VwGH 2005/01/0290

VwGH2005/01/029027.9.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des YK in W, vertreten durch Dr. Gerhard Schöppl, Rechtsanwalt in 5071 Wals, Walserfeldstraße 375, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 30. Mai 2005, Zl. 213.096/8-VII/43/02, betreffend §§ 7 und 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8 Abs1;
AVG §58 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8 Abs1;
AVG §58 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Serbien und Montenegro, stammt aus dem Kosovo und gehört der albanischen Volksgruppe an. Nachdem er einen ersten Asylantrag aus dem Juni 1999 im Juli 2000 zurückgezogen hatte, war er in seinen Herkunftsstaat zurückgekehrt.

Am 23. Mai 2002 reiste der Beschwerdeführer wiederum nach Österreich und stellte in der Folge neuerlich einen Asylantrag. Diesen begründete er im Wesentlichen damit, dass er (vor seiner ersten Flucht nach Österreich) 13 Jahre in Belgrad gewohnt und gearbeitet habe. In seinem Heimatdorf im Kosovo sei er im Hinblick darauf als "Spion" angesehen worden. Nach seiner Rückkehr in den Kosovo im Sommer 2000 sei er daher immer wieder von albanisch sprechenden Personen bedroht worden.

Mit Bescheid vom 17. Juli 2002 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG ab und stellte fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers "nach der Bundesrepublik Jugoslawien" gemäß § 8 AsylG zulässig sei.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Berufung. In der daraufhin am 27. Oktober 2004 durchgeführten Berufungsverhandlung präzisierte er, dass er am 25. Juli 2000 (nach Rückziehung seines ersten Asylantrages) in den Kosovo zurückgeflogen sei; dort habe er sich zunächst in seinem Heimatdorf aufgehalten, habe dieses aber nach ca. einer Woche mit seiner Familie verlassen, weil er es im Hinblick auf Drohungen bzw. Warnungen wegen seines Belgradaufenthaltes nicht gewagt habe, dort länger zu bleiben; er sei dann nach Prizren gegangen und habe dort von Anfang August 2000 bis ungefähr 20. Mai 2002 gelebt; weil ihm dann "das Geld ausgegangen" sei, habe er schließlich den Kosovo verlassen; es sei jedoch richtig, dass er in Prizren keine Probleme gehabt habe.

Mit Bescheid vom 30. Mai 2005 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG ab (Spruchpunkt I.). Außerdem stellte sie gemäß § 8 Abs. 1 AsylG idF der AsylG-Novelle 2003, BGBl. I Nr. 101, iVm § 57 FrG fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Bundesrepublik Jugoslawien, Provinz Kosovo, zulässig sei (Spruchpunkt II.). Die belangte Behörde traf folgende Feststellungen:

"1.1 Zur Person:

Die berufende Partei ist nach eigener Angabe jugoslawische Staatsangehörige, gehört der albanischen Volksgruppe an, ist muslimischen Bekenntnisses, war zuletzt im Heimatstaat in Prizren wohnhaft und war dort vor ihrer Flucht keiner konkreten individuellen Verfolgung ausgesetzt. Der Heimatstaat wurde offenbar aus wirtschaftlichen Gründen verlassen.

Der Asylwerber ist 34 Jahre alt und leidet an keinen Krankheiten.

1.2. Zum Herkunftsstaat

Um Wiederholungen zu vermeiden wird auf die Feststellungen im erstinstanzlichen Bescheid verwiesen."

Der Beschwerdeführer habe - so die belangte Behörde rechtlich - von August 2000 bis ungefähr 20. Mai 2002, als er wieder nach Österreich gegangen sei, ohne jegliche Probleme im Kosovo gelebt. Es könne daher nicht festgestellt werden, dass ihm als Angehörigen der albanischen Mehrheitsbevölkerung im Kosovo eine asylrelevante Verfolgung drohe. Auch eine unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs. 1 AsylG relevante Gefährdung sei nicht zu erkennen.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die belangte Behörde hat hinsichtlich der Verhältnisse im Kosovo auf die Feststellungen im erstinstanzlichen Bescheid verwiesen. Dieser erstinstanzliche Bescheid stammt indes aus dem Juli 2002 und gibt im Wesentlichen die Situation in den Jahren 1999 und 2000 wieder. Mit Recht moniert daher die Beschwerde, dass es im bekämpften Bescheid der belangten Behörde vom 30. Mai 2005 an einer aktuellen Darstellung fehlt. Das stellt einen Verfahrensmangel dar (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 4. April 2001, Zl. 2000/01/0348), dessen Relevanz jedenfalls für die Refoulement-Entscheidung im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen, im Fall einer Rückkehr des Beschwerdeführers in den Kosovo wäre sein physisches Überleben und eine wenigstens notdürftige Abdeckung der elementarsten menschlichen Grund- und Versorgungsbedürfnisse nicht gesichert, auf der Hand liegt. Relevanz des aufgezeigten Verfahrensmangels ist aber auch bezüglich der Asylfrage zu bejahen, weil vor dem Hintergrund der Fluchtgeschichte des Beschwerdeführers, auf die die belangte Behörde im Übrigen (keine Auseinandersetzung mit den behaupteten Vorgängen im Heimatdorf des Beschwerdeführers) nicht ausreichend eingegangen ist, und den auch in der Beschwerde erwähnten notorischen "März-Unruhen" des Jahres 2004 das Bestehen einer aktuellen asylrelevanten Bedrohungslage für den Beschwerdeführer nicht ausgeschlossen werden kann. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 27. September 2005

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