VwGH 2004/10/0175

VwGH2004/10/01752.7.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Köhler, Dr. Rigler und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerde der Oberösterreichischen Umweltanwaltschaft gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 26. August 2004, Zl. N- 105207/24-2004-Mö/Gre, betreffend naturschutzbehördliche Feststellung (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde G), zu Recht erkannt:

Normen

LSchV OÖ Bereich von Flüssen und Bächen 1982 §1 Abs1;
NatSchG OÖ 2001 §10 Abs1 Z2;
NatSchG OÖ 2001 §10 Abs2;
NatSchG OÖ 2001 §3 Z2;
NatSchG OÖ 2001 §3 Z8;
LSchV OÖ Bereich von Flüssen und Bächen 1982 §1 Abs1;
NatSchG OÖ 2001 §10 Abs1 Z2;
NatSchG OÖ 2001 §10 Abs2;
NatSchG OÖ 2001 §3 Z2;
NatSchG OÖ 2001 §3 Z8;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Antrag der belangten Behörde auf Kostenersatz wird abgewiesen.

Begründung

1.1. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde im Instanzenzug gemäß § 10 Abs. 1 Z 2, § 10 Abs. 2 und Abs. 4 des Oö Natur- und Landschaftsschutzgesetzes 2001, LGBl. Nr. 129/2001 (in der Folge: Oö NatSchG), in Verbindung mit der Verordnung der Oö. Landesregierung vom 20. Dezember 1982 über den Landschaftsschutz im Bereich von Flüssen und Bächen, LGBl. Nr. 107/1982, festgestellt, dass durch den Ausbau des Stampfenbachtal-Weges beginnend bei km 0,210 des Güterweges P in einer Länge von 870 m und einer Endausbaubreite von 3,5 m im Uferschutzbereich des Stampfenbaches bei Einhaltung der vorgeschriebenen Bedingungen und Auflagen öffentliche Interessen an der Erhaltung des Landschaftsbildes und des Naturhaushaltes, die alle anderen Interessen überwiegen, nicht verletzt werden.

1.2. Begründend führte die belangte Behörde aus, die antragstellende Marktgemeinde habe für den Ausbau ihre Verpflichtung zur Schneeräumung in diesem Bereich, die Notwendigkeit einer attraktiven Gestaltung des Straßennetzes entlang des Aisttal-Radweges im Interesse des Fremdenverkehrs und die Reduktion des CO2-Ausstoßes durch die Einsparung von Straßenkilometern ins Treffen geführt. Auch die Gemeinde St. Leonhard bei Freistadt habe eine Stellungnahme abgegeben und ausgeführt, dass jeder der rund 10 Pendler, die dieses Ausbaustück benützten, täglich 10 km Fahrstrecke einsparen könnte. Darüber hinaus sei die Straße ohne Ausbau im Winter nicht befahrbar, weil keine Schneeräumung möglich sei. Die Zufahrt von Lieferanten zu einem Tischlereibetrieb könne nur über St. Leonhard erfolgen, was sich sowohl für den Betrieb als auch für die Lieferanten negativ auswirke.

Ein besonderes Anliegen sei jedoch die Ermöglichung eines Rundkurses für den Transport der Kindergarten- und Schulkinder. Die Marktgemeinde St. Leonhard könne dadurch ca. 3.600 EUR jährlich einsparen.

Nach Wiedergabe eines in erster Instanz eingeholten naturschutzfachlichen Gutachtens, dem zu Folge der Weg durch den Ausbau zu einem deutlich störenden Fremdkörper würde und eine ökologische Barrierewirkung durch die vollflächige Asphaltierung entstünde, wurde festgehalten, dass sich die beschwerdeführende Partei dem naturschutzfachlichen Gutachten angeschlossen habe.

Im Berufungsverfahren sei ein Gutachten des Amtssachverständigen für Natur- und Landschaftsschutz eingeholt worden, das im vollen Wortlaut wieder gegeben wird. Der Sachverständige komme in diesem Gutachten zum Ergebnis, dass der bestehende Weg "besser in den lokalen Naturhaushalt integriert ist, als dies bei einer asphaltierten Fläche der Fall wäre." Der Zerschneidungseffekt asphaltierter Straßen und Wege sei höher einzustufen als jener von nicht derart befestigten Wegen. Bei einer Länge von etwa 860 m und einer Breite (des Talbodens) von durchschnittlich 50 bis 60 m ergebe sich für den Talboden als Relationsfläche eine Fläche von etwa 43.000 bis 51.500 m2, was einen Anteil des Weges von 4-5 % an der gesamten Talfläche ergebe.

Die Oberflächen asphaltierter Straßen stellten wegen ihrer thermodynamischen Gegebenheiten eine Gefahr dar (Anlocken von Wirbeltieren und Reptilien durch die sich im Bereich der Straße wegen der Wärme aufhaltenden Insekten). Außerdem sei von einer negativen Beeinträchtigung des Charakters des lokalen Landschaftsbildes auszugehen. Als indirekte Auswirkung wird auf die Steigerung der Attraktivität der Verbindung hingewiesen, die zu einer Mehrbelastung der Route führen werde, "was aus naturschutzfachlicher Sicht durchaus als Verschlechterung der Situation in einem jetzt noch weitgehend beruhigten Talbereich" zu werten sei.

Es sei somit festzustellen, dass eine Asphaltierung des Weges "unter den gegebenen Umständen der Lokalität des Standortes sowohl als negativ zu wertender Eingriff in das lokale Landschaftsbild als auch in den Naturhaushalt zu bewerten" sei.

Angemerkt werde weiters, dass beim Lokalaugenschein "zum Zeitpunkt der lokalen Schneeschmelze" festgestellt worden sei, dass der Zustand des Weges auch im ausklingenden Winter so sei, dass ein Befahren, wenn auch vergleichsweise in geringerem Tempo, möglich sei.

Diesem Gutachten habe sich die beschwerdeführende Partei angeschlossen und die Auffassung vertreten, dass eine einfache Weginstandhaltung ohne Asphaltierung des Weges ausreichend und für einen Wirtschaftsweg zweckdienlich sei.

Nach Wiedergabe der im Berufungsverfahren wiederholten Argumentation der antragstellenden Marktgemeinde und der maßgebenden Rechtsgrundlagen bejahte die belangte Behörde zunächst das Vorliegen eines Eingriffs in das Landschaftsbild unter Hinweis auf die Ausführungen des Naturschutzsachverständigen. Im Rahmen der Interessenabwägung legte die Behörde unter Bedachtnahme auf die oben dargestellten, von der antragstellenden Marktgemeinde und der Marktgemeinde St. Leonhard ins Treffen geführten Umstände und das öffentliche Interesse an der Erhaltung des Landschaftsbildes sowie des Naturhaushaltes, welches als "sehr hoch" eingestuft wurde, dar, unter Berücksichtigung der von der antragstellenden Marktgemeinde vorgetragenen Argumentation ergebe sich, dass durch das Vorhaben solche öffentliche Interessen an der Erhaltung des Landschaftsbildes oder des Naturhaushaltes, die alle anderen Interessen überwögen, nicht verletzt würden. Insbesondere das Interesse an einem sicheren und kostengünstigen Schülertransport und einer ordnungsgemäßen Schneeräumung sowie der wirtschaftliche Aspekt bei Durchführung der Schülertransporte im Rundkurs seien geeignet, dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung des Landschaftsbildes zumindest gleichwertig zu sein.

1.3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde der Oberösterreichischen Umweltanwaltschaft, in der insbesondere die Unbestimmtheit des angefochtenen Bescheides und eine mangelhafte Interessenabwägung geltend gemacht werden.

1.4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Nach § 10 Abs. 1 Z. 2 Oö NatSchG gilt der Natur- und Landschaftsschutz im Sinne dieser Bestimmungen für Flüsse und Bäche (einschließlich ihrer gestauten Bereiche) und einen daran unmittelbar anschließenden 50 m breiten Geländestreifen, wenn sie in einer von der Landesregierung zu erlassenden Verordnung angeführt sind.

Gemäß § 10 Abs. 2 OÖ NatSchG ist jeder Eingriff in das Landschaftsbild in geschützten Bereichen gemäß Abs. 1

  1. 1. in das Landschaftsbild und
  2. 2. im Grünland (§ 3 Z 6) in den Naturhaushalt

    verboten, "solang die Behörde nicht bescheidmäßig festgestellt hat, dass solche öffentliche Interessen an der Erhaltung des Landschaftsbildes, die alle anderen Interessen überwiegen, nicht verletzt werden".

    Unter einem "Eingriff in das Landschaftsbild" ist gemäß § 3 Z. 2 Oö NSchG 2001 eine Maßnahme von nicht nur vorübergehender Dauer zu verstehen, die zufolge ihres optischen Eindruckes das Landschaftsbild maßgeblich verändert.

    Landschaftsbild ist gemäß § 3 Z. 8 OÖ NatSchG das Bild einer Landschaft von jedem möglichen Blickpunkt zu Land, zu Wasser und in der Luft.

    Nach § 1 Abs. 1 der Verordnung der Oberösterreichischen Landesregierung über den Landschaftsschutz im Bereich von Flüssen und Bächen, LGBl. Nr. 107/1982, gilt der Landschaftsschutz für die in der Anlage angeführten Flüsse und Bäche (einschließlich ihrer gestauten Bereiche) und einen unmittelbar anschließenden 50 Meter breiten Geländestreifen.

    Gemäß Punkt 3.9.2.2. der Anlage zu § 1 Abs. 1 fällt der Stampfenbach in den Anwendungsbereich der Verordnung.

    Die genannte Verordnung gilt gemäß § 59 Abs. 15 Z. 3 Oö NatSchG als Verordnung gemäß § 10 Abs. 1 Oö NatSchG (2001).

    Der Natur- und Landschaftsschutz gilt daher für den Stampfenbach und einen daran unmittelbar anschließenden 50 m breiten Geländestreifen. Das gegenständliche Vorhaben liegt nach den nicht bestrittenen Feststellungen im 50 m-Uferschutzbereich des Stampfenbaches.

2.2. Die beschwerdeführende Umweltanwaltschaft, deren Beschwerdelegitimation sich auf § 5 Abs. 1 Oö Umweltschutzgesetz, LGBl. Nr. 84/1996 in der Fassung Nr. 1/2000, in Verbindung mit § 39 OÖ NatSchG und Art. 131 Abs. 2 B-VG stützt, macht zunächst geltend, der Spruch des angefochtenen Bescheides sei zu unbestimmt.

Diesem Vorbringen ist zu entgegnen, dass sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid auf das von der mitbeteiligten Marktgemeinde eingereichte Projekt eines Ausbaus des bereits bestehenden Weges vom 6. Juni 2002 bezieht und dieses in Übereinstimmung mit den Einreichunterlagen abgesehen von der Angabe des Beginn- und Endpunktes durch die Angabe der Kronenbreite von 3,5 m und einer durchgehend asphaltierten Fahrbahn von 2,5 m näher beschreibt. Eine Unbestimmtheit der Bewilligung kann daher in der Bewilligung der nach den Projektsunterlagen beantragten Maßnahmen nicht erblickt werden.

2.3. Hinsichtlich der von der belangten Behörde vorgenommenen Interessenabwägung wird in der Beschwerde insbesondere moniert, dass die von der antragstellenden Gemeinde ins Treffen geführten Argumente nicht näher hinterfragt worden seien. Für die Interessenabwägung bedürfe es der eingehenden Darstellung des Gewichtes der Eingriffe in Natur und Landschaft ebenso wie des Gewichtes der damit abzuwägenden privaten und öffentlichen Interessen (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1996, Zl. 92/10/0016). Es hätte insbesondere eine nachvollziehbare Kosten-Nutzen-Untersuchung durchgeführt werden müssen, in welcher die Ausbau- und Erhaltungskosten dem zu erwartenden Nutzen durch Fahrstreckenverkürzung für Pendler, Einrichtung einer Schulbusrundfahrt etc. gegenüber gestellt worden wären. Die belangte Behörde hätte einseitig die Interessensdarlegung der mitbeteiligten Marktgemeinde übernommen und keine Objektivierung der involvierten Interessen vorgenommen. Es sei daher von einem mangelnden Nachweis wesentlicher öffentlicher Interessen am geplanten Vorhaben auszugehen.

Das in zweiter Instanz eingeholte naturschutzfachliche Gutachten dokumentiere ebenfalls die negativen Auswirkungen auf die öffentlichen Interessen des Natur- und Landschaftsschutzes, vor allem den Zerschneidungseffekt durch die Asphaltierung, die lokale Gefährdung zahlreicher Tierarten durch den gesteigerten Verkehr und die Beeinträchtigung des Charakters des Landschaftsbildes.

Auch mit diesem Vorbringen wird keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt.

Wie der Verwaltungsgerichtshof zu Vorschriften wie den hier anwendbaren Regelungen des Oö NatSchG wiederholt ausgesprochen hat, zeichnet sich die naturschutzrechtliche Abwägung bei der Beurteilung der Zulässigkeit von Eingriffen in das Landschaftsbild oder den Naturhaushalt dadurch aus, dass dabei häufig monetär nicht bewertbare Größen einander gegenüber zu stellen sind. Wohl trifft es zu, dass der Verwaltungsgerichtshof (neben dem von der beschwerdeführenden Partei genannten Erkenntnis etwa bereits im hg. Erkenntnis vom 28. Juni 1993, Zl. 93/10/0019) aus dem Umstand, dass die konkurrierenden Interessen meist nicht monetär bewertbar und damit berechenbar seien, die Folgerung gezogen hat, dass daher "die für und gegen ein Vorhaben sprechenden Argumente möglichst umfassend und präzis zu erfassen und einander gegenüberzustellen" seien. Der Verwaltungsgerichtshof vermag der belangten Behörde nicht entgegen zu treten, wenn diese angesichts des bereits bestehenden Weges und dem daraus folgenden Umstand, dass auch nach den Gutachten hinsichtlich der optischen Beeinträchtigung nur von einer Verstärkung einer bereits gegebenen Eingriffswirkung auszugehen ist, und im Hinblick darauf, dass die konstatierten Eingriffe in den Naturhaushalt sich als die im Allgemeinen mit der Errichtung einer Straße verbundenen negativen Auswirkungen darstellen (Zerschneidungsfunktion, Verstärkung des Verkehrs) die für die Errichtung sprechenden öffentlichen Interessen insbesondere an einer sicheren Winterfahrverbindung und einer Verbesserung des Schulbusbetriebes als zumindest gleichwertig beurteilte. Die gegenteilige Auffassung der Beschwerde beruht im Wesentlichen auf einer anderen Wertung des Gewichts der in die Abwägung einfließenden Interessen, die jedoch in dieser Form dem Oö NatSchG nicht entnommen werden kann.

Insofern wird in der Beschwerde nichts vorgebracht, was einen relevanten Verfahrensmangel aufzeigen könnte.

2.4. Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass der angefochtene Bescheid nicht an Rechtswidrigkeit leidet.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

2.5. Der Antrag der belangten Behörde auf Zuerkennung von Kostenersatz war abzuweisen, weil in einem Verfahren über eine Beschwerde einer Amtspartei gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG (eine solche liegt hier vor; vgl. § 5 Abs. 1 Oö Umweltschutzgesetz, LGBl. Nr. 84/1996 in der Fassung Nr. 1/2000, in Verbindung mit § 39 OÖ NatSchG) keine Kosten zuzusprechen sind (§ 47 Abs. 4 VwGG). Wien, am 2. Juli 2008

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