VwGH 2004/08/0166

VwGH2004/08/016628.6.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des G in W, vertreten durch Dr. Hans Schwarz, Rechtsanwalt in 1100 Wien, Favoritenstraße 108/3, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 21. Juni 2004, Zl. LGSW/Abt.3-AlV/1218/56/2004-4378, betreffend Nichtzuerkennung von Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §36 Abs3 litB sublita;
AlVG 1977 §36 Abs5;
AlVG Freigrenzenerhöhungsrichtlinie 2002;
AlVG 1977 §36 Abs3 litB sublita;
AlVG 1977 §36 Abs5;
AlVG Freigrenzenerhöhungsrichtlinie 2002;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 14. Mai 2004 hat das Arbeitsmarktservice Prandaugasse den Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von Notstandshilfe vom 2. Mai 2004 abgewiesen, weil das anrechenbare Einkommen seiner Ehefrau trotz Berücksichtigung der gesetzlichen Freigrenzen den Notstandshilfeanspruch des Beschwerdeführers übersteige.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, er habe gemeinsam mit seiner Ehefrau zwei Kredite zur Wohnraumbeschaffung aufgenommen, wofür die Raten EUR 1.400,-- monatlich betragen. Die Ehefrau des Beschwerdeführers erwarte ein Kind, welcher Umstand ebenfalls freigrenzenerhöhend zu berücksichtigen sei. Seine Ehefrau beziehe Wochengeld in der Höhe von EUR 51,46 täglich. Ein starres Abstellen auf die Freigrenzen der Notstandshilfeverordnung sei rechtswidrig, da nach dem klaren Wortlaut des § 33 Abs. 3 AlVG auf die konkrete Notlage abzustellen sei. Diese sei im Beschwerdefall gegeben, weil weitere Kosten für eine Lebensversicherung, für Strom und für sonstige Lebenshaltung anfielen. Auch diese Beträge seien bei der Beurteilung der Notlage zu berücksichtigen. Dass die Freigrenzenerhöhung die in der Notstandshilfeverordnung angeführten Werte um höchstens 50 % übersteigen könne, entspreche nicht dem geltenden Recht, da auf die konkrete Notlage abzustellen sei. Im Fall des Beschwerdeführers wirke nicht nur die Hausstandsgründung, sondern auch die bevorstehende Geburt des Kindes freigrenzenerhöhend. Die Richtlinien zur Freigrenzenerhöhung stünden mit dem Gesetz nicht im Einklang. Im Übrigen habe die Behörde dem Beschwerdeführer die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nicht zur Kenntnis gebracht.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung keine Folge gegeben.

In der Begründung stellte sie kurz den Gang des Verwaltungsverfahrens dar, gab Vorschriften zur Anrechnung des Partnereinkommens wieder und stellte fest, dass der Beschwerdeführer und seine Ehefrau monatlich EUR 1.380,91 an Kreditraten zurückzuzahlen hätten. Davon werde ein Betrag von EUR 690,46, also die Hälfte der Ratenverpflichtung, anerkannt. Die berücksichtigten Kredite dürften jedoch 50 % der gewährten Freigrenzen nicht übersteigen. Die Freigrenze betrage EUR 441,--, weshalb von den Krediten monatlich nur ein Betrag von EUR 220,50 berücksichtigt werden könne. Ab April 2004 ergebe sich ausgehend vom anrechenbaren Nettoeinkommen folgende - wörtlich wiedergegebene - Berechnung:

"Einkommen Dienstverhältnis

EUR 1.334,12

Wochenhilfe April 2004

EUR 257,30

Einkommen April 2004

EUR 1.591,42

davon wird abgezogen:

Werbekostenpauschale für 25 Tage

EUR 9,25 (25 x 0,37)

Freigrenzenerhöhung gem.

§ 36 Abs. 5 AlVG (Kredit)

EUR 220,50

Freigrenze für Ihren Partner

EUR 441,00

Freigrenzenerhöhung gem.

§ 36 Abs. 5 AlVG (Schwangerschaft)

EUR 40,00

ergibt ein anrechenbares Einkommen von

EUR 881 x 12 Monate/366 Tage

ergibt einen Anrechnungsbetrag von EUR 29,-- täglich.

Ihr täglicher Notstandshilfeanspruch ohne Anrechnung betrüge EUR 21,77. Das anrechenbare Einkommen Ihres Partner übersteigt daher die Ihnen an sich gebührende Notstandshilfe.

Ab Juni ergibt sich aufgrund des Wochenhilfebezugs ein

geänderter Anrechnungsbetrag:

Wochenhilfe (51,46 x 30 Tage)

davon wird abgezogen:

EUR 1543,80

Freigrenze für Ihren Partner

EUR 441,00

Freigrenzenerhöhung gem.

§ 36 Abs. 5 AlVG (Kredit)

EUR 220,50

Freigrenzenerhöhung gem.

§ 36 Abs. 5 AlVG (Schwangerschaft)

EUR 40,00

ergibt ein anrechenbares Einkommen von EUR 842 x

12 Monate/266 Tage

Ergibt einen Anrechnungsbetrag von EUR 28 täglich.

Ihr täglicher Notstandshilfeanspruch ohne Anrechnung betrüge in diesem Fall EUR 21,77. Das anrechenbare Einkommen Ihres Partners übersteigt daher die Ihnen an sich gebührende Notstandshilfe.

Da Ihrer Gattin ab 26.04.2004 Wochenhilfe bezieht, kann die zuvor aliquot (25 Tage) gewährte Werbekostenpauschale (in der Höhe von EUR 0,37 täglich) für das aufrechte Dienstverhältnis nicht mehr berücksichtigt werden."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 33 Abs. 2 AlVG ist Voraussetzung für die Gewährung der Notstandshilfe unter anderem, dass sich der Arbeitslose in Notlage befindet.

Gemäß § 2 Abs. 1 der auf Grund des § 36 Abs. 1 AlVG erlassenen Notstandshilfeverordnung, BGBl. Nr. 352/1973, liegt Notlage vor, wenn das Einkommen des (der) Arbeitslosen und das seines Ehepartners (Lebensgefährten bzw. seiner Lebensgefährtin) zur Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse des (der) Arbeitslosen nicht ausreicht.

Abs. 1 und Abs. 2 des § 6 NH-VO (in der hier anzuwendenden Fassung der Verordnung BGBl. II Nr. 490/2001) lauten:

"§ 6. (1) Bei Heranziehung des Einkommens des Ehepartners (Lebensgefährten bzw. der Lebensgefährtin) des (der) Arbeitslosen für die Beurteilung der Notlage ist wie folgt vorzugehen: Von dem Einkommen ist ein Betrag freizulassen, der zur Bestreitung des notwendigen Lebensunterhaltes des Ehepartners (Lebensgefährten bzw. der Lebensgefährtin) und der allenfalls von ihm zu versorgenden Familienmitglieder bestimmt ist (Freigrenze). Der die Freigrenze übersteigende Teil des Einkommens ist auf die Notstandshilfe anzurechnen.

(2) Die Freigrenze beträgt pro Monat 430 Euro für den das Einkommen beziehenden Ehepartner (Lebensgefährten bzw. die Lebensgefährtin) und die Hälfte dieses Betrages für jede Person, für deren Unterhalt der Ehepartner (Lebensgefährte bzw. die Lebensgefährtin) auf Grund einer rechtlichen oder sittlichen Pflicht tatsächlich wesentlich beiträgt."

Eine Erhöhung des - im Sinne des § 36 Abs. 3 lit. B sublit. a AlVG in § 6 Abs. 2 bis 4 Notstandshilfeverordnung jeweils nach der Größe der Familie bemessenen - Freibetrages kann nach § 36 Abs. 5 AlVG in berücksichtigungswürdigen Fällen, wie z.B. Krankheit, Schwangerschaft, Niederkunft, Todesfall, Hausstandsgründung und dgl., im Rahmen der vom Arbeitsmarktservice festgelegten Richtlinien erfolgen. Die auf der gesetzlichen Grundlage von § 36 Abs. 5 AlVG vom Arbeitsmarktservice (im Sinne des § 4 Abs. 3 AMSG) erlassene, in der Wiener Zeitung kundgemachte (und bei Pfeil/Dirschmied, AlVG, 3. Auflage, 487 ff, wiedergegebene) Richtlinie zur Freigrenzenerhöhung (in der Folge: Richtlinie), die eine Rechtsverordnung darstellt, bringt in ihrem Abschnitt "I. Allgemeines" zunächst zum Ausdruck, die Berücksichtigungswürdigkeit freigrenzenerhöhender Umstände gestatte keine Ermessensentscheidung. Bei Vorliegen von Berücksichtigungswürdigkeit sei die Freigrenze zu erhöhen, wobei es erst hier im Ermessen des Arbeitsmarktservice liege, in welchem Ausmaß die Freigrenze erhöht werde. In Abschnitt

"II. Berücksichtigungswürdige Umstände im Sinne des § 36 Abs. 5 AlVG" sind als Umstände, die zur Freigrenzenerhöhung führen können, unter anderem angeführt:

  1. "6. Unterhaltsverpflichtungen.
  2. 7. Darlehen für Hausstandsgründung bzw. Wohnraumbeschaffung; während des Leistungsbezuges bzw. nach Eintritt der letzten Arbeitslosigkeit aufgenommene Darlehen für Hausstandsgründung bzw. Wohnraumbeschaffung können ausnahmsweise und nur dann berücksichtigt werden, wenn die damit getätigten Anschaffungen (im unbedingt notwendigen Umfang) zur Sicherung einer angemessenen Haushaltsführung im bisherigen Umfang erforderlich sind (z.B. Wohnraumsanierung usw.).

    8. Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung des Einkommens; unter diesem Titel kann ein nachgewiesener Aufwand, der im Zusammenhang mit der Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung des Einkommens entsteht, in einem das erhöhte Werbekostenpauschale übersteigenden Ausmaß berücksichtigt werden. Beispielsweise die Kosten für die Haltung eines Fahrzeuges (Mittelklassewagen), das zur Berufsausübung unbedingt erforderlich ist, sofern diese nicht in Form eines erhöhten Werbekostenpauschales bereits berücksichtigt wurden.

    9. Aufwendungen durch erhöhte Kinderanzahl im Haushalt, Minderung des Einkommens durch Exekution und sonstige nicht von der beispielhaften Aufzählung im § 36 Abs. 5 AlVG erfasste Umstände.

    In den vorstehenden Fällen kann die Freigrenze im nachgewiesenen Ausmaß der Aufwendungen bis zur Maximalgrenze von 50 Prozent erhöht werden."

    Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass die belangte Behörde ihre Berechnungen entsprechend der dargestellten Rechtslage durchgeführt hat. Er vertritt jedoch die Ansicht, dass die angewendeten Gesetze verfassungswidrig und die Verordnungen bzw. Richtlinien gesetzwidrig seien. Es müssten weitere Erhöhungen der Freibeträge anerkannt werden.

    Dazu ist hinsichtlich der wiedergegebenen Richtlinie des Arbeitsmarktservice auf das Erkenntnis vom 29. März 2006, Zl. 2004/08/0035, zu verweisen, in dem der Verwaltungsgerichtshof festgehalten hat, dass die Richtlinie zur Freigrenzenerhöhung, welche auch bei Vorliegen mehrerer die Freigrenzen erhöhender Umstände eine Freigrenzenerhöhung um maximal 50 % der Freigrenze nach § 6 Abs. 2 NH-VO festsetzt, nicht gesetzwidrig ist.

    Soweit der Beschwerdeführer die Gesetzwidrigkeit von § 6 Abs. 2 NH-VO und die Verfassungswidrigkeit des § 36 Abs. 5 AlVG behauptet, ist er gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Begründung des Erkenntnisses vom 14. Jänner 2004, Zl. 2002/08/0038, zu verweisen, in dem der Verwaltungsgerichtshof verfassungsrechtliche Bedenken gegen die genannten Bestimmungen nicht geteilt hat.

    Als Verfahrensfehler macht der Beschwerdeführer in der Beschwerde geltend, die belangte Behörde habe sich mit den in der Berufung weiter geltend gemachten berücksichtigungswürdigen Umständen, die zu einer weiteren Freigrenzenerhöhung geführt hätten, nicht auseinandergesetzt und dazu kein Parteiengehör gewährt.

    Dem ist entgegenzuhalten, dass im Hinblick auf die dargestellte Rechtslage eine weitere Erhöhung der Freigrenzen nicht zulässig gewesen ist, weshalb die belangte Behörde in diese Richtung auch keine weiteren Ermittlungen durchzuführen gehabt hatte.

    Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet, und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

    Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 333/2003.

    Wien, am 28. Juni 2006

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