VwGH 2005/15/0047

VwGH2005/15/004723.9.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Twardosz, LL.M., in der Beschwerdesache des W in A, Deutschland, vertreten durch Dkfm. Herbert F. Maier, Wirtschaftsprüfer in 1015 Wien, Walfischgasse 5, gegen den unabhängigen Finanzsenat, Außenstelle Salzburg, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Angelegenheit der Wiederaufnahme des Verfahrens über einen Sicherstellungsauftrag, den Beschluss gefasst:

Normen

BAO §260;
BAO §276 Abs1;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §36 Abs2;
BAO §260;
BAO §276 Abs1;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §36 Abs2;

 

Spruch:

Das Verfahren wird eingestellt.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 675,60 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer begehrte mit Antrag vom 22. November 2000 die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend einen Sicherstellungsauftrag vom 28. August 1995.

Das Finanzamt wies diesen Antrag mit Bescheid vom 5. April 2001 ab.

Die mit Schriftsatz vom 23. April 2001 dagegen erhobene Berufung legte das Finanzamt mit Begleitschreiben vom 8. Juni 2001 der (damaligen) Finanzlandesdirektion für Salzburg zur Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz vor.

Wegen Verletzung der Pflicht zur Entscheidung über diese Berufung erhob der Beschwerdeführer vor dem Verwaltungsgerichtshof eine Beschwerde nach Art. 132 B-VG.

Der Verwaltungsgerichtshof leitete mit Verfügung vom 28. April 2005 über die Beschwerde das Vorverfahren ein (§ 35 Abs. 3 VwGG) und forderte die belangte Behörde auf, binnen drei Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen und eine Abschrift des Bescheides dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliege und dazu die Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 28. Juli 2005 wies das Finanzamt die in Rede stehende Berufung als unbegründet ab und änderte den bekämpften Bescheid (betreffend einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens) insofern ab, als er im Spruch "wird zurückgewiesen" an Stelle von "wird abgewiesen" zu lauten habe. Der Wiederaufnahmeantrag sei verspätet gestellt worden, weshalb er zurückzuweisen gewesen sei.

Die belangte Behörde legte dem Gerichtshof mit Schreiben vom 2. August 2005 eine Ausfertigung der Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes vor.

Mit Verfügung vom 16. August 2005 räumte der Verwaltungsgerichtshof dem Beschwerdeführer die Möglichkeit ein, binnen drei Wochen zur beabsichtigten Einstellung des Verfahrens über die Säumnisbeschwerde Stellung zu nehmen.

Im Schriftsatz vom 1. September 2005 trägt der Beschwerdeführer vor, das Finanzamt habe mit Berufungsvorentscheidung vom 28. Juli 2005 die in Rede stehende Berufung zurückgewiesen. Eine Berufungsvorentscheidung sei jedoch nur zulässig, wenn keine Formalerledigung der Berufung zu erfolgen habe, weshalb das Finanzamt nicht berechtigt gewesen sei, die Berufung mit der Berufungsvorentscheidung vom 28. Juli 2005 zurückzuweisen. Die nach Ansicht des Beschwerdeführers rechtswidrig erlassene Berufungsvorentscheidung durch das Finanzamt als Abgabenbehörde erster Instanz stehe der beabsichtigten Einstellung des Verfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof entgegen.

Gemäß § 276 Abs. 1 BAO idF des Art. 56 des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBl. I Nr. 71, kann die Abgabenbehörde erster Instanz die Berufung durch Berufungsvorentscheidung erledigen und hiebei den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abändern, aufheben oder die Berufung als unbegründet abweisen, wenn die Berufung weder zurückzuweisen noch als zurückgenommen oder als gegenstandslos zu erklären ist.

Die Abgabenbehörde erster Instanz hat nach § 276 Abs. 6 leg. cit. die Berufung, über die eine Berufungsvorentscheidung nicht erlassen wurde oder über die infolge eines zeitgerechten Vorlageantrages von der Abgabenbehörde zweiter Instanz zu entscheiden ist, nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen ohne unnötigen Aufschub der Abgabenbehörde zweiter Instanz vorzulegen und die Parteien vom Zeitpunkt der Vorlage unter Anschluss einer Ausfertigung des Vorlageberichtes zu verständigen. Die Vorlage lässt das Recht zur Erlassung einer Berufungsvorentscheidung ebenso unberührt wie das Recht der Abgabenbehörde erster Instanz zur Erlassung von Bescheiden gemäß § 85 Abs. 2, § 86a Abs. 1, § 256 Abs. 3, §§ 273, 274, 275 und 281.

In seiner Stellungnahme vom 1. September 2005 übersieht der Beschwerdeführer, dass das Finanzamt mit der in Rede stehenden Berufungsvorentscheidung vom 28. Juli 2005 nicht die Berufung zurückgewiesen hat, sondern die Berufung abgewiesen und den Spruch des bekämpften Bescheides dahingehend abgeändert hat, dass der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens zurückgewiesen wird. Damit hat das Finanzamt eine - in § 276 Abs. 1 BAO vorgesehene - Sachentscheidung getroffen. Auf die Frage, ob das Finanzamt zur Zurückweisung der Berufung durch Berufungsvorentscheidung berechtigt gewesen wäre und eine solche Entscheidung der Einstellung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens entgegen stünde, brauchte daher nicht mehr eingegangen werden.

Gemäß § 36 Abs. 2 VwGG idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 89/2004 ist bei Säumnisbeschwerden nach Art. 132 B-VG der belangten Behörde aufzutragen, innerhalb einer Frist bis zu drei Monaten den Bescheid zu erlassen. Wird der Bescheid erlassen oder wurde er vor Einleitung des Vorverfahrens erlassen, so ist das Verfahren über die Säumnisbeschwerde einzustellen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das verwaltungsgerichtliche Verfahren über eine Säumnisbeschwerde in Abgabensachen einzustellen, wenn innerhalb der gesetzten Frist zwar keine Berufungsentscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz, wohl aber eine Berufungsvorentscheidung der Abgabenbehörde erster Instanz ergeht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 2004, 2002/16/0071, mwN, sowie die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 537, zitierte Rechtsprechung).

Das Verfahren war daher gemäß § 36 Abs. 2 VwGG einzustellen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 55 Abs. 1 zweiter Satz leg. cit. iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 23. September 2005

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte