VwGH 2004/18/0325

VwGH2004/18/032515.3.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des R, (geboren 1973), vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 27. August 2004, Zl. SD 715/04, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Normen

31964L0221 Koordinierung-RL EWGVArt56 ordre public Art8 impl;
31964L0221 Koordinierung-RL EWGVArt56 ordre public Art9 impl;
31964L0221 Koordinierung-RL EWGVArt56 ordre public;
FrG 1997 §47 Abs3 Z1;
FrG 1997 §47 Abs3 Z2;
FrG 1997 §47 Abs3 Z3;
FrG 1997 §47 Abs3;
31964L0221 Koordinierung-RL EWGVArt56 ordre public Art8 impl;
31964L0221 Koordinierung-RL EWGVArt56 ordre public Art9 impl;
31964L0221 Koordinierung-RL EWGVArt56 ordre public;
FrG 1997 §47 Abs3 Z1;
FrG 1997 §47 Abs3 Z2;
FrG 1997 §47 Abs3 Z3;
FrG 1997 §47 Abs3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 27. August 2004 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen iranischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer, dessen Identität nicht geklärt sei, sei am 1. September 2000 in das Bundesgebiet gelangt und habe einen Asylantrag gestellt, der erstinstanzlich abgewiesen worden sei. Das diesbezügliche Berufungsverfahren sei anhängig. Mit Urteil des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 14. Mai 2002 sei der Beschwerdeführer nach § 27 Abs. 1 SMG zu einer bedingten Freiheitsstrafe von einem Monat rechtskräftig verurteilt worden. Eine weitere Verurteilung sei am 8. Mai 2003 durch das Landesgericht für Strafsachen Wien nach § 27 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten erfolgt. Dem Urteil sei zugrunde gelegen, dass der Beschwerdeführer am 2. April 2003 in Wien gewerbsmäßig einem namentlich bekannten Abnehmer eine Kugel Heroin verkauft habe. Doch auch diese nunmehr zweite Verurteilung habe den Beschwerdeführer nicht zu einem nunmehr rechtskonformen Verhalten bewegen können. Am 27. Februar 2004 habe er erneut gewerbsmäßig Suchtgift (und zwar einem unbekannten Abnehmer zwei Suchtgiftkugeln) verkauft, und er habe zwei Kugeln Heroin und eine Kugel Kokain an einen verdeckten Ermittler verkaufen wollen. Deshalb sei er mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 22. April 2004 nach § 27 Abs. 1 und 2 Z. 2 erster Fall SMG, § 15 StGB, zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten rechtskräftig verurteilt worden.

Die genannten Verurteilungen erfüllten zweifelsfrei den in § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG normierten Sachverhalt, weshalb die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbots (vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 FrG) im Grund des § 36 Abs. 1 leg. cit. gegeben gewesen seien.

Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Sorgepflichten, familiäre Bindungen bestünden nicht. Behauptetermaßen lebte er mit einer slowakischen Staatsangehörigen in Lebensgemeinschaft. Zwar sei angesichts aller Umstände von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers auszugehen, dieser Eingriff sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen, insbesondere der Suchtgiftkriminalität, zum Schutz der Gesundheit Dritter - dringend geboten sei. Wer, wie der Beschwerdeführer, in Österreich angeblich Schutz vor Verfolgung suche und dann hier wiederholt dem gewerbsmäßigen Suchtgifthandel nachgehe und bereits drei einschlägige Verurteilungen aufweise, lasse seine Ignoranz gegenüber maßgeblichen österreichischen Rechtsvorschriften erkennen. Gerade an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität bestehe ein besonders großes öffentliches Interesse. Dazu komme, dass insbesondere der Suchtgiftkriminalität nicht nur eine hohe Sozialschädlichkeit, sondern auch eine überaus große Wiederholungsgefahr anhafte, die sich im Fall des Beschwerdeführers geradezu bestätigt habe. Solcherart sei eine zugunsten des Beschwerdeführers ausfallende Verhaltensprognose unmöglich. Es könne daher kein Zweifel daran bestehen, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbots dringend geboten und damit zulässig im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG sei.

Bei der gemäß § 37 Abs. 2 FrG durchzuführenden Interessenabwägung sei zunächst auf die aus der Dauer des inländischen Aufenthalts ableitbare Integration des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen. Diese erweise sich jedoch als gering, sei doch zu bedenken gewesen, dass der Beschwerdeführer lediglich auf Grund seines Asylantrags zum vorläufigen Aufenthalt berechtigt sei und die einer jeglichen Integration zugrunde liegende soziale Komponente durch das wiederholte und schwerwiegende strafbare Verhalten des Beschwerdeführers entsprechend an Gewicht gemindert werde. Auch angesichts des Mangels jeglicher familiärer Bindungen im Bundesgebiet sei das dem Beschwerdeführer insgesamt zuzusprechende Interesse an einem Weiterverbleib in Österreich gering. Demgegenüber stehe das maßgebliche große öffentliche Interesse an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität und am Schutz der Gesundheit Dritter. Bei Abwägung dieser Interessenlagen sei die belangte Behörde zu der Ansicht gelangt, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbots auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers keinesfalls schwerer wögen als das in seinem Fehlverhalten gegründete große öffentliche Interesse daran, dass er das Bundesgebiet verlasse und von diesem fern bleibe. Die Erlassung des Aufenthaltsverbots erweise sich daher auch im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG als zulässig.

Mangels sonstiger, besonders zugunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände habe die belangte Behörde auch keine Veranlassung gesehen, von der Erlassung des Aufenthaltsverbots im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts, allenfalls wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Auf dem Boden der insoweit unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde betreffend die (rechtskräftigen) Verurteilungen des Beschwerdeführers zu Freiheitsstrafen - darunter eine zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten und eine zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr - begegnet die (nicht bekämpfte) Auffassung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 (erster und vierter Fall) FrG verwirklicht sei, keinen Bedenken.

1.2. Ferner lässt der Beschwerdeführer das festgestellte diesen Verurteilungen zugrunde liegende Fehlverhalten unbestritten. Danach hat der Beschwerdeführer insbesondere wiederholt gewerbsmäßig Suchtgift verkauft. Bei Suchtgiftdelikten handelt es sich um eine besonders gefährliche Kriminalitätsform mit großer Sozialschädlichkeit und hoher - im Fehlverhalten des Beschwerdeführers manifest gewordener - Wiederholungsgefahr (vgl. aus der ständigen hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 3. November 2004, Zl. 2004/18/0310, mwH). Damit begegnet auch die weitere Ansicht der belangten Behörde, dass im Beschwerdefall die im § 36 Abs. 1 umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinem Einwand.

2.1. Der Beschwerdeführer wendet ein, dass die Verhängung eines Aufenthaltsverbots gegen einen Fremden, der mit einer EU-Bürgerin in einer Lebensgemeinschaft lebe, verfehlt sei. Die Lebensgemeinschaft sei einer Ehe gleichzusetzen. Die Entscheidung über die Verhängung des Aufenthaltsverbots durch die belangte Behörde habe nicht den Anforderungen "des Art. 8 und 9 der Richtlinie 46/221/EWG des Rates vom 25.2.1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern" entsprochen.

2.2. Dieses Vorbringen geht fehl. § 47 Abs. 3 FrG nennt - im Einklang mit der besagten (richtig wohl) Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom 25. Februar 1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind - als begünstigte Drittstaatsangehörige eines EWR-Bürgers nur Ehegatten (Z. 1) bzw. Verwandte in absteigender Linie (Z. 2) und Verwandte des Ehegatten in aufsteigender Linie (Z. 3). Lebensgefährten von EWR-Bürgern - wie behauptetermaßen der Beschwerdeführer - kommen daher als begünstigte Drittstaatsangehörige nicht in Betracht. Die in Art. 8 und 9 dieser Richtlinie enthaltenen Rechtschutzanforderungen sind demnach nicht einschlägig.

3.1. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Achtung seines Privat- und Familienlebens verletzt. Auch damit ist für die Beschwerde nichts gewonnen. Die Auffassung der belangten Behörde, dass die vorliegende fremdenpolizeiliche Maßnahme dringend geboten sei (§ 37 Abs. 1 FrG) erweist sich als zutreffend, hat doch der Beschwerdeführer durch sein gravierendes Fehlverhalten die im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, der Verhinderung von (weiteren) strafbaren Handlungen (durch den Beschwerdeführer), sowie am Schutz der Gesundheit erheblich beeinträchtigt. Unter Zugrundelegung dieses öffentlichen Interesses an der Beendigung des Aufenthalts des Beschwerdeführers erweist sich auch das Ergebnis der von der belangten Behörde nach § 37 Abs. 2 FrG vorgenommenen Abwägung als unbedenklich. Die aus seinem Aufenthalt ableitbare Integration des Beschwerdeführers ist in ihrem Gewicht entscheidend dadurch gemindert, dass die dafür maßgebliche soziale Komponente durch die ihm zur Last liegenden wiederholten Verstöße gegen das SMG erheblich gelitten hat. Die für seinen Verbleib in Österreich sprechenden persönlichen Interessen treten gegenüber dem durch das wiederholte Fehlverhalten des Beschwerdeführers nachhaltig beeinträchtigten Allgemeininteresse an der Erlassung der vorliegenden fremdenpolizeilichen Maßnahme zurück.

4. Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

6. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag vom 28. Februar 2006, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 15. März 2006

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