Normen
AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als die Spruchpunkte I. und II. des erstinstanzlichen Bescheides (Abweisung des Asylantrages und Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria) bestätigt wurden, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, und insoweit, als Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides (Ausweisung des Beschwerdeführers "aus dem österreichischen Bundesgebiet") bestätigt wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein seinen Angaben zufolge aus Umuleri im Anambra-State stammender nigerianischer Staatsangehöriger, reiste am 15. September 2003 in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag unter handschriftlicher Ergänzung eines Formulars einen Asylantrag. Darin führte der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen (in englischer Sprache) sinngemäß aus, über Auftrag des Chris Uba gegen Zahlung von 400.000,-- Naira gemeinsam mit drei anderen Personen den Gouverneur von Anambra State Chris Ngige "verhaftet" zu haben. Nach der Festnahme von anderen Beteiligten sei er von Warri aus mit einem Schiff geflüchtet.
Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 23. September 2003 schilderte der Beschwerdeführer diese Fluchtgründe unter Darstellung näherer Details. So gab er insbesondere an, dass er mit anderen Jugendlichen eine (mit der Polizei zusammenarbeitende) Bürgerwehr für seine Heimatstadt Umuleri gegründet habe und über Auftrag von Chris Uba, einem PDP-Politiker, der den Wahlkampf des Gouverneurs finanziert habe, gehandelt habe. Über den "Fall" sei im nigerianischen Fernsehen und auch von CNN sowie in nigerianischen Zeitungen berichtet worden.
Mit Bescheid vom 3. Juni 2005 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 des Asylgesetzes 1997 - AsylG ab (Spruchpunkt I.). Weiters stellte es gemäß § 8 Abs. 1 AsylG die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria fest (Spruchpunkt II.) und wies den Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG "aus dem österreichischen Bundesgebiet" aus (Spruchpunkt III.).
Das Bundesasylamt ging mit näherer Begründung von der mangelnden Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers aus und kam deshalb rechtlich zur Abweisung des Asylantrages und zur Versagung von Refoulement-Schutz. Da der Beschwerdeführer "keine familiären Beziehungen in Österreich" habe, hielt das Bundesasylamt auch dessen Ausweisung für gerechtfertigt.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 5. Juli 2005 wies die belangte Behörde die Berufung "gemäß §§ 7, 8 AsylG" ab, wobei sie zur Begründung - unter Verwendung von Textbausteinen, denen kein konkreter Fallbezug entnommen werden kann - nur auf die für zutreffend erachteten Ausführungen des Bundesasylamtes verwies. Auch die Berufung habe keine Umstände aufzeigen können, welche die belangte Behörde zu einem Abgehen von der erstinstanzlichen Beweiswürdigung hätten bewegen können oder aus denen sich die Unrichtigkeit der rechtlichen Beurteilung der Erstbehörde ergeben hätte. Aufgrund des hinreichend geklärten Sachverhaltes habe eine mündliche Verhandlung entfallen können.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:
1. Die Beschwerde macht geltend, der Beschwerdeführer habe im Gegensatz zur Ansicht der belangten Behörde in seiner Berufung sehr wohl Umstände vorgebracht, die zu einem Abgehen von der erstinstanzlichen Beweiswürdigung hätten führen müssen, indem er einen ACCORD-Bericht zitiert habe, der auf Ausführungen im Jahresbericht des US State Departement über die "NGIGE-Entführung" verweise.
Dem ist im Ergebnis beizupflichten.
Das Bundesasylamt hat seine (von der belangten Behörde übernommene) Beweiswürdigung in tragender Weise auch auf die Einschätzung gestützt, dass die Darstellung des Beschwerdeführers über die Festnahme eines ranghohen Politikers durch eine private Organisation auf die von ihm geschilderte Art der allgemeinen Lebenserfahrung widerspreche. Dem trat die Berufung damit entgegen, dass sie wörtlich aus dem in der Beschwerde erwähnten Bericht zitierte, dem sich nähere Details der im Juli 2003 stattgefundenen "Entführung" des Gouverneurs des Bundesstaates Anambra Dr. Chris Ngige durch Dr. Chris Uba entnehmen lassen, und in den weiteren Ausführungen versuchte, die Angaben des Beschwerdeführers damit in Einklang zu bringen. Das hätte die belangte Behörde aber veranlassen müssen, zum Berufungsvorbringen konkret Stellung zu nehmen, zumal die Erstbehörde - ungeachtet des Hinweises auf Medienberichte über die behaupteten Geschehnisse - die nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gebotene Einbeziehung des realen Hintergrundes der vom Beschwerdeführer vorgetragenen Fluchtgeschichte in das Ermittlungsverfahren unterlassen hatte (vgl. in diesem Zusammenhang die Nachweise in dem Erkenntnis vom 30. September 2004, Zl. 2001/20/0135, und das Erkenntnis vom selben Tag, Zl. 2001/20/0140). Demzufolge wäre die belangte Behörde verpflichtet gewesen, zum Berufungsvorbringen - allenfalls auch nur kurz und in Verbindung mit einem Eingehen auf die vom Bundesasylamt sonst noch gesehenen, seiner Ansicht nach gegen die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers sprechenden Ungereimtheiten in seiner Aussage - Stellung zu nehmen und die Behauptungen des Beschwerdeführers auch am Verhältnis zu der Berichtslage in Bezug auf das Ereignis, an dem er beteiligt gewesen sein will, zu messen.
Die belangte Behörde ist aber auf den konkreten Inhalt der Berufung des Beschwerdeführers mit keinem Wort eingegangen, hat auf diese Berufung nur mit vorformulierten Textbausteinen reagiert und damit im Ergebnis ein ihr nicht zustehendes Ablehnungsrecht ausgeübt (vgl. mehrere im Anschluss an das hg. Erkenntnis vom 27. September 2005, Zl. 2005/01/0313, ergangene Entscheidungen, wofür sich Nachweise im Erkenntnis vom 26. Jänner 2006, Zl. 2005/01/0229, finden; siehe danach etwa auch noch das Erkenntnis vom 9. Mai 2006, Zl. 2004/01/0455). Damit hat die belangte Behörde ihren Bescheid in Bezug auf den Asylteil und die Refoulement-Prüfung mit einem wesentlichen Begründungsmangel belastet.
2. Hinsichtlich der Bestätigung des Ausspruches nach § 8 Abs. 2 AsylG über die Ausweisung des Beschwerdeführers "aus dem österreichischen Bundesgebiet" (Spruchpunkt III des erstinstanzlichen Bescheides) hat die belangte Behörde überdies rechtlich verkannt, dass die Asylbehörden in einem Fall wie dem vorliegenden nicht berechtigt sind, die Ausweisung eines Asylwerbers ohne Einschränkung auf den Herkunftsstaat auszusprechen. Hiezu kann gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2005, Zl. 2005/01/0625, und die dort angeführte Vorjudikatur verwiesen werden.
3. Der angefochtene Bescheid war daher, soweit damit die Spruchpunkte I. und II. des erstinstanzlichen Bescheides bestätigt wurden, gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Soweit mit dem angefochtenen Bescheid auch Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides bestätigt wurde, war gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG eine Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes vorzunehmen.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 23. November 2006
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