VwGH 2006/01/0248

VwGH2006/01/024815.1.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des M R (geboren 1980) in W, vertreten durch Dr. Axel Anderl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Dr. Karl Lueger-Ring 10, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 21. Februar 2006, Zl. 266.644/0- XIV/39/05, betreffend Zurückweisung der Berufung in einer Asylangelegenheit und § 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8 Abs1;
AVG §13 Abs3;
AVG §63 Abs3;
AVG §66 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8 Abs1;
AVG §13 Abs3;
AVG §63 Abs3;
AVG §66 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem erstinstanzlichen Bescheid des Bundesasylamtes vom 24. November 2005 wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers vom 31. Oktober 2005 gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) abgewiesen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 leg. cit. festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach "Serbien-Montenegro mit Ausnahme des Kosovo" zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Dagegen erhob der Beschwerdeführer am 13. Dezember 2005 Berufung. Diese Berufung wurde gegen die "Spruchteile I, II und III" erhoben. Das Rechtsmittel enthält folgende Anträge:

"1) eine Ergänzung des Ermittlungsverfahrens auf Grund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, wie unten dargestellt, anzuordnen;

  1. 2) eine mündliche Verhandlung durchzuführen;
  2. 3) mir nach dem AsylG 1997 Asyl zu gewähren;
  3. 4) Gem. § 8 (1) AsylG 1997 festzustellen, dass meine Zurückweisung, Zurückschiebung und Abschiebung nach gem. § 57 FrG nicht zulässig ist;

    in eventu

    5) mir gemäß § 15 AsylG 1997 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr zu erteilen;

    6) Spruchteil III ersatzlos zu beheben.".

    Die Berufung enthält danach den handschriftlichen Zusatz "Begründung folgt" und die Unterschrift des Beschwerdeführers.

    Am 20. Dezember 2005 langte bei der Erstbehörde ein als "Berufungsbegründung (hiermit nachgereicht)" bezeichneter Schriftsatz ein, der Ausführungen "Ad II) Non refoulement-Prüfung" enthält. Dieser Schriftsatz wurde an die belangte Behörde weitergeleitet und langte dort am 22. Dezember 2005 ein.

    Mit einem Schreiben vom 20. Dezember 2005 (dem Beschwerdeführer zugestellt am 23. Dezember 2005) forderte die belangte Behörde den Beschwerdeführer auf, binnen 14 Tagen eine Berufungsergänzung nachzureichen; bei fruchtlosem Ablauf der Frist werde sein Anbringen zurückgewiesen.

    Mit einem am 4. Jänner 2006 zur Post gegebenen (bei der belangten Behörde am 10. Jänner 2006 eingelangten) Schreiben erstattete der Beschwerdeführer folgende (weitere) Ausführungen:

    "Betreff: Aufenthaltsbewilligung

    Ich R. M. gebe hiermit Gründe an in Österreich bleiben zu können.

    Meine Frau H. R. und meine drei Kinder und ein viertes Kind ist unterwegs sind wohnhaft in Wien.

    Habe keine Verwandte in Serbien und werde in Serbien nicht so schnell eine gute Arbeitsstelle finden.

    Liebe meine Frau und meine Kinder über alles und möchte sie nicht hier alleine lassen.

    Möchte Sie hiermit bitten um eine Aufenthaltsbewilligung in Wien - Österreich. Danke!"

    Mit dem angefochtenen Bescheid vom 21. Februar 2006 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen Spruchteil I. des erstinstanzlichen Bescheides gemäß § 63 Abs. 3 AVG als unzulässig zurück (Spruchpunkt I.) und die Berufung des Beschwerdeführers gegen Spruchteil II. des erstinstanzlichen Bescheides gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ab (Spruchpunkt II.).

    Zur Zurückweisung der Berufung gegen den Asylteil des erstinstanzlichen Bescheides führte die belangte Behörde aus, der Berufung des Beschwerdeführers sei auch unter Berücksichtigung der hg. Rechtsprechung, wonach an eine von einem der deutschen Sprache nicht kundigen und rechtsfreundlich nicht vertretenen Asylwerber eingebrachte Berufung keine allzu strengen Anforderungen gestellt werden dürften, "nicht einmal ansatzweise entnehmbar, worin die Unrichtigkeit des bekämpften Bescheides bezüglich des Abspruches im Sinne des § 7 AsylG gelegen sein soll". Damit fehle es an einem begründeten Berufungsantrag im Sinne des § 63 Abs. 3 AVG. Die weitere Begründung des angefochtenen Bescheides betrifft danach die Abweisung der Berufung im Umfang des Spruchteiles II. des erstinstanzlichen Bescheides.

    Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

    Gemäß § 63 Abs. 3 AVG hat die Berufung (auch) einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten.

    Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargetan hat, darf die Bestimmung des § 63 Abs. 3 AVG, wonach die Berufung einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten hat, im Geiste des Gesetzes nicht formalistisch ausgelegt werden. Die Berufung müsse wenigstens erkennen lassen, was die Partei anstrebe und womit sie ihren Standpunkt vertreten zu können glaubt (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 2002, Zl. 2001/02/0130).

    Die vom Beschwerdeführer am 13. Dezember 2005 erhobene (an diesem Tag bei der Erstbehörde eingelangte) Berufung ließ das Ziel des Berufungswerbers erkennen, nach Ergänzung des Ermittlungsverfahrens seinem Asylantrag stattzugeben und gemäß § 8 Abs. 1 AsylG die Unzulässigkeit seiner Abschiebung in den Herkunftsstaat festzustellen.

    Eine Begründung zu diesem Berufungsbegehren enthielt die Berufung aber nicht.

    Gemäß § 13 Abs. 3 AVG ermächtigen Mängel schriftlicher Anbringen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird.

    Die belangte Behörde hat (mit einem Schreiben vom 20. Dezember 2005) den Beschwerdeführer ausdrücklich aufgefordert, eine Berufungsergänzung nachzureichen. Bei Erteilung dieses Verbesserungsauftrages hat sie unterlassen, anzugeben, inwieweit seiner Berufung eine vom Gesetz geforderte Eigenschaft fehle. Die belangte Behörde wäre aber verpflichtet gewesen, in ihrem Aufforderungsschreiben an den Beschwerdeführer den ihrer Ansicht nach vorliegenden Mangel der unterbliebenen Begründung zu § 7 AsylG (Asylentscheidung) konkret zu bezeichnen (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 27. März 2007, Zl. 2005/11/0216; und Hengstschläger/Leeb, AVG, § 13, RZ 29).

    Steht (weil kein den inhaltlichen Anforderungen entsprechender Verbesserungsauftrag erteilt wurde) demnach nicht fest, dass hinsichtlich der Asylentscheidung ein begründeter Berufungsantrag im Sinne des § 63 Abs. 3 AVG nicht vorliegt, dann durfte die Berufung in diesem Umfang nicht als unzulässig zurückgewiesen werden. Damit erweist sich der gesamte angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet, weil dem Spruchteil II. des angefochtenen Bescheides (betreffend die Zulässigkeit der Abschiebung) die Voraussetzung der abweislichen Asylentscheidung fehlt.

    Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

    Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008.

    Wien, am 15. Jänner 2009

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