Normen
FrG 1997 §10 Abs2 Z5;
FrG 1997 §8 Abs3 Z2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
FrG 1997 §10 Abs2 Z5;
FrG 1997 §8 Abs3 Z2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Spruch:
I.) den Beschluss gefasst:
Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird stattgegeben;
und II.) im Beschwerdeverfahren zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der 1977 geborene Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, stellte am 25. Oktober 2004 bei der Österreichischen Botschaft in Ankara den Antrag, ihm ein Visum für die Dauer von 45 Tagen auszustellen. Zur Begründung brachte er unter Vorlage entsprechender Urkunden vor, er sei ledig, von Beruf Handwerker und wolle seine in Österreich wohnende Schwester sowie seinen Schwager besuchen. Der Schwager komme für die Reisekosten und die Bestreitung seines Lebensunterhaltes während des Aufenthaltes auf.
Die Österreichische Botschaft in Ankara teilte ihm hiezu mit Schreiben vom 25. Oktober 2004 mit, keine weiteren Dokumente mehr zu benötigen. Eine erste Prüfung habe jedoch ergeben, dass seinem Antrag gemäß § 10 Abs. 2 Z 5 FrG nicht stattgegeben werden könne. Es bestehe nämlich Grund zur Annahme, dass er das Bundesgebiet nach Ablauf der Gültigkeit des Visums nicht unaufgefordert verlassen werde, weil er nicht überzeugend habe nachweisen können, feste familiäre, soziale oder wirtschaftliche Bindungen an seinen derzeitigen Wohnsitz zu haben. Ihm werde die Möglichkeit einer schriftlichen Stellungnahme unter Anschluss entsprechender Unterlagen eingeräumt.
In einer Stellungnahme vom 5. November 2004 brachte der - mittlerweile anwaltlich vertretene - Beschwerdeführer vor, er habe seit fünf Jahren seinen Wohnsitz in Alanya. Im selben Haus lebten seine engsten Familienmitglieder (Mutter und vier Geschwister). Es seien also sowohl familiäre als auch soziale Bindungen vorhanden. Darüber hinaus sei er in Alanya/Antalya seit fünf Jahren als Kaufmann unter Verwendung eines in seinem Eigentum stehenden Lieferwagens tätig. Es sei daher kein Grund ersichtlich, warum er das österreichische Bundesgebiet nach Ablauf der Gültigkeit des Visums nicht unaufgefordert verlassen sollte. Er wiederhole somit seinen Antrag auf Erteilung des Visums.
Mit der vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Erledigung der Österreichischen Botschaft in Ankara (der belangten Behörde) vom 11. November 2004 wurde dem eingangs genannten Antrag nicht stattgegeben.
Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer lebe mit seiner Mutter und "sechs (nicht vier - wie in der Stellungnahme angegeben) Geschwistern in einem Appartement (nicht Haus - wie in der Stellungnahme angegeben)". Daher müsse von höchst beengten Wohnungsverhältnissen ausgegangen werden. Auch sei der Beschwerdeführer ledig. Nach den Erfahrungen der Botschaft sei das Migrationsrisiko bei unter 30- jährigen unverheirateten türkischen Staatsangehörigen besonders groß. Es bestehe daher berechtigter Grund zur Annahme, dass er "nach Ablauf der Gültigkeitsdatums" das Bundesgebiet nicht verlassen werde. Beruflich sei der Beschwerdeführer als fahrender Händler ohne unbewegliches Vermögen tätig. Hiermit sei kein regelmäßiges Einkommen verbunden, die Aktiva könnten schnell "verflüssigt" werden. Diese Tätigkeit könne daher "nicht als Grund, das Bundesgebiet zu verlassen, angenommen werden".
Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 11. November 2004 zugestellt.
I.) Zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:
Mit dem vorliegenden, am 24. Jänner 2005 zur Post gegebenen Antrag begehrt der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid.
Er begründet dies damit, dass sein Rechtsvertreter die vorliegende Bescheidbeschwerde am 21. November 2004 ausgearbeitet und unterfertigt sowie verfügt habe, dass die Gebühr von 180 EUR noch am selben Tag einbezahlt und auch die Beschwerdeschrift noch am selben Tag zur Post gegeben werde. Beides habe die Kanzleileiterin übernommen und die Beschwerdeschrift zu den übrigen Poststücken in ihre Aktentasche gegeben, um nicht zu vergessen, hieran eine Kopie des Überweisungsbeleges betreffend die genannte Gebühr anzuschließen. Aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen sei die Gebühr von 180 EUR zwar am 21. November 2004 zur Überweisung gebracht und auch die übrigen Poststücke seien zur Post gegeben worden. Offensichtlich habe die Kanzleileiterin jedoch die im Handakt noch erliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde übersehen, sodass diese nicht zur Post gegeben worden sei. Anlässlich einer Aktenrevision am 22. Jänner 2005 habe der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers festgestellt, dass sich die Bescheidbeschwerde samt Einschreibezettel noch im Handakt befinde. Es handle sich dabei um ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis. Darüber hinaus liege ein minderer Grad des Versehens der seit 13 Jahren in der Kanzlei des Rechtsvertreters tätigen Kanzleileiterin vor, der in ihrer langjährigen beruflichen Tätigkeit bis dato auf Grund ihrer besonderen Aufmerksamkeit keinerlei Versehen - welcher Art auch immer - unterlaufen sei.
Das im Wiedereinsetzungsantrag enthaltene Tatsachenvorbringen ist durch eidesstättige Erklärungen des genannten Rechtsvertreters und seiner Kanzleileiterin vom 24. Jänner 2005 sowie durch den im Akt erliegenden Überweisungsbeleg vom 21. November 2004 bescheinigt, sodass es der Verwaltungsgerichtshof seiner Entscheidung zugrundelegt.
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Die Partei muss das Verhalten ihres Rechtsvertreters gegen sich gelten lassen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes umfasst die anwaltliche Sorgfaltspflicht auch die Überwachung des Umstandes, ob die Schriftstücke in gesetzmäßiger Anzahl und Form, versehen mit den notwendigen Unterschriften versandbereit sind, nicht aber etwa die näheren Umstände der Postaufgabe solcher Schriftstücke (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 26. April 2005, Zlen. 2004/21/0228, 0260 mwN). Die laufende Nachprüfung rein manipulativer Tätigkeiten einer erfahrenen und zuverlässigen Kanzleikraft würde die Sorgfaltspflicht eines Rechtsanwaltes überspannen (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 23. Februar 2006, Zl. 2006/07/0028).
Nach dem bescheinigten Sachverhalt ist davon auszugehen, dass der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers die Beschwerdeschrift am 21. November 2004, also rechtzeitig, ordnungsgemäß verfasst, unterfertigt und seiner Kanzleileiterin zur Postaufgabe überreicht hat. Am 22. Jänner 2005 ist hervorgekommen, dass die Postaufgabe irrtümlich unterblieben ist.
Da keine Umstände vorliegen, die den Vertreter des Beschwerdeführers zur Kontrolle hätten veranlassen müssen, ob die Postaufgabe tatsächlich durchgeführt wurde, und ihm somit keine Verletzung seiner Überwachungspflicht vorgeworfen werden kann, war die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen.
II.) Zur Erteilung des Visums:
Vorweg ist klarzustellen, dass keine Bedenken gegen die Bescheidqualität der in Beschwerde gezogenen Erledigung der Österreichischen Botschaft bestehen (vgl. zu ähnlichen Botschaftsschreiben etwa das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2004, Zl. 2004/21/0029, und das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 24. November 2003, B 1701/02, jeweils mit weiteren Nachweisen). Im Übrigen geht auch die Beschwerde ausdrücklich von der wirksamen Erlassung eines Bescheides aus und in der Gegenschrift wird dem nicht entgegengetreten.
Die belangte Behörde begründete die Abweisung des eingangs dargestellten Antrages nur mit dem - ihrer Ansicht nach gegebenen -
Vorliegen des Versagungsgrundes nach § 10 Abs. 2 Z 5 FrG. Danach kann die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels wegen Gefährdung öffentlicher Interessen (§ 8 Abs. 3 Z 2 FrG) versagt werden, "wenn Grund zur Annahme besteht, der Fremde werde nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Titels das Bundesgebiet nicht unaufgefordert verlassen."
Eine schlüssige und nachvollziehbare Begründung für diese vom Gesetz geforderte "Annahme" ist weder dem angefochtenen Bescheid noch dem Akteninhalt zu entnehmen. Es kann nämlich nicht ohne weiteres unterstellt werden, dass Fremde, die der von der belangten Behörde umschriebenen großen Personengruppe angehören, generell unter Missachtung der fremdenrechtlichen Vorschriften im Anschluss an die Gültigkeitsdauer eines Visums in Österreich unrechtmäßig aufhältig bleiben werden. Dabei wird nicht verkannt, dass derartige Fälle in der Praxis durchaus vorkommen. Doch kann ein Grund zu der im § 10 Abs. 2 Z 5 FrG umschriebenen Annahme nur dann bestehen, wenn bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der (konkrete) Fremde die Absicht hat, seinen Aufenthalt auf illegale Weise zu verlängern (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2004, Zl. 2004/21/0029 mwN.).
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde weder ein relevantes (fremdenrechtliches) Fehlverhalten des Beschwerdeführers in der Vergangenheit angenommen, noch in der Person des Beschwerdeführers liegende konkrete Sachverhaltselemente ins Treffen geführt, die die Schlussfolgerung zuließen, der Beschwerdeführer werde sich im Falle der Erteilung des beantragten Visums nicht rechtskonform verhalten, also seiner Ausreiseverpflichtung nach Ablauf der Gültigkeitsdauer nicht entsprechen (vgl. zum Ganzen auch das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2003/21/0024).
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 25. April 2006
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