Normen
AsylG 1997 §8 Abs2;
AsylG 2005 §10 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;
AsylG 1997 §8 Abs2;
AsylG 2005 §10 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;
Spruch:
I. zu Recht erkannt:
Spruchpunkt 3. der angefochtenen Bescheide (Ausweisung der Beschwerdeführer) wird jeweils wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von je EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
II. den Beschluss gefasst:
Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.
Begründung
Die Beschwerdeführer sind serbische Staatsangehörige. Sie sind die in Österreich geborenen minderjährigen Kinder der S.J. (vgl dazu das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag Zl. 2006/01/0886).
Die Beschwerdeführer beantragten - vertreten durch ihre Mutter - am 30. März 2004 Asyl. Sie machten keine eigenen Fluchtgründe geltend, sondern verwiesen auf die Fluchtgründe ihrer Mutter.
Mit den angefochtenen Bescheiden der belangten Behörde wurden die Berufungen der Beschwerdeführer gegen die - ihre Asylanträge abweisenden - Bescheide des Bundesasylamtes je vom 27. Juni 2005 gemäß § 7 Asylgesetz 1997 idF der Novelle BGBl. I Nr. 101/2003 (AsylG) abgewiesen (Spruchpunkt 1.), gemäß § 8 Abs. 1 AsylG festgestellt, dass ihre Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung "nach der Republik Serbien (nicht Provinz Kosovo)" zulässig ist (Spruchpunkt 2.) und sie gemäß § 8 Abs. 2 AsylG dorthin ausgewiesen (Spruchpunkt 3.).
In der Begründung zu den Ausweisungsentscheidungen führte die belangte Behörde lediglich aus, dass im Verfahren nicht hervorgekommen sei, dass die Beschwerdeführer "durch Verbringung nach Serbien" in ihrem Recht auf Privat- und Familienleben im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EMRK berührt wären. "Hervorzuheben" sei, dass auch hinsichtlich der Mutter der Beschwerdeführer Asyl und Abschiebeschutz versagt und diese ebenfalls nach Serbien ausgewiesen worden sei.
Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der unter anderem geltend gemacht wird, dass sich die belangte Behörde mit dem Berufungsvorbringen, die Beschwerdeführer würden in Österreich zur Schule gehen und seien hier gänzlich integriert, nicht auseinandergesetzt habe.
Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber erwogen:
Zu I.:
Ausgehend von den im hg. Erkenntnis vom 26. Juni 2007, Zl. 2007/01/0479, mit Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) vom 17. März 2005, VfSlg. 17.516, dargestellten Rechtsgrundsätzen haben die Asylbehörden gemäß § 8 Abs. 2 AsylG ihre den Asylantrag abweisende und Refoulementschutz verneinende Entscheidung im Regelfall mit einer Ausweisung des Asylwerbers in den Herkunftsstaat zu verbinden.
Eine Ausweisung hat jedoch nicht zu erfolgen, wenn dadurch in die grundrechtliche Position des Asylwerbers eingegriffen wird. Dabei ist auf das Recht auf Achtung seines Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK Bedacht zu nehmen. In diesem Zusammenhang erfordert Art. 8 Abs. 2 EMRK eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffs und verlangt somit eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen (vgl. auch hiezu das zitierte hg. Erkenntnis vom 26. Juni 2007, Zl. 2007/01/0479, mwN sowie auch bereits zur neuen Rechtslage des AsylG 2005 das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 2008, Zl. 2008/01/0060, mwN).
In dem - zu einer Ausweisung nach dem Asylgesetz 2005 - ergangenen Erkenntnis vom 29. September 2007, VfSlg. 18.224, führte der VfGH aus, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) habe fallbezogen unterschiedliche Kriterien herausgearbeitet, die bei einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Art. 8 EMRK einer Ausweisung entgegensteht. Hiebei nennt der VfGH - jeweils mit Hinweisen auf Rechtsprechung des EGMR - die Aufenthaltsdauer, die vom EGMR an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft werde, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung. Letztlich hebt der VfGH hervor, dass auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, bei der Abwägung in Betracht zu ziehen sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2007, Zl. 2006/01/0216-0219 und das zitierte Erkenntnis vom 20. Juni 2008, Zl. 2008/01/0060).
In den vorliegenden Fällen hat die belangte Behörde zu den für die Frage der Ausweisungen der Beschwerdeführer fallbezogen in Betracht kommenden Kriterien keinerlei Feststellungen getroffen bzw. die erforderliche Interessensabwägung nicht vorgenommen. Die Annahme der belangten Behörde, dass im Verfahren keine Anhaltspunkte für einen Eingriff in die Rechte der Beschwerdeführer nach Art. 8 Abs. 1 EMRK hervorgekommen seien, erweist sich schon infolge des seit ihrer Geburt bestehenden Aufenthalts des Erst- und Zweitbeschwerdeführers bzw. des zumindest elfjährigen Aufenthalts des Drittbeschwerdeführers in Österreich sowie angesichts der Berufungsvorbringen (Schulbesuch in Österreich der Zweit- und Drittbeschwerdeführer) als unberechtigt.
Die angefochtenen Bescheide sind demnach hinsichtlich ihrer Spruchpunkte 3. einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof nicht zugänglich.
Die belangte Behörde hat die angefochtenen Bescheide insofern mit Begründungsmängeln behaftet, sodass sie in diesem Umfang wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben waren.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455, insbesondere deren § 3 Abs. 2.
Zu II.:
Gemäß Art. 131 Abs. 3 B-VG und § 33a VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates durch Beschluss ablehnen, wenn die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wird, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Beschwerde wirft - soweit sie sich auf die Spruchpunkte 1. und 2. der angefochtenen Bescheide bezieht - keine für die Entscheidung dieser Fälle maßgeblichen Rechtsfragen auf, denen im Sinne der zitierten Bestimmungen grundsätzliche Bedeutung zukäme. Gesichtspunkte, die dessen ungeachtet gegen eine Ablehnung der Beschwerde sprechen würden, liegen nicht vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat daher beschlossen, die Behandlung der Beschwerde in diesem Umfang abzulehnen.
Wien, am 23. September 2009
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