aufweise und eine billigere Konstruktionsart darstelle). Die Mängel des Angebotes der mitbeteiligten Partei seien trotz Aufforderung nicht verbessert worden bzw. nicht verbesserungsfähig gewesen. Da die mitbeteiligte Partei auf Grund ihres ausschreibungswidrigen Angebotes für den Zuschlag ohnedies nicht in Betracht komme, könne sie durch den angefochtenen Widerruf der Ausschreibung nicht beschwert sein. Daher könne der mitbeteiligten Partei durch den Widerruf der Ausschreibung kein Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 des Oö. Vergabenachprüfungsgesetzes entstehen, der nach dieser Bestimmung aber Voraussetzung für den eingebrachten Feststellungsantrag sei. Die beschwerdeführende Auftraggeberin beantragte daher, die belangte Behörde möge den Nachprüfungsantrag als unzulässig zurückweisen, in eventu abweisen. Außerdem stellte sie den Antrag, die belangte Behörde möge gemäß § 2 Abs. 5 letzter Satz Oö. Vergabenachprüfungsgesetz feststellen, dass die mitbeteiligte Partei auch bei Einhaltung der Bestimmungen des BVergG 2002 keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlages gehabt hätte.
In der Folge erließ die belangte Behörde den Bescheid vom 22. September 2003, mit dem sie den Nachprüfungsantrag der mitbeteiligten Partei abwies. Dieser Bescheid wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 23. Juni 2005, B 1478/03- 10, aufgehoben, weil die mitbeteiligte Partei in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung verletzt worden sei.
Mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen (Ersatz-)Bescheid vom 31. Jänner 2006 gab die belangte Behörde nach durchgeführter mündlicher Verhandlung (in der die Beschwerdeführerin ihre schriftlichen Anträge aufrecht hielt) dem Nachprüfungsantrag der mitbeteiligten Partei insoweit statt, als festgestellt wurde, dass der Widerruf der Ausschreibung weder dem § 105 Abs. 1 noch dem § 105 Abs. 2 BVergG 2002 entsprochen habe. In der Begründung legte sie dar, weshalb der Widerruf durch die genannten Bestimmungen nicht gedeckt sei. Ob aber das Angebot der mitbeteiligten Partei "a priori nicht ausschreibungskonform auszuscheiden gewesen wäre", stelle nach Ansicht der belangten Behörde eine "hier nicht zu beurteilende Frage" dar, weil es im gegenständlichen Verwaltungsverfahren nur um die Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Ausschreibung gehe. Zum Antrag der Beschwerdeführerin, die belangte Behörde möge gemäß § 2 Abs. 5 zweiter Satz Oö. Vergabenachprüfungsgesetz feststellen, dass die mitbeteiligte Partei als Bieterin auch bei Einhaltung der Bestimmungen des BVergG 2002 keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlages gehabt hätte, finden sich im angefochtenen Bescheid keine Ausführungen.
Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Auftraggeberin die nun vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof auf Grund des übermittelten Verwaltungsaktes und der sowohl durch die belangte Behörde als auch durch die mitbeteiligte Partei erstatteten Gegenschriften erwogen hat:
In der Beschwerde verweist die beschwerdeführende Auftraggeberin auf ihren Schriftsatz vom 10. September 2003 und die darin enthaltenen Anträge, die, wie bereits erwähnt, insbesondere auf die Zurückweisung des Nachprüfungsantrages der mitbeteiligten Partei infolge Fehlens der Antragslegitimation (sowie auf Feststellung gemäß § 2 Abs. 5 zweiter Satz Oö. Vergabenachprüfungsgesetz, dass die mitbeteiligte Partei auch bei Einhaltung der Bestimmungen des BVergG 2002 keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlags gehabt hätte) gerichtet waren. Schon in diesem Schriftsatz habe die Beschwerdeführerin im Einzelnen dargelegt, weshalb das Angebot der mitbeteiligten Partei hätte ausgeschieden werden müssen. Wenn die belangte Behörde die Auffassung vertrete, dass dieser Umstand rechtlich ohne Bedeutung sei, so verkenne sie, dass § 4 Abs. 1 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz als Voraussetzung für einen Feststellungsantrag einen Schaden des Unternehmers durch die behauptete Rechtswidrigkeit verlange. Diese Voraussetzung sei bei der mitbeteiligten Partei zu verneinen, weil ihr Angebot schon infolge der dargestellten Ausschreibungswidrigkeit nicht zum Zuschlag habe führen können.
Die hier maßgebenden Bestimmungen des Oö. Vergabenachprüfungsgesetzes, LGBl. Nr. 153/2002, lauten auszugsweise:
"§ 2
Nachprüfungsbehörde
...
(5) Nach dem Widerruf einer Ausschreibung ist der unabhängige Verwaltungssenat zuständig festzustellen, ob der Widerruf wegen eines Verstoßes gegen das BVergG rechtswidrig war. In einem solchen Verfahren ist er ferner zuständig, auf Antrag des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin festzustellen, ob der Antragsteller oder die Antragstellerin auch bei Einhaltung der Bestimmungen des BVergG und der dazu ergangenen Verordnungen keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlages gehabt hätte.
§ 4
Einleitung des Nachprüfungsverfahrens nach Zuschlagserteilung
oder
Widerruf
(1) Ein Unternehmer bzw. eine Unternehmerin, der bzw. die ein Interesse am Abschluss eines dem BVergG unterliegenden Vertrages hatte, kann nach erfolgter Zuschlagserteilung bzw. nach Widerruf einer Ausschreibung, sofern ihm bzw. ihr durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist, beim unabhängigen Verwaltungssenat die Feststellung beantragen, dass
- 1. ...
- 2. ...
- 3. der Widerruf einer Ausschreibung wegen eines Verstoßes gegen das BVergG rechtswidrig war."
Im vorliegenden Beschwerdefall kann dahingestellt bleiben, ob der Umstand, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid über den Antrag der Beschwerdeführerin im Sinne des § 2 Abs. 5 letzter Satz Oö. Vergabenachprüfungsgesetz nicht abgesprochen hat, mit der vorliegenden Bescheidbeschwerde bekämpft werden kann.
Der angefochtene Bescheid ist schon deshalb rechtswidrig, weil die belangte Behörde unzutreffend angenommen hat, sie müsse sich im Rahmen des vorliegenden Verfahrens mit der Frage, ob das Angebot der mitbeteiligten Partei ausschreibungswidrig und daher auszuscheiden gewesen wäre, nicht auseinander setzen. Der Verwaltungsgerichtshof hat nämlich mittlerweile in mehreren Erkenntnissen dargelegt, dass die Nachprüfungsbehörde bei hinreichend konkreten Einwänden einer Verfahrenspartei verpflichtet ist, bei der Beurteilung, ob dem Antragsteller durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden (hier: im Sinne des § 4 Abs. 1 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz) entstanden ist oder droht und sein Antrag daher zulässig ist, auch zu prüfen, ob das Angebot des Antragstellers auszuscheiden gewesen wäre (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 18. März 2009, Zl. 2007/04/0095, vom 27. Mai 2009, Zl. 2008/04/0041, und vom 11. November 2009, Zl. 2009/04/0240, unter Bezugnahme auf das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 19. Juni 2003 in der Rechtssache C-249/01 , Hackermüller). Diese zur Nachprüfung von Zuschlagsentscheidungen ergangene Rechtsprechung ist auch für die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Ausschreibung maßgebend, weil - wie dargestellt - auch für einen diesbezüglichen Antrag ein Schaden des Antragstellers Voraussetzung ist.
Da die belangte Behörde somit trotz konkreter Einwände der Beschwerdeführerin, das Angebot der mitbeteiligte Partei wäre auszuscheiden gewesen, über den Nachprüfungsantrag vom 20. August 2003 inhaltlich entschieden hat, ohne zunächst die Zulässigkeit dieses Antrages auch im Hinblick auf einen Schaden der mitbeteiligten Partei zu prüfen, erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Das Mehrbegehren betreffend Umsatzsteuer war abzuweisen, weil diese bereits durch die Pauschalbeträge der genannten Verordnung abgedeckt ist.
Wien, am 24. Februar 2010
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