VwGH 2005/05/0011

VwGH2005/05/001117.3.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde der Marktgemeinde Strasshof an der Nordbahn, vertreten durch Onz Onz Kraemmer Hüttler Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schwarzenbergplatz 16, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 26. November 2004, Zl. RU1-BR-158/001-2004, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Partei: Eveline Jelinek, Schrebergasse 9, 2231 Strasshof an der Nordbahn), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §59 Abs1;
BauO NÖ 1996 §15 Abs3;
BauO NÖ 1996 §15;
BauO NÖ 1996 §20 Abs3;
BauO NÖ 1996 §23;
BauRallg;
ROG NÖ 1976;
VwGG §42 Abs2 Z3 lita;
VwRallg;
AVG §59 Abs1;
BauO NÖ 1996 §15 Abs3;
BauO NÖ 1996 §15;
BauO NÖ 1996 §20 Abs3;
BauO NÖ 1996 §23;
BauRallg;
ROG NÖ 1976;
VwGG §42 Abs2 Z3 lita;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Vorstellung der Mitbeteiligten gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes der beschwerdeführenden Marktgemeinde vom 17. Juni 2004 Folge, behob diesen Bescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die beschwerdeführende Marktgemeinde. Nach dem von der belangten Behörde in der Bescheidbegründung festgehaltenen entscheidungsrelevanten Sachverhalt sei der Mitbeteiligten und Herrn J. mit Bescheid der beschwerdeführenden Marktgemeinde vom 2. Jänner 1995 die baubehördliche Bewilligung für den Neubau eines Wohn- und Geschäftshauses, die Errichtung einer Schwimmhalle sowie die Herstellung von Einfriedungen auf einem näher genannten Grundstück erteilt worden. Für das Geschäftshaus sei mit Bescheid vom 18. April 1997 die Benützung bewilligt worden. Aus der dieser Bewilligung zu Grunde liegenden Niederschrift gehe hervor, dass die Bauwerber auf die Ausführung des Wohnhauses mit Garage und Schwimmhalle verzichtet hätten. Mit Bescheid vom 18. September 1998 habe die Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf den Betrieb eines Schnellrestaurants in der gegenständlichen Baulichkeit nach der Gewerbeordnung 1994 bewilligt. Mit einem mit 11. August 1998 datierten, laut Eingangsstempel der beschwerdeführenden Marktgemeinde am 16. April 2002 bei dieser eingelangten Schreiben habe die Mitbeteiligte um die baubehördliche Bewilligung für die Änderung der Nutzungsart auf den Betrieb eines Gastgewerbes im Erdgeschoss, für Umbauten (Brandschutztrennwand, zusätzliche Toilettenanlage), für einen Schanigarten für 15 Sitzplätze vor dem Lokal, für eine Fahnenstange vor dem Lokal, für vier Stellplätze auf Eigengrund sowie für die Lüftung und die Heizung angesucht. Mit Schreiben vom 15. März 2004 habe der Bürgermeister der beschwerdeführenden Gemeinde festgestellt, dass keine Anzeige gemäß § 15 Abs. 1 Z 2 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 (BO) betreffend die Änderung des Verwendungszweckes (Umwandlung eines Verkaufslokals in einen Gastronomiebetrieb) erstattet worden sei. Die Gemeinde habe die Bewilligungsinhaber darauf aufmerksam gemacht, dass durch die Änderung des Verwendungszweckes Festlegungen im Flächenwidmungsplan, der Stellplatzbedarf, die hygienischen Verhältnisse oder der Brandschutz betroffen sein könnten. Mit Schreiben vom 26. April 2004 sei die Mitbeteiligte von der beschwerdeführenden Marktgemeinde ersucht worden bekannt zu geben, ob sie den am 16. April 2002 eingelangten Antrag auf baubehördliche Bewilligung aufrecht erhalte. Dies habe die Mitbeteiligte in ihrem Antwortschreiben vom 3. Mai 2004 bejaht. Mit Schreiben vom 11. Mai 2004 habe die beschwerdeführende Marktgemeinde der Mitbeteiligten bekannt gegeben, dass im Sinne des § 15 Abs. 3 BO die Einholung eines Gutachtens beabsichtigt sei und gemäß § 15 Abs. 4 BO das genannte Vorhaben vorerst nicht ausgeführt werden dürfe. Mit Bescheid des Bürgermeisters der beschwerdeführenden Marktgemeinde vom 1. Juni 2004, berichtigt mit Bescheid vom 27. Oktober 2004, sei das angezeigte Vorhaben, das gegenständliche Gebäude künftig als "Gastgewerbebetrieb jeglicher Betriebsführung" zu nutzen, untersagt worden. Mit Bescheid des Gemeindevorstandes der beschwerdeführenden Marktgemeinde vom 17. Juni 2004 sei die dagegen erhobene Berufung der Mitbeteiligten als unbegründet abgewiesen worden.

In weiterer Folge führte die belangte Behörde in der Bescheidbegründung aus, die im Zuge der Umgestaltung des Geschäftshauses in einen Gastgewerbebetrieb getroffenen baulichen Maßnahmen, die auch dem gewerbebehördlichen Betriebsanlagenverfahren zu entnehmen seien, erfüllten die Voraussetzungen für eine baubehördliche Bewilligungspflicht gemäß § 14 BO. So würden u.a. eine Brandschutztrennwand, eine zusätzliche Toilettenanlage, eine Lüftungsanlage sowie eine gastgewerbliche Küche mit Geräten errichtet. Durch diese baulichen Maßnahmen sei eine Beeinträchtigung der Standsicherheit tragender Bauteile, des Brandschutzes und der hygienischen Verhältnisse möglich. Im Schreiben vom 11. August 1998, das bei der beschwerdeführenden Marktgemeinde erst am 16. April 2002 eingegangen sei, habe die Mitbeteiligte auch um die baubehördliche Bewilligung dieser sowie einiger anderer Änderungen angesucht. Dieses Ansuchen sei von der beschwerdeführenden Marktgemeinde im weiteren baurechtlichen Verfahren in eine Anzeige gemäß § 15 Abs. 1 Z 2 BO umgedeutet worden. Durch diese Umdeutung des Bewilligungsansuchens könne die beschwerdeführende Marktgemeinde jedoch ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben nicht zu einem anzeigepflichtigen machen. Die beschwerdeführende Marktgemeinde habe die Bewilligungspflicht unrichtig beurteilt und eine antragswidrige Sachentscheidung getroffen. Durch die Untersagung der Anzeige habe die Baubehörde eine Zuständigkeit in Anspruch genommen, die ihr nicht zugekommen sei, sodass die Mitbeteiligte in ihren Rechten verletzt worden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird im Wesentlichen ausgeführt, die beschwerdeführende Marktgemeinde habe mit den Bescheiden vom 1. Juni 2004 und vom 17. Juni 2004 nicht über ein Baubewilligungsansuchen (etwa jenes vom 11. August 1998), sondern über den Antrag der Mitbeteiligten vom 6. Mai 2004 betreffend eine "Anzeige über die Änderung des Verwendungszweckes (Nutzung als Gastgewerbebetrieb jeglicher Betriebsform)" abgesprochen. Werde parallel zu einem noch anhängigen Baubewilligungsansuchen ein anzeigepflichtiges Vorhaben eingereicht, gebe es keinen Grund dafür, auch dieses einem Baubewilligungsverfahren zu unterziehen. Auf Grund eines Versehens sei der belangten Behörde allerdings die Eingabe der Mitbeteiligten vom 6. Mai 2004 nicht mit dem Bauakt vorgelegt worden. Den Bescheiden der Gemeindebehörden hätte die belangte Behörde aber entnehmen können, dass sich die diesbezüglichen Erledigungen auf die Bauanzeige vom 6. Mai 2004 bezogen hätten. Im Übrigen sei die belangte Behörde keineswegs auf Grund allfälliger Mängel des gemeindebehördlichen Verfahrens berechtigt gewesen, den angefochtenen Bescheid des Gemeindevorstandes mit der Begründung aufzuheben, dass die Gemeinde eine ihr nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch genommen habe.

Die Eingabe der Mitbeteiligten vom 11. August 1998, mit dem handschriftlichen Vermerk und Datumsstempel: "Eingang:

16. April 2002" versehen, hat folgenden Wortlaut:

"Ich ersuche um baubehördliche Bewilligung für folgende Punkte:

* Die Änderung der Nutzungsart des Objektes Hauptstraße 277 im Erdgeschoss in die Betriebsart des Gastgewerbes.

* Umbauten wie

- Brandschutztrennwand im Lokalbereich zum Stiegenaufgang (rot gekennzeichet)

- eine zusätzliche Toilettenanlage (rot gekennzeichnet)

* Ein Schanigarten für 15 Sitzplätze vor dem Lokal auf Eigengrund (Anordnung bitte dem Plan entnehmen)

* Fahnenstange vor dem Lokal auf Eigengrund (Länge: 4 m) einbetoniert. (Anordnung bitte dem Plan entnehmen)

* 4 Stellplätze auf Eigengrund, mit Rasensteinen ausgestattet. (Anordnung bitte dem Plan entnehmen)

Angaben bezüglich der Lüftung bzw. Heizung sind der technischen Beschreibung bzw. dem Plan zu entnehmen (Beilagen).

Sobald das Gutachten des umwelttechnischen Sachverständigen bei mir einlangt, werde ich es an sie weiterleiten."

Die Eingabe der Mitbeteiligten, die nach handschriftlichem Vermerk am 6. Mai 2004 "eingelangt" ist, lautet wie folgt:

"Marktgemeinde

Baureferat

  

2231 Straßhof a.d.N.

06.05.05.04

Betrifft: Hauptstr. 277

Unter Beibringung von 3 Planparien wird

beantragt,

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