VwGH 2006/01/0029

VwGH2006/01/002910.4.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerden 1) des PE in W, geboren 1972, vertreten durch Dr. Wolfgang Rainer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schwedenplatz 2/74, und 2) des Bundesministers für Inneres, jeweils gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 1. Dezember 2005, Zl. Senat-B-00-030, betreffend § 67a Abs. 1 Z 2 AVG, 1) protokolliert zur hg. Zl. 2006/01/0029, 2) protokolliert zur hg. Zl. 2006/01/0030,

Normen

AVG §79a Abs7;
AVG §79a Abs7;

 

Spruch:

1. zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchpunkt II. insoweit, als er damit die zugrundeliegende Administrativbeschwerde in Sachen "Durchsuchung des Zimmer Nr. 1, der persönlichen Besitztümer und der Schlafstelle des Beschwerdeführers" als unbegründet abweist, auf Grund der Beschwerde zur Zl. 2006/01/0029 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, in seinem Spruchpunkt III. auf Grund beider Beschwerden und in seinem Spruchpunkt IV. auf Grund der Beschwerde zur Zl. 2006/01/0029 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer zur Zl. 2006/01/0029 Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2. den Beschluss gefasst:

Die Behandlung der Beschwerden wird, soweit sie sich gegen weitere Spruchpunkte des bekämpften Bescheides richten, abgelehnt.

Begründung

Am Abend des 17. Jänner 2000 kam es zu einem groß angelegten Gendarmerieeinsatz im Haus Nr. 3 der Außenstelle Traiskirchen des Bundesasylamtes (Flüchtlingslager), von dem auch der Beschwerdeführer zur Zl. 2006/01/0029 (Mitbeteiligter zur Zl. 2006/01/0030, im Folgenden als Beschwerdeführer bezeichnet) betroffen war.

In seiner an die belangte Behörde gerichteten Beschwerde "gemäß §§ 67a Abs. 1 Z. 2 AVG und 88, 89 SPG" stellte der Beschwerdeführer den Antrag,

"a) die ... Durchsuchung des Zimmers Nr. 1 sowie der dort befindlichen persönlichen Besitztümer und Schlafstelle ...

b) die ... Festnahme ... am Lokalbahnhof Traiskirchen und

seine Verbringung und Anhaltung im Cafe Ali sowie im

Gendarmerieposten Traiskirchen ...

c) die ... neuerliche Festnahme und Konfinierung ... im

Korridor und schließlich im Zimmer Nr. 3 des Hauses

Nr. 3/Flüchtlingslager ...

d) die Fesselung ... im Cafe Ali ... bis zu seiner

Freilassung am Gendarmerieposten Traiskirchen ...

e) die Fesselung ... im Korridor des Hauses Nr. 3 ...

f) die ... am Lokalbahnhof Traiskirchen vorgenommene

Personsdurchsuchung ...

g) die ... im Cafe Ali vorgenommene Personsdurchsuchung,

verbunden mit den Anordnungen, sich coram publico völlig zu entkleiden, in vornübergebeugter Haltung seine Pobacken zwecks Begutachtung seiner Analgegend auseinanderzuhalten und noch zehn bis 15 Minuten nackt zu verharren ...

h) die ... am Korridor des Hauses Nr. 3 im Flüchtlingslager Traiskirchen vorgenommene Personsdurchsuchung ...

i) die erfolgte Identitätsfeststellung und Anfertigung von Lichtbildern im Cafe Ali ...

j) die erfolgte Identitätsfeststellung und Anfertigung von Lichtbildern am Gendarmerieposten Traiskirchen ...

k) die erfolgte Identitätsfeststellung und Anfertigung von Lichtbildern im Korridor des Hauses Nr. 3 des Flüchtlingslagers Traiskirchen ...

für rechtswidrig zu erklären, sowie

l) die Verletzung ... im Recht auf Inkenntnissetzung über

Anlass und Zweck des Einschreitens im Zuge seiner Festnahme und

Anhaltung von circa 19.30 Uhr bis circa 21.00 Uhr ...

m) die Verletzung ... im Recht auf Inkenntnissetzung über

Anlass und Zweck des Einschreitens im Zuge seiner neuerlichen

Festnahme und Anhaltung von circa 21.30 Uhr bis circa 24.00 Uhr ...

n) die Verletzung ... im Recht auf Verständigung von der

Möglichkeit zur Verständigung oder Beiziehung einer Vertrauensperson oder eines Rechtsbeistandes im Zuge seiner Festnahme und seiner Anhaltung von circa 19.30 Uhr bis circa 21.00 Uhr ...

o) die Verletzung ... im Recht auf Verständigung von der Möglichkeit zur Verständigung oder Beiziehung einer Vertrauensperson oder eines Rechtsbeistandes im Zuge seiner neuerlichen Festnahme und seiner Anhaltung von circa 21.30 Uhr bis circa 24.00 Uhr ...

p) die Verletzung des Beschwerdeführers im Recht auf unvoreingenommene und höfliche Behandlung

festzustellen sowie

q) dem Beschwerdeführer die Kosten des Beschwerdeverfahrens zuzuerkennen."

Über diese Beschwerde entschied die belangte Behörde letztlich wie folgt:

"I.

Der Beschwerdeführer ... ist dadurch, dass am Abend des 17.1.2000 im Zuge eines gemeinsamen Einsatzes verschiedener Einheiten der Bundesgendarmerie, Organen der Sicherheitsdirektion für das Bundesland NÖ, mit dem Ziel, teils namentlich bekannter, teils nur einem verdeckten Ermittler optisch erinnerlicher, des organisierten bandenmäßigen Suchtgiftstraßenverkaufs Verdächtiger habhaft zu werden

A) nach dem Aussteigen aus der Badner Lokalbahn gegen

19.30 Uhr im Bahnhofsgelände von Traiskirchen festgenommen, zuerst im Cafe Ali und anschließend bis gegen 21.00 Uhr am GP Traiskirchen angehalten wurde in seinem gemäß Art. 1 PersFrG und Art. 5 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit,

B) von den festnehmenden Beamten noch am Bahnhofsgelände seine Kleidung durchsucht wurde, in seinem gemäß § 139 Abs. 2 StPO und § 40 Abs. 2 SPG einfachgesetzlich gewährleisteten Recht, nur begründet einer Durchsuchung seiner Kleidung unterworfen zu werden,

C) ihm während der Amtshandlung von ca. 19.30 Uhr bis zur Entlassung um ca. 21.00 Uhr weder der Grund noch der Zweck der Amtshandlung bekanntgegeben wurde, in seinen gemäß Art. 4 Abs. 6 PersFrG und Art. 5 Abs. 2 EMRK verfassungsgesetzlich und in seinen gemäß § 178 StPO und § 30 Abs. 1 Z 1 SPG einfachgesetzlich gewährleisteten Rechten,

D) ihm während der Anhaltung von ca. 19.30 Uhr bis zur Entlassung um ca. 21.00 Uhr nicht mitgeteilt wurde, dass er einen Angehörigen, eine Person seines Vertrauens oder einen Rechtsbeistand verständigen könne, in seinen gemäß Art. 4 Abs. 7 PersFrG verfassungsgesetzlich und in seinen gemäß § 178 StPO und § 30 Abs. 1 Z 3 SPG einfachgesetzlich gewährleisteten Rechten,

E) er sich nach der Verbringung ins Cafe Ali anlässlich der fortgesetzten Personenkontrolle bis auf die Unterhose entkleiden musste und in der Position 'An-die-Wand-gelehnt' visitiert wurde und dadurch, dass von einem Beamten seine abgelegte Kleidung durchsucht wurde, in seinem gemäß Art. 3 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht, keiner unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung und in seinem gemäß § 139 Abs. 2 StPO und § 40 Abs. 2 SPG einfachgesetzlich gewährleisteten Recht, nur begründet einer Durchsuchung seiner Kleidung unterworfen zu werden,

F) von ihm im Cafe Ali mit einer Polaroidkamera zum Zweck der Einsichtnahme und Auswertung durch einen verdeckten Ermittler ein Lichtbild angefertigt wurde, in seinem einfachgesetzlich gewährleisteten Recht, nur in dem vom § 35 Abs. 2 SPG normierten Umfang an der Identitätsfeststellung mitwirken zu müssen,

G) ihm im Verlauf der Amtshandlung im Cafe Ali grundlos eine Plastikeinweghandfessel angelegt und diese erst mit der Entlassung vom GP Traiskirchen abgenommen wurde, in seinem gemäß Art. 3 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht, keiner unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterworfen zu werden,

H) von ihm am GP Traiskirchen mit einer Polaroidkamera zum Zweck der Einsichtnahme und Auswertung durch einen verdeckten Ermittler ein Lichtbild angefertigt wurde, in seinem einfachgesetzlich gewährleisteten Recht, nur in dem vom § 35 Abs. 2 SPG normierten Umfang an der Identitätsfeststellung mitwirken zu müssen,

I) er nach seinem Eintreffen im Lager Traiskirchen gegen

21.30 Uhr auf Veranlassung der Eingangskontrolle neuerlich festgenommen und zur weiteren Überprüfung im Haus 3 auf Zimmer Nr. 3 angehalten wurde, in seinem gemäß Art. 1 PersFrG und Art. 5 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit,

J) er aus Anlass der neuerlichen Festnahme visitiert wurde, in seinem gemäß § 139 Abs. 2 StPO und § 40 Abs. 2 SPG einfachgesetzlich gewährleisteten Recht, nur begründet einer Durchsuchung seiner Kleidung unterworfen zu werden,

K) ihm nach der Visitierung für die Dauer der Anhaltung im Zimmer Nr. 3 grundlos eine Plastikeinweghandfessel angelegt und diese erst mit der Entlassung aus dem Zimmer Nr. 3 abgenommen wurde, in seinem gemäß Art. 3 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht, keiner unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterworfen zu werden,

L) von ihm anlässlich der neuerlichen Festnahme mit einer Polaroidkamera zum Zweck der Einsichtnahme und Auswertung durch einen verdeckten Ermittler ein Lichtbild angefertigt wurde, in seinem einfachgesetzlich gewährleisteten Recht, nur in dem vom § 35 Abs. 2 SPG normierten Umfang an der Identitätsfeststellung mitwirken zu müssen,

M) ihm nach der neuerlichen Festnahme im Lager Traiskirchen weder der Grund noch der Zweck der Amtshandlung bekanntgegeben wurde, in seinen gemäß Art. 4 Abs. 6 PersFrG und Art. 5 Abs. 2 EMRK verfassungsgesetzlich und in seinen gemäß § 178 StPO und § 30 Abs. 1 Z 1 SPG einfachgesetzlich gewährleisteten Rechten,

N) ihm nach der neuerlichen Festnahme im Lager Traiskirchen nicht mitgeteilt wurde, dass er einen Angehörigen, eine Person seines Vertrauens oder einen Rechtsbeistand verständigen könne, in seinen gemäß Art. 4 Abs. 7 PersFrG verfassungsgesetzlich und in seinen gemäß § 178 StPO und § 30 Abs. 1 Z 3 SPG einfachgesetzlich gewährleisteten Rechten,

verletzt worden.

II.

Hinsichtlich der drei weiteren in Beschwerde gezogenen Verwaltungsakte wird die Beschwerde ... gemäß § 67c Abs. 3 AVG als unbegründet abgewiesen.

III.

Gemäß § 79a AVG i.V.m. § 1 UVS-AufwandersatzVO 2003, BGBl. II 2003/334 und § 52 Abs. 1 VwGG ist der Bund (der Bundesminister für Inneres) als Rechtsträger der belangten Behörde schuldig, dem Beschwerdeführer die mit EUR 21.018,42 bestimmten, zur Rechtsverfolgung notwendigen Kosten binnen vier Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

IV.

Gemäß § 79a AVG i.V.m. § 1 UVS-AufwandersatzVO 2003, BGBl. II 2003/334 und § 52 Abs. 2 letzter Satz VwGG hat der Beschwerdeführer dem Bund (Bundesminister für Inneres) als Rechtsträger der belangten Behörde als obsiegender Partei den dreifachen Verhandlungsaufwand - EUR 825,90 - binnen 4 Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen."

Die belangte Behörde ging, auf das Wesentliche zusammengefasst, von nachstehendem Sachverhalt aus:

Nach den Erkenntnissen eines verdeckten Ermittlers seien etwa 20 vorwiegend im Flüchtlingslager Traiskirchen untergebrachte Schwarzafrikaner verdächtig gewesen, von einem Stützpunkt (Cafe Ali) aus im Bereich des Bahnhofs Traiskirchen an Passanten Suchtgift zu verkaufen. Nur sechs dieser bandenmäßig organisierten Kriminellen seien vor Beginn der Amtshandlung namentlich bekannt und antragsgemäß vom Landesgericht Wiener Neustadt zur Verhaftung ausgeschrieben gewesen. Alle Verdächtigen hätten mit einem Einsatz verschiedener Gendarmerieeinheiten nach einem Suchtgiftscheinkauf festgenommen und die namentlich nicht bekannten Suchtgifthändler dabei durch das optische Erinnerungsvermögen des verdeckten Ermittlers herausgefunden werden sollen. Tatsächlich seien zunächst nur drei Festnahmen gelungen und es habe der Schwerpunkt der Amtshandlung ins Flüchtlingslager verlegt werden müssen. Dabei habe es die Einsatzleitung verabsäumt, das weitere Einschreiten rechtlich abzusichern und dafür einen entsprechend erweiterten Gerichtsauftrag einzuholen.

Um aus den im Flüchtlingslager im Haus 3 untergebrachten etwa 60 Schwarzafrikanern die restlichen Tatverdächtigen herauszufiltern und um das Beiseiteschaffen von Suchtgift zu verhindern, seien von den Beamten im Parterre und im ersten Stock die Türen besetzt, diese annähernd gleichzeitig geöffnet und die angetroffenen Personen aufgefordert worden, jede Ortsveränderung bis auf Weiteres zu unterlassen. Dieser Anordnung sei durchgehend widerspruchslos Folge geleistet worden. Nach und nach seien die betroffenen Personen auf den Gang befohlen, dort oberflächlich visitiert, mit einer Sofortbildkamera fotografiert, mit vorbereiteten Einweghandfesseln "geschlossen", in eine zum Haftraum umfunktionierte Küche überstellt und bewacht worden. Während ihrer Anhaltung in der Küche seien dem verdeckten Ermittler die Lichtbilder gezeigt worden. Danach habe man die von ihm als unverdächtig bezeichneten Personen von ihren Fesseln befreit und in ihre Zimmer entlassen, wo einige von ihnen Spuren einer Nachschau während ihrer Abwesenheit festgestellt hätten.

Der Beschwerdeführer, ein Schwarzafrikaner aus Kamerun, der auf dem Heimweg ins Flüchtlingslager Traiskirchen gewesen sei, sei nach seinem Eintreffen in Traiskirchen gegen 20.00 Uhr noch am Bahnsteig der Badner Bahn ohne weitere Erklärung festgenommen, mit Metallhandschellen "geschlossen" und ins nahe gelegene Cafe Ali, wo sich mehrere männliche Personen (Gäste, Personal, Beamte und andere Festgenommene) aufgehalten hätten, gebracht worden. Er habe sich, nachdem ihm die Handschellen abgenommen worden seien, bis auf die Unterhose ausziehen müssen und sei dann in der Position "An-die-Wand-gelehnt" visitiert worden. Nachdem er sich wieder habe anziehen dürfen, sei er fotografiert und für die Überstellung zum GP Traiskirchen mit einer Einweghandfessel "geschlossen" worden. Nach einer kurzen Wartezeit am GP, während der dem dort aufhältigen verdeckten Ermittler das Polaroidfoto zur Überprüfung vorgelegt worden sei, sei die Entlassung des Beschwerdeführers verfügt und die Handfessel durchgezwickt worden. Er sei aufgefordert worden, den Gendarmerieposten zu verlassen, worauf er ins Lager Traiskirchen gegangen sei.

Bei der Kontrolle am Lagereingang sei er - abermals ohne Angabe von Gründen - neuerlich festgenommen, wieder visitiert, fotografiert und gefesselt worden und in das Zimmer Nr. 3, wo mehrere im Parterre des Hauses 3 angetroffene Schwarzafrikaner angehalten worden seien, überstellt worden. Nach etwa einer Stunde sei er aufgerufen und von der Handfessel befreit worden. Anschließend habe er in sein Zimmer Nr. 1 gehen dürfen.

Hingegen habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer Wasser trinken oder die Toilette aufsuchen hätte wollen, dass er rassistischen Beschimpfungen ausgesetzt gewesen wäre oder seine Schlafstelle oder seine Besitztümer im Zimmer Nr. 1 durchsucht worden wären.

Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass es unbegründet und "überschießend" gewesen sei, den Beschwerdeführer schon wegen seiner Herkunft zu verdächtigen, er sei einer jener "etwa 20 Schwarzafrikaner, die regelmäßig im Cafe Ali Suchtgift übernähmen, am Bahnhof verkauften und zurück ins Lager gingen, um dort in der Schutzwürdigkeit des Asyls unterzutauchen", ihn statt zur Ausweisleistung aufzufordern, ohne Erklärung festzunehmen, ihn zu fesseln, ins Cafe Ali zu überstellen, dort zu visitieren und zu fotografieren und anschließend auf den GP Traiskirchen zu verbringen. Dass der Beschwerdeführer Widerstand geleistet hätte, zu flüchten versucht hätte oder sonst konkret verdächtig gewesen wäre, sei nicht vorgebracht worden. Die gesetzten Handlungen seien rechtsgrundlos gewesen und hätten den Beschwerdeführer in näher bezeichneten Rechten verletzt. Zur zweiten Festnahme und die den Beschwerdeführer im Lager Traiskirchen betreffenden behördlichen Handlungen führte die belangte Behörde ergänzend aus, dass es den Beamten bewusst hätte sein müssen, dass der Beschwerdeführer seine Unterkunft im Flüchtlingslager aufsuchen würde. Sie hätten daher die neuerliche Festnahme "durch ein entsprechendes Aviso" an die im Flüchtlingslager amtshandelnden Beamten leicht vermeiden können.

Für die Kostenentscheidung sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer von den insgesamt siebzehn in Beschwerde gezogenen "Verwaltungsakten" mit vierzehn obsiegt habe, während seine Beschwerde hinsichtlich dreier Akte als unbegründet abzuweisen gewesen sei.

Gegen die Spruchpunkte I. F, I. H, I.L (insoweit damit die Feststellung der Identität des Beschwerdeführers als gerechtfertigt angesehen worden sei), II., III. und IV. richtet sich die zur Zl. 2006/01/0029 erhobene Beschwerde. Der Bundesminister für Inneres ficht den gesamten Bescheid wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde sowie in seinen Punkten I. B, I. C, I. D, I. E, I. F, I. H, I. J, I. L, I. M, I. N, III. und IV. wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit an.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die - wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen - Beschwerden erwogen:

Zur Zuständigkeit der belangten Behörde:

Soweit in der Amtsbeschwerde geltend gemacht wird, die belangte Behörde sei infolge einer vom Beschwerdeführer erhobenen Säumnisbeschwerde und Ablauf der vom Verwaltungsgerichtshof eingeräumten Entscheidungsfrist nicht (mehr) zuständig gewesen, wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes im hg. Erkenntnis vom 20. September 2006, Zl. 2003/01/0502, zu einem gleichgelagerten (ebenfalls die Amtshandlung im Flüchtlingslager Traiskirchen betreffenden) Fall verwiesen, in dem umfassend dargelegt wurde, weshalb der Bundesminister für Inneres nicht berechtigt ist, im Rahmen einer Amtsbeschwerde eine allfällige Unzuständigkeit der belangten Behörde infolge Ablaufs der ihr zur Nachholung des versäumten Bescheides zur Verfügung stehenden Frist geltend zu machen.

Zu 1.:

Mit Spruchpunkt II. hat die belangte Behörde u.a. über die vom Beschwerdeführer behauptete Durchsuchung seiner Schlafstelle und seiner persönlichen Besitztümer (im Zimmer Nr. 1) abgesprochen. In ihrer insoweit abweisenden - hier in Behandlung genommenen - Entscheidung ging sie davon aus, dass die behauptete Durchsuchung nicht stattgefunden hätte. Dieser Beurteilung legte sie zugrunde, dass der Beschwerdeführer bei seiner Einvernahme vor dem UVS das die Durchsuchung betreffende Vorbringen nicht aufrecht erhalten hätte und die ebenfalls in Zimmer Nr. 1 untergebrachten J O und W S A zur Frage der Zimmerdurchsuchung unterschiedliche Angaben gemacht hätten. Es müsse - so die belangte Behörde - daher davon ausgegangen werden, dass es sich beim schriftlichen Vorbringen um einen aus anwaltlicher Vorsicht verwendeten Textbaustein gehandelt habe.

Die Ansicht, dieser Beschwerdepunkt stelle sich unter Berücksichtigung der Aussage des Zeugen A, der die Frage nach einer Durchsuchung des Zimmers Nr. 1 verneint habe, als bloß aus anwaltlicher Vorsicht in die Beschwerde aufgenommener Textbaustein dar, lässt den Inhalt der vom Zeugen W S A getätigten (und im angefochtenen Bescheid auf Seite 137 wiedergegebenen) Aussage außer Acht.

Anzumerken ist, dass das genannte Zimmer Nr. 1 vom Beschwerdeführer bewohnt wurde. Der Zeuge W S A, der ein Zimmergenosse des Beschwerdeführers war, gab (in der Verhandlungstagsatzung vom 23. August 2000) auf Befragen, was nach Rückkehr in sein Zimmer (Nr. 1) "war", wörtlich Folgendes an:

"Die Sachen waren nicht mehr an der gleichen Stelle, die Decke war zur Seite geschoben, die Tasche unterm Bett. Es war nichts beschädigt und hat nichts gefehlt. Ich habe im Stockbett unten geschlafen. Die Matratze von meinem Bett ist nicht herausgenommen worden."

Der Zeuge J O, ebenfalls ein Zimmergenosse des Beschwerdeführers, sagte in der Verhandlungstagsatzung vom 7. August 2000 aus, das Zimmer Nr. 10 (wo er sich zu Beginn der Amtshandlung aufgehalten habe) sei gründlich durchsucht worden; die Matratzen seien auf dem Boden gelegen. Auch das Zimmer Nr. 1 (wo er gewohnt habe) sei so durchsucht worden (vgl. Seite 137 des angefochtenen Bescheides), wobei die Durchsuchung in seiner Abwesenheit vorgenommen worden sei (vgl. Seite 17 des Protokolls zur Verhandlungstagsatzung vom 7. August 2000).

Die belangte Behörde hätte darlegen müssen, warum sie ungeachtet dieser Angaben zu dem Ergebnis gelangte, bezüglich der Sachen des Beschwerdeführers habe keine Durchsuchung stattgefunden, zumal sie - jedenfalls insoweit - den Angaben von W S A im diesen betreffenden Bescheid hinsichtlich der im Zimmer Nr. 1 vorgefundenen Situation Glauben schenkte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 2007, Zlen. 2005/01/0128 und 0144). Dass die Angaben der Zeugen A und O derart widersprüchlich wären, dass daraus die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers abgeleitet werden könnte, kann der Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehen. Vielmehr deuten auch die Angaben des Zeugen A darauf hin, dass die behauptete Durchsuchung des Zimmers Nr. 1 stattgefunden hat (arg.: "Die Sachen waren nicht mehr an der gleichen Stelle, die Decke war zur Seite geschoben."). Weshalb gerade die Sachen des Beschwerdeführers von einer Durchsuchung verschont gewesen sein sollten, legte die belangte Behörde nicht schlüssig dar. Richtig ist zwar, dass der Beschwerdeführer die von ihm in der Administrativbeschwerde geltend gemachte Durchsuchung in der Verhandlung vor der belangten Behörde nicht zur Sprache brachte. Die Beschwerde weist aber zu Recht darauf hin, dass er dazu nicht ausdrücklich befragt wurde. Dass die Durchsuchung des Zimmers Nr. 1 bzw. der in diesem Zimmer verwahrten persönlichen Sachen des Beschwerdeführers Thema seiner Befragung gewesen wäre, ist dem Protokoll zur Verhandlung vom 23. August 2000, in der der Beschwerdeführer als Partei einvernommen wurde, nicht zu entnehmen.

Nach dem Gesagten ist die Entscheidung der belangten Behörde zu Spruchpunkt II. wegen unschlüssiger Beweiswürdigung mit einem Verfahrensmangel behaftet. Dieser ist wesentlich, weil die belangte Behörde im Falle ordnungsgemäßer Beweiserhebung und Beweiswürdigung zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können. Daher war der Spruchpunkt II. gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Diese Rechtswidrigkeit schlägt auch auf beide Kostenzusprüche durch. Der angefochtene Bescheid war daher schon deswegen in seinen Spruchpunkten III. und IV. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Der Kostenzuspruch (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides) leidet allerdings auch insoweit an Rechtswidrigkeit, als die belangte Behörde - entsprechend der von ihr vorgenommenen Nummerierung der im Rahmen des Spruchpunktes I. erfolgten Aussprüche - zum Ergebnis gelangte, der Beschwerdeführer habe in insgesamt vierzehn Beschwerdepunkten obsiegt. Dafür, dass die jeweiligen Fesselungen (I. G und I. K) neben den angefochtenen Anhaltungen (worüber die belangte Behörde zu I. A und I. I. erkannte) im Hinblick auf die im hg. Erkenntnis vom 12. April 2005, Zl. 2004/01/0277, näher dargestellten Grundsätze als zwei weitere "Verwaltungsakte" angesehen werden hätten können, gab es beim festgestellten Sachverhalt aber keine Hinweise (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 2007, Zl. 2005/01/0128, mwH). Der angefochtene Bescheid war daher im Spruchpunkt III. auch im Hinblick auf die zur Zl. 2006/01/0030 protokollierte Amtsbeschwerde des Bundesministers für Inneres gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Lediglich der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass es - entgegen der in der Amtsbeschwerde vertretenen Ansicht - der Rechtslage entspricht, dass der obsiegenden Partei der Verhandlungsaufwand für jeden rechtswidrig erklärten Verwaltungsakt zusteht, sofern das festgestellte Verwaltungsgeschehen, an Hand dessen die Beurteilung vorzunehmen ist, sachlich und zeitlich trenn- und unterscheidbare Akte, die einer isolierten Betrachtung zugänglich sind, enthält (vgl. dazu etwa das bereits erwähnte hg. Erkenntnis vom 12. April 2005, Zl. 2004/01/0277).

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Zu 2.:

Gemäß Art. 131 Abs. 3 B-VG und § 33a VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid eines unabhängigen Verwaltungssenates durch Beschluss ablehnen, wenn die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wird, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Soweit sich die Beschwerden über die Bekämpfung der Spruchpunkte II. (im behandelten Umfang), III. und IV. hinaus auf weitere Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides beziehen, werfen sie keine für die Entscheidung des Falles maßgeblichen Rechtsfragen auf, denen im Sinne der zitierten Bestimmungen grundsätzliche Bedeutung zukäme. Gesichtspunkte, die dessen ungeachtet gegen eine Ablehnung der Beschwerdebehandlung in diesem Umfang sprechen würden, liegen nicht vor, zumal die im Einzelnen vorgenommene Prüfung der Beschwerdefälle keine vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmende Fehlbeurteilung durch die belangte Behörde ergeben hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat daher beschlossen, die Behandlung der Beschwerden in dem im Spruch zu 2. angeführten Umfang abzulehnen.

Wien, am 10. April 2008

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