Normen
AlVG 1977 §36 Abs3 litB sublita;
AlVG 1977 §36 Abs5;
AlVG Freigrenzenerhöhungsrichtlinie 2002;
EStG 1988 §16 Abs1 Z1;
AlVG 1977 §36 Abs3 litB sublita;
AlVG 1977 §36 Abs5;
AlVG Freigrenzenerhöhungsrichtlinie 2002;
EStG 1988 §16 Abs1 Z1;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Nach der Aktenlage wurde im Juli 2004 der für die Notstandshilfe beziehende Beschwerdeführerin zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice der Einkommensteuerbescheid ihres Lebensgefährten für das Jahr 2002 übermittelt. Danach hatte dieser Einkünfte aus Gewerbebetrieb von EUR 16.438,21.
In den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten befindet sich keine Ausfertigung des - dem angefochtenen Bescheid zufolge mit 21. Juli 2004 datierten - erstinstanzlichen Bescheides. Einem im Berufungsakt enthaltenen datenverarbeiteten Auszug vom 21. Juli 2004 ist offensichtlich der Inhalt des erstinstanzlichen Bescheides zu entnehmen. Dieser Ausdruck nennt einen Betrag von 6.423,52 und enthält unter anderem noch folgende Bestandteile:
"Kurztext Widerruf/Rückforderung
Spruch 01.01.2002 - 31.10.2002
Begründung Aufgrund des Einkommensteuerbescheides 2002 Ihres Lebensgefährten wurde Ihre Notstandshilfe für obigen Zeitraum neu bemessen. Es ergibt sich daher obige Rückforderung.
Bescheiddatum 21.07.2004"
In der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin wörtlich vor (Fettdruck im Original):
"Der im Einkommenssteuerbescheid 2002 für (den Lebensgefährten der Beschwerdeführerin) angegebene Betrag stand nachweislich nicht für den Lebensunterhalt zur Verfügung, da (der Lebensgefährte der Beschwerdeführerin) Rückzahlungen von Privatkrediten in der Höhe von
EUR 3.887,30 ... + EUR 1.980,00 ... sowie Rückzahlungen aus Steuerrückständen in der Höhe von EUR 3.200,00 zu tätigen hatte."
Der Berufung legte die Beschwerdeführerin Auszüge der Kreditkonten und Mitteilungen des Finanzamtes bei.
Die belangte Behörde forderte die Beschwerdeführerin mit Brief vom 16. August 2004 auf zur Vorlage von
" 2 Kreditverträge(n), aus denen der Verwendungszweck ersichtlich ist (eine Freigrenzenerhöhung ist nur möglich, wenn die Kreditaufnahme zur Wohnraumbeschaffung oder -sanierung notwendig war, Firmenkredite können nicht berücksichtigt werden). ... Sollten Sie keine Nachweise vorlegen können, wird aufgrund der Aktenlage entschieden."
Die Beschwerdeführerin sagte in einem Schreiben vom 20. August 2004 der belangten Behörde die Übermittlung der geforderten Unterlagen bis spätestens 14. September 2004 zu.
Mit Schreiben vom 8. September 2004 teilte die Beschwerdeführerin der belangten Behörde mit, die beiden in der Berufung genannten Kredite hätte ihr Lebensgefährte "zu einer Existenzgründung (Firma)" verwendet. Tatsächlich sei dem Lebensgefährten nur das um die Kreditrückzahlungen verringerte Einkommen zur Verfügung gestanden.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid (vom 5. Oktober 2004) hat die belangte Behörde den Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice dahin abgeändert, dass sich der Rückforderungsbetrag auf EUR 5.719,35 verringere; im Übrigen wurde der Berufung keine Folge gegeben.
In der Begründung führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und einer Darstellung der Rechtslage aus, dass auf Grund der Erklärungen des Lebensgefährten der Beschwerdeführerin eine vorläufige Berechnung der Notstandshilfe vorgenommen worden sei. Erst nach Übermittlung des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2002 habe eine endgültige Beurteilung der Notlage durchgeführt werden können. Nach der vorläufigen Berechnung habe die Beschwerdeführerin eine tägliche Notstandshilfe in der Höhe von EUR 24,53 bezogen, nunmehr gebühre ihr Notstandshilfe von täglich EUR 3,76. Der Differenzbetrag habe zurückgefordert werden müssen. Tatsächlich bestehe nach Abrechnung mit der Pensionsversicherungsanstalt ein Überbezug von nurmehr EUR 1.280,49.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die Beschwerdeführerin behauptet in der Beschwerde im Wesentlichen, die belangte Behörde hätte bei der Ermittlung des Einkommens ihres Lebensgefährten dessen Kreditrückzahlungen anrechnen und die Freigrenzen entsprechend erhöhen müssen. Es habe sich dabei - wie in der Beschwerde erstmals behauptet wird - um Darlehen zur Anschaffung eines Pkws und zur Leistung einer Gesellschaftereinlage gehandelt.
Die Rechtslage stellt sich wie folgt dar:
Gemäß § 33 Abs. 2 AlVG ist Voraussetzung für die Gewährung der Notstandshilfe unter anderem, dass sich der Arbeitslose in Notlage befindet.
Gemäß § 2 Abs. 1 der auf Grund des § 36 Abs. 1 AlVG erlassenen Notstandshilfeverordnung, BGBl. Nr. 352/1973, liegt Notlage vor, wenn das Einkommen des (der) Arbeitslosen und das seines Ehepartners (Lebensgefährten bzw. seiner Lebensgefährtin) zur Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse des (der) Arbeitslosen nicht ausreicht.
Abs. 1 und Abs. 2 des § 6 NH-VO (in der hier anzuwendenden Fassung der Verordnung BGBl. II Nr. 490/2001) lauten:
"§ 6. (1) Bei Heranziehung des Einkommens des Ehepartners (Lebensgefährten bzw. der Lebensgefährtin) des (der) Arbeitslosen für die Beurteilung der Notlage ist wie folgt vorzugehen: Von dem Einkommen ist ein Betrag freizulassen, der zur Bestreitung des notwendigen Lebensunterhaltes des Ehepartners (Lebensgefährten bzw. der Lebensgefährtin) und der allenfalls von ihm zu versorgenden Familienmitglieder bestimmt ist (Freigrenze). Der die Freigrenze übersteigende Teil des Einkommens ist auf die Notstandshilfe anzurechnen.
(2) Die Freigrenze beträgt pro Monat 430 Euro für den das Einkommen beziehenden Ehepartner (Lebensgefährten bzw. die Lebensgefährtin) und die Hälfte dieses Betrages für jede Person, für deren Unterhalt der Ehepartner (Lebensgefährte bzw. die Lebensgefährtin) auf Grund einer rechtlichen oder sittlichen Pflicht tatsächlich wesentlich beiträgt."
Eine Erhöhung des - im Sinne des § 36 Abs. 3 lit. B sublit. a AlVG in § 6 Abs. 2 bis 4 Notstandshilfeverordnung jeweils nach der Größe der Familie bemessenen - Freibetrages kann nach § 36 Abs. 5 AlVG in berücksichtigungswürdigen Fällen, wie z.B. Krankheit, Schwangerschaft, Niederkunft, Todesfall, Hausstandsgründung und dgl., im Rahmen der vom Arbeitsmarktservice festgelegten Richtlinien erfolgen. Die auf der gesetzlichen Grundlage von § 36 Abs. 5 AlVG vom Arbeitsmarktservice (im Sinne des § 4 Abs. 3 AMSG) erlassene, in der Wiener Zeitung kundgemachte (und bei Pfeil/Dirschmied, AlVG, 3. Auflage, 487 ff, wiedergegebene) Richtlinie zur Freigrenzenerhöhung (in der Folge: Richtlinie), die eine Rechtsverordnung darstellt, bringt in ihrem Abschnitt "I. Allgemeines" zunächst zum Ausdruck, die Berücksichtigungswürdigkeit freigrenzenerhöhender Umstände gestatte keine Ermessensentscheidung. Bei Vorliegen von Berücksichtigungswürdigkeit sei die Freigrenze zu erhöhen, wobei es erst hier im Ermessen des Arbeitsmarktservice liege, in welchem Ausmaß die Freigrenze erhöht werde. In Abschnitt
"II. Berücksichtigungswürdige Umstände im Sinne des § 36 Abs. 5 AlVG" sind als Umstände, die zur Freigrenzenerhöhung führen können, unter anderem angeführt:
- "6. Unterhaltsverpflichtungen.
- 7. Darlehen für Hausstandsgründung bzw. Wohnraumbeschaffung; während des Leistungsbezuges bzw. nach Eintritt der letzten Arbeitslosigkeit aufgenommene Darlehen für Hausstandsgründung bzw. Wohnraumbeschaffung können ausnahmsweise und nur dann berücksichtigt werden, wenn die damit getätigten Anschaffungen (im unbedingt notwendigen Umfang) zur Sicherung einer angemessenen Haushaltsführung im bisherigen Umfang erforderlich sind (z.B. Wohnraumsanierung usw.).
8. Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung des Einkommens; unter diesem Titel kann ein nachgewiesener Aufwand, der im Zusammenhang mit der Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung des Einkommens entsteht, in einem das erhöhte Werbekostenpauschale übersteigenden Ausmaß berücksichtigt werden. Beispielsweise die Kosten für die Haltung eines Fahrzeuges (Mittelklassewagen), das zur Berufsausübung unbedingt erforderlich ist, sofern diese nicht in Form eines erhöhten Werbekostenpauschales bereits berücksichtigt wurden.
9. Aufwendungen durch erhöhte Kinderanzahl im Haushalt, Minderung des Einkommens durch Exekution und sonstige nicht von der beispielhaften Aufzählung im § 36 Abs. 5 AlVG erfasste Umstände.
In den vorstehenden Fällen kann die Freigrenze im nachgewiesenen Ausmaß der Aufwendungen bis zur Maximalgrenze von 50 Prozent erhöht werden."
Die Freigrenzenerhöhung im Sinne des Punktes II. Z. 8 der Richtlinie, den die Beschwerdeführerin bei ihrer Argumentation offenbar im Auge hatte, setzt Werbungskosten in einem das erhöhte Werbungskostenpauschale übersteigenden Ausmaß voraus. Abgesehen davon, dass die Beschwerdeführerin den notwendigen unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen den aufgenommenen Darlehen und einer bestimmten Tätigkeit ihres Lebensgefährten selbst in der Beschwerde nicht aufgezeigt hat, ist eine Erhöhung der Freigrenze auf Grund anderer Darlehenszwecke als wegen eines Darlehens für die Hausstandsgründung bzw. für die Wohnraumbeschaffung - wie in Abschnitt II. Punkt 7. der Richtlinie angeführt - nicht vorgesehen (vgl. das Erkenntnis vom 29. März 2006, Zl. 2004/08/0035). Allenfalls könnten die Zinsen für das Darlehen zur Existenzgründung Aufwendungen gemäß Punkt 8. der Richtlinie sein, nicht jedoch die Kapitalrückzahlungen (vgl. § 16 Abs. 1 Z. 1 EStG); dies gemäß der Z. 8 der Richtlinien aber auch nur dann, wenn es sich um einen "nachgewiesenen Aufwand" handelt.
Die belangte Behörde hat daher eine Anrechnung dieser nicht näher konkretisierten Verbindlichkeiten zu Recht nicht vorgenommen.
Soweit die Beschwerdeführerin in der Beschwerde Verfahrensmängel behauptet, ist darauf nicht einzugehen, weil sie es - ausgehend von einer unrichtigen Rechtsansicht - verabsäumt, deren Wesentlichkeit aufzuzeigen.
Ebenso wenig ist das Vorbringen zur Gegenverrechnung des zurückgeforderten Betrages mit anderen Ansprüchen der Beschwerdeführerin in Behandlung zu ziehen; der angefochtene Bescheid hat darüber nicht abgesprochen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 28. Juni 2006
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