Normen
BAO §93 Abs2;
BauG Bgld 1997 §10;
LAO Bgld 1963 §232 Abs2;
LAO Bgld 1963 §48;
LAO Bgld 1963 §70 Abs2;
BAO §93 Abs2;
BauG Bgld 1997 §10;
LAO Bgld 1963 §232 Abs2;
LAO Bgld 1963 §48;
LAO Bgld 1963 §70 Abs2;
Spruch:
In Anwendung des § 42 Abs. 4 VwGG wird der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bürgermeisterin der Stadtgemeinde Mattersburg vom 6. Juni 2003, Zl. 102-2003/AK-Z, gemäß § 213 Abs. 1 und 2 der Burgenländischen Landesabgabenordnung, BGBl. Nr. 2/1963, stattgegeben und der Bescheid ersatzlos behoben.
Die Stadtgemeinde Mattersburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1.1. Mit Bescheid der Bürgermeisterin der Stadtgemeinde Mattersburg vom 30. April 2003 wurde dem Beschwerdeführer und seiner Gattin als Eigentümer des als Bauland gewidmeten Grundstücks H-Gasse mit näher bezeichneter Grundstücksnummer und Einlagenzahl der KG Mattersburg gemäß §§ 9 und 10 Burgenländisches Baugesetz 1997 - Bgld BauG, LGBl. Nr. 10/1998, in Verbindung mit der Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Mattersburg vom 21. Dezember 2001 die Entrichtung eines Kostenbeitrages für Aufschließungsmaßnahmen und zwar für die Herstellung öffentlicher Verkehrsflächen (Herstellung des Unterbaues, der Straßendecke und der Straßenbeleuchtung) in 7210 Mattersburg, H-Gasse, in der Höhe von EUR 316,-- vorgeschrieben. Der Bescheid wurde dem Verwaltungsgerichtshof in Kopie vorgelegt.
Gegen diesen Bescheid erhoben der Beschwerdeführer und seine Gattin Berufung.
1.2. Mit Bescheid der Bürgermeisterin der Stadtgemeinde Mattersburg vom 6. Juni 2003 wurde dem Beschwerdeführer und seiner Gattin gemäß §§ 9 und 10 Burgenländisches Baugesetz 1997 - Bgld BauG, LGBl. Nr. 10/1998, in Verbindung mit der Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Mattersburg vom 21. Dezember 2001 (neuerlich) die Entrichtung eines Kostenbeitrages für Aufschließungsmaßnahmen und zwar für die Herstellung öffentlicher Verkehrsflächen (Herstellung des Unterbaues, der Straßendecke und der Straßenbeleuchtung) in 7210 Mattersburg, H-Gasse, in der Höhe von EUR 316,-- vorgeschrieben.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 28. Juli 2003 Berufung und führte unter anderem aus, dass der Bescheid der Bürgermeisterin vom 6. Juni 2003 gegen den Grundsatz "ne bis in idem" verstoße, da in der gegenständlichen Angelegenheit bereits der Bescheid der Bürgermeisterin vom 30. April 2003 vorliege.
1.3. Da über diese Berufung nicht innerhalb von sechs Monaten entschieden wurde, erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 4. März 2004 Säumnisbeschwerde.
1.4. Mit Verfügung vom 10. März 2004, Zl. 2004/17/0028-2, leitete der Verwaltungsgerichtshof das Vorverfahren ein und forderte die belangte Behörde auf, binnen drei Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen und eine Abschrift des Bescheides vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliege, und dazu gemäß § 36 Abs. 1 VwGG die Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen. Die belangte Behörde wurde auf die Bestimmung des § 38 Abs. 2 VwGG hingewiesen, wonach der Verwaltungsgerichtshof im Falle des Unterbleibens einer fristgerechten Aktenvorlage berechtigt ist, auf Grund der Behauptungen des Beschwerdeführers zu erkennen.
Die belangte Behörde holte den Bescheid nicht nach, äußerte sich nicht und legte auch keine Verwaltungsakten vor.
2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. Zu den Prozessvoraussetzungen:
Die §§ 47 und 48 des Gesetzes vom 21. Dezember 1962 betreffend allgemeine Bestimmungen und das Verfahren für die von den Abgabenbehörden des Landes und der Gemeinden verwalteten Abgaben (Landesabgabenordnung - LAO; in der Folge: Bgld LAO), LGBl. Nr. 2/1963, lauten:
"2. Zuständigkeit
§ 47. Die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Abgabenbehörden richtet sich nach den Vorschriften über ihren Wirkungsbereich und nach den Abgabenvorschriften.
§ 48. Enthalten die im § 47 erwähnten Vorschriften über die sachliche Zuständigkeit keine Bestimmungen, so sind in den Angelegenheiten der Landesabgaben in erster Instanz das Amt der Landesregierung, in zweiter Instanz die Landesregierung und in den Angelegenheiten der Gemeindeabgaben in erster Instanz der Bürgermeister und in zweiter Instanz der Gemeinderat sachlich zuständig."
Die Vorschreibung der Kostenbeiträge für Aufschließungsmaßnahmen nach dem Bgld BauG fällt gemäß § 31 Bgld BauG in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde (vgl. die unter 2.2.2. wiedergegebenen Rechtsgrundlagen).
Im Falle der Säumnis des Gemeinderats als Berufungsbehörde (§ 10 Abs. 1 Bgld BauG in Verbindung mit § 48 Bgld LAO) besteht keine Möglichkeit der Erhebung eines Devolutionsantrags an eine andere Verwaltungsbehörde (vgl. § 232 Abs. 2 Bgld LAO).
Zwischen der Einbringung der Berufung gegen den Bescheid der Bürgermeisterin vom 6. Juni 2003 und der Erhebung der Säumnisbeschwerde sind mehr als sechs Monate verstrichen (§ 27 VwGG). Die vorliegende Säumnisbeschwerde ist daher zulässig, da eine Säumnis der obersten anrufbaren Verwaltungsbehörde von mehr als sechs Monaten bei Einbringung der Säumnisbeschwerde vorlag.
Der Gemeinderat der Stadtgemeinde Mattersburg hat den ausstehenden Bescheid auch nach Einleitung des Vorverfahrens nicht erlassen. Der Verwaltungsgerichtshof ist daher gemäß § 42 Abs. 4 VwGG zuständig, über die Berufung des Beschwerdeführers zu entscheiden.
2.2. Zur Entscheidung in der Sache:
2.2.1. Die belangte Behörde hat ungeachtet des ihr mit hg. Verfügung vom 10. März 2004 erteilten Auftrages die Akten des Verwaltungsverfahrens nicht vorgelegt. Auf Grund des oben unter Punkt 1.festgestellten Sachverhalts ergibt sich für die vom Verwaltungsgerichtshof zu treffende Berufungsentscheidung Folgendes:
2.2.2. Das Gesetz vom 20. November 1997, mit dem Bauvorschriften für das Burgenland erlassen werden (Burgenländisches Baugesetz 1997 - Bgld BauG), LGBl. Nr. 10/1998 (§ 9 idF LGBl. Nr. 42/2001), lautet auszugsweise:
"Kostenbeiträge für Aufschließungsmaßnahmen
§ 9. (1) Die Gemeinde hat die notwendigen Aufschließungsmaßnahmen (Herstellung, Wiederherstellung oder Verbreiterung der Verkehrsflächen und Straßenbeleuchtung) insbesondere unter Berücksichtigung des zu erwartenden Verkehrs und der jeweiligen straßenbautechnischen Erkenntnisse zu treffen.
(2) Die Gemeinden werden ermächtigt, durch Verordnung des Gemeinderates von den Eigentümern der als Bauland gewidmeten Grundstücke (Abgabepflichtige) Beiträge zur Deckung der Kosten für nachstehende Aufschließungsmaßnahmen zu erheben:
1. zur erstmaligen Herstellung der Verkehrsfläche und der Straßenbeleuchtung,
2. zu einer Wiederherstellung der Verkehrsfläche, Teilen der Verkehrsfläche und der Straßenbeleuchtung, soweit diese 25 Jahre nach der letzten Herstellung oder Wiederherstellung erfolgt ist, und
3. zu einer notwendigen Verbreiterung der Verkehrsfläche.
(3) Die Höhe des Beitrages ergibt sich aus dem Produkt der Berechnungslänge des Grundstückes (Abs. 4) und dem jeweiligen Einheitssatz (Abs. 5).
(4) Die Berechnungslänge ist die Länge der der Verkehrsfläche nächstgelegenen Grundstücksgrenze. Ergibt die Seitenlänge eines dem Baugrundstück flächengleichen Quadrates jedoch eine geringere Länge, ist diese der Berechnung zugrunde zu legen.
(5) Die Einheitssätze sind vom Gemeinderat durch Verordnung für die unter Z 1 bis 4 genannten Maßnahmen getrennt festzusetzen. Diese dürfen jeweils die halben Durchschnittskosten für die erstmalige Herstellung eines Laufmeters
1. des Unterbaues einer 3 m breiten mittelschweren befestigten Fahrbahn einschließlich Oberflächenentwässerung
- 2. einer 3 m breiten Straßendecke
- 3. eines 1,5 m breiten Gehsteiges sowie
- 4. einer Straßenbeleuchtung
nicht übersteigen.
(6) Wird eine öffentliche Verkehrsfläche nicht von der Gemeinde errichtet und hat die Gemeinde die Kosten für die Aufschließungsmaßnahme ganz oder teilweise getragen, so kann die Gemeinde Beiträge zu den ihr erwachsenen Kosten nach Maßgabe der vorstehenden Absätze vorschreiben.
Rechtsnatur der Kostenbeiträge,
Verfahren
§ 10. (1) Die Kostenbeiträge gemäß § 9 sind ausschließliche Gemeindeabgaben gemäß § 6 Abs. 1 Z 5 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948, BGBl. Nr. 45 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 201/1996, die mit Bescheid vorzuschreiben sind. Ihre Erträge fließen der Gemeinde zu.
(2) Der Abgabenanspruch entsteht, wenn die von der Gemeinde beschlossenen Aufschließungsmaßnahmen fertiggestellt sind. Das Recht, die Kostenbeiträge gemäß § 9 vorzuschreiben, verjährt binnen fünf Jahren.
...
Eigener Wirkungsbereich der Gemeinde
§ 31. Die Gemeinden haben ihre in diesem Gesetz geregelten Aufgaben mit Ausnahme des § 8 Abs. 7 und 8 und des § 12 Abs. 4 im eigenen Wirkungsbereich zu besorgen."
2.2.3. Mit Bescheid der Bürgermeisterin der Stadtgemeinde Mattersburg vom 30. April 2003 wurde dem Beschwerdeführer und seiner Gattin für das gleiche Grundstück in der H-Gasse, für welches die Vorschreibung vom 6. Juni 2003 erfolgte, ein Aufschließungsbeitrag nach dem Bgld BauG vorgeschrieben. Über die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde nach den dem Verwaltungsgerichtshof vorliegenden Unterlagen nicht entschieden. Mit dem im gegenständlichen Verfahren mit Berufung bekämpften Bescheid der Bürgermeisterin der Stadtgemeinde Mattersburg vom 6. Juni 2003 wurde dem Beschwerdeführer und seiner Gattin abermals für dasselbe Objekt auf Grund desselben Abgabentatbestandes ein Aufschließungsbeitrag in derselben Höhe vorgeschrieben. In seiner Berufung rügt der Beschwerdeführer, dass der Bescheid vom 6. Juni 2003 gegen den Grundsatz "ne bis in idem" verstoße.
2.2.4. Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Recht:
Der erstinstanzliche Bescheid vom 30. April 2004 wurde wirksam erlassen und gehört, auch wenn er wegen der gegen ihn erhobenen, noch nicht erledigten Berufung noch nicht formell in Rechtskraft erwachsen ist, dem Rechtsbestand an. Wie der Verwaltungsgerichtshof mehrfach ausgesprochen hat, ist auch im Abgabenverfahren davon auszugehen, dass in derselben Sache nur einmal abzusprechen ist (vgl. zum Grundsatz "ne bis in idem" die hg. Erkenntnisse vom 17. Oktober 1974, Zl. 1818/73, Slg. Nr. 4739/F, und vom 18. September 2002, Zl. 98/17/0281, mit weiteren Nachweisen, sowie das hg. Erkenntnis vom 10. Februar 1989, Zl. 87/17/0202). Daher stand einer neuerlichen Festsetzung des gegenständlichen Aufschließungsbeitrages - wie sie durch den Bescheid vom 6. Juni 2003 erfolgte - die Existenz des Bescheides der Bürgermeisterin der Stadtgemeinde Mattersburg vom 30. April 2003 entgegen.
2.2.5. Der mit Berufung bekämpfte Bescheid der Bürgermeisterin vom 6. Juni 2003 lässt sich auch nicht als Berufungsvorentscheidung deuten, die über die Berufung gegen den Bescheid vom 30. April 2003 ergehen hätte können. Er ist seinem eindeutigen Inhalt und seiner Form nach als Abgabenbescheid erster Instanz zu qualifizieren, mit dem (neuerlich) über denselben Abgabenanspruch abgesprochen wurde und durch den es zu einer doppelten Abgabenfestsetzung kam. Da der Bescheid der Bürgermeisterin der Stadtgemeinde Mattersburg vom 6. Juni 2003 somit gegen den Grundsatz der Unwiederholbarkeit ("ne bis in idem") verstößt, war er gemäß § 213 Abs. 1 und 2 Bgld LAO ersatzlos zu beheben.
2.3. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
2.4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 22. Februar 2006
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