VwGH 2004/06/0057

VwGH2004/06/005714.7.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Bayjones und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde der H GmbH in I, vertreten durch Dr. Hermann Holzmann, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Bürgerstraße 17/P, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Innsbruck vom 20. Februar 2004, Zl. II-AL-011e/2004, betreffend Untersagung der Errichtung von Werbetafeln, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §52;
BauO Tir 2001 §16 Abs3;
BauO Tir 2001 §2 Abs1;
BauO Tir 2001 §2 Abs16;
BauO Tir 2001 §2 Abs18;
BauO Tir 2001 §20 Abs2 lita;
BauO Tir 2001 §45 Abs1;
BauO Tir 2001 §45 Abs3;
BauO Tir 2001 §45 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
AVG §52;
BauO Tir 2001 §16 Abs3;
BauO Tir 2001 §2 Abs1;
BauO Tir 2001 §2 Abs16;
BauO Tir 2001 §2 Abs18;
BauO Tir 2001 §20 Abs2 lita;
BauO Tir 2001 §45 Abs1;
BauO Tir 2001 §45 Abs3;
BauO Tir 2001 §45 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Innsbruck hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit der am 10. September 2003 eingebrachten Bauanzeige vom 9. September 2003 ersuchte die Beschwerdeführerin um nachträgliche Genehmigung der an einer bestimmten Grundparzelle entlang der Grundgrenze bestehenden Plakatflächen in näher bezeichneten Ausmaßen. Sie brachte vor, die Werbetafeln seien bereits im Jahre 1980 mit Zustimmung der Grundeigentümers "an der Begrenzungsmauer angebracht" worden. Die angeschlossene Baubeschreibung enthält (neben der Auflistung der jeweiligen Formate) folgende Angaben:

"Die Tafelkonstruktion besteht aus Duplex-Platten, diese werden auf einem Holzrahmen verschraubt.

Bei Wandtafeln werden diese auf Querlatten befestigt und mit Dübeln am Mauerwerk fixiert."

Hierauf erging am 15. Oktober 2003 der nachstehende

erstinstanzliche

"Bescheid

Sie haben die Aufstellung von drei Plakattafeln auf der Gp. 2874/3 KG P (Gstraße) angezeigt.

Diese Werbeeinrichtungen wurden bereits (konsenslos)

aufgestellt.

Beschreibung:

Entlang der straßenseitigen Einfriedungsmauer auf der Gp. 126/1 KG A sind drei Werbetafeln beantragt. Die Tafeln wurden an der Nordseite dieser Mauer, die gleichzeitig die Grundstücksgrenze darstellt, montiert und befinden sich somit auf der Gp. 2874/3, KG A - öffentliches Gut (Gstraße). Die Abmessungen betragen bei zwei Tafeln 3,40 m x 2,70 m und bei einer Tafel 5,20 m x 2,70 m.

Spruch

Gemäß § 45 Abs. 4 Tiroler Bauordnung 2001 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 SOG 2003 werden die Ausführungen der Aufstellung der gegenständlichen Werbeeinrichtungen

untersagt."

Dies wurde (zusammengefasst) damit begründet, dass die Werbetafeln eine erhebliche Beeinträchtigung des Orts- und Straßenbildes darstellten. Der Bereich, in dem die Werbetafeln angebracht seien, liege am nördlichen Rand der Schutzzone A und werde aus der Sicht des Referates für Stadtkern- und Ortsbildschutz nicht befürwortet; das Gutachten des Referates für Stadtkern- und Ortsbildschutz vom 3. Oktober 2003 wurde mit Ausnahme seines ersten Absatzes wiedergegeben.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, die Behörde gehe bei ihrer Entscheidung vom Vorliegen der Anwendbarkeit des § 45 TBO 2001 aus, ohne jedoch auszuführen, weshalb vom Vorhandensein einer frei stehenden Werbeeinrichtung auszugehen sei. Richtigerweise sei jedoch nicht von einer frei stehenden Werbeeinrichtung auszugehen, zumal die Plakatwände an einer baulichen Anlage fix montiert seien. Hiefür seien jedoch die Bestimmungen des 8. Abschnittes der TBO 2001 anzuwenden. Schon aus diesem Grund habe die erstinstanzliche Behörde den Sachverhalt rechtlich falsch beurteilt. Im Übrigen seien die Feststellungen der Baubehörde erster Instanz nicht nachvollziehbar und die Beschwerdeführerin sei in ihrem Recht auf Parteiengehör verkürzt worden.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dieser Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid "unter Bedachtnahme auf § 45 Abs. 3 TBO 2001". Nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und der Rechtslage führte die belangte Behörde begründend aus, nach den vorliegenden Planunterlagen und Baubeschreibungen sei beabsichtigt, insgesamt drei Plakattafeln auf der Gp. 2874/3 KG A. nordseitig an der straßenseitigen Einfriedungsmauer auf der Gp. 126/1 KG A. nachträglich einer Genehmigung zuzuführen. "Zumal davon auszugehen ist, dass die gegenständlichen Werbeeinrichtungen als solche im Sinne des § 45 Tiroler Bauordnung 2001 zu qualifizieren sind (eine Änderung einer baulichen Anlage findet nicht statt)," sei nach Abs. 3 dieser Bestimmung die Errichtung, Aufstellung oder Änderung einer Werbeeinrichtung unzulässig, wenn durch ihre Materialbeschaffenheit, Größe, Form, Farbe oder Lichtwirkung das Orts- oder Straßenbild erheblich beeinträchtigt werde. In weiterer Folge gab die belangte Behörde das Gutachten des Stadtplanungsamtes vom 3. Oktober 2003 wieder und vertrat darauf aufbauend die Auffassung, dass die insgesamt ca. 27 m lange Fünfergruppe von Werbetafeln durch deren gedrängte Aufstellung nur mehr als "Ganzes" erfasst werden könne und optisch eine mauerartige, übermannshohe Begrenzung des Straßenraumes bilde. Nach einer Studie der Stadtgemeinde Innsbruck aus dem Jahre 1994 sei eine Begrenzung der Ausdehnung von Werbetafeln entlang der Parzellengrenze auf maximal 25 % derselben empfohlen worden. Im Beschwerdefall sei jedoch annähernd die gesamte Länge der Gp. 126/1 KG A. betroffen, was zu einer nicht mehr vertretbaren Anhäufung und Überdimensionierung von Werbetafeln führe, sodass auf Grund ihrer Größe mit einer erheblichen Beeinträchtigung des Orts- und Straßenbildes zu rechnen sei. Diese gutachtliche Stellungnahme habe die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung nicht auf gleicher fachlicher Ebene entkräftet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die maßgeblichen Bestimmungen der Tiroler Bauordnung 2001, LGBl. Nr. 94, lauten (auszugsweise):

"§ 2.

Begriffsbestimmungen

(1) Bauliche Anlagen sind mit dem Erdboden verbundene Anlagen, zu deren fachgerechten Herstellung bautechnische Kenntnisse erforderlich sind.

...

(16) Untergeordnete Bauteile sind ... an baulichen Anlagen angebrachte Werbeeinrichtungen.

...

(18) Werbeeinrichtung ist eine im Orts- oder Straßenbild in Erscheinung tretende Einrichtung, die der Anpreisung oder der Ankündigung dient oder die sonst auf etwas hinweisen oder die Aufmerksamkeit erregen soll.

...

§ 16.

Allgemeine bautechnische Erfordernisse

...

(3) Das Äußere von baulichen Anlagen ist weiters so zu gestalten, dass im Hinblick auf deren Einbindung in die Umgebung das Orts-, Straßen- und Landschaftsbild nicht erheblich beeinträchtigt wird.

§ 20.

Bewilligungspflichtige und anzeigepflichtige

Bauvorhaben, Ausnahmen

...

(2) Die sonstige Änderung von Gebäuden sowie die Errichtung und die Änderung von sonstigen baulichen Anlagen sind ... der Behörde anzuzeigen.

Jedenfalls sind der Behörde anzuzeigen:

a) die Anbringung und Änderung von untergeordneten Bauteilen

...;

§ 45.

Werbeeinrichtungen, Zulässigkeit und Verfahren

(1) Die Errichtung, Aufstellung und Änderung von frei stehenden Werbeeinrichtungen innerhalb geschlossener Ortschaften ist der Behörde schriftlich anzuzeigen. Der Anzeige sind ein Lageplan, eine Beschreibung der technischen Ausführung und eine planliche Darstellung der betreffenden Werbeeinrichtung in zweifacher Ausfertigung anzuschließen. ...

...

(3) Die Errichtung, Aufstellung oder Änderung einer anzeigepflichtigen Werbeeinrichtung ist unzulässig, wenn durch die Materialbeschaffenheit, Größe, Form, Farbe oder Lichtwirkung der Werbeeinrichtung das Orts- oder Straßenbild erheblich beeinträchtigt würde.

(4) Die Behörde hat die angezeigte Errichtung, Aufstellung oder Änderung einer Werbeeinrichtung zu prüfen. Ergibt sich dabei, dass das angezeigte Vorhaben nach Abs. 3 unzulässig ist, so hat die Behörde dessen Ausführung innerhalb von zwei Monaten nach Vorliegen der vollständigen Anzeige mit schriftlichem Bescheid zu untersagen. ..."

Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, die in Rede stehenden Plakattafeln seien als solche im Sinne des § 45 Abs. 1 TBO 2001 zu qualifizieren und es sei wegen ihrer Größe mit einer erheblichen Beeinträchtigung des Orts- und Straßenbildes zu rechnen.

Dem hält die beschwerdeführende Partei zunächst entgegen, es liege zwar eine Werbeeinrichtung im Sinne des § 2 Abs. 18 TBO 2001, jedoch keine frei stehende Werbeeinrichtung im Sinne des § 45 leg. cit. vor, weil die drei Werbetafeln an einer massiven ca. 2 m hohen Begrenzungsmauer angebracht seien.

Es kann im Beschwerdefall jedoch dahinstehen, ob es sich bei den Plakattafeln um freistehende Werbeeinrichtungen (deren Zulässigkeit nach § 45 TBO 2001 zu beurteilen ist) oder um an einer baulichen Anlage angebrachte Werbeeinrichtungen, sohin um untergeordnete Bauteile (deren Zulässigkeit u.a. an § 16 TBO 2001 zu messen ist) handelt, weil beide Bauvorhaben anzeigepflichtig sind und unter dem Gesichtspunkt der Beeinträchtigung des Orts- und Straßenbildes untersagt werden können. Die Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides "unter Bedachtnahme auf § 45 Abs. 3 TBO 2001" belastet die beschwerdeführende Partei demnach nicht in ihren Rechten.

Die beschwerdeführende Partei macht weiters geltend, weder die gutachterliche Stellungnahme des Stadtplanungsamtes vom 3. Oktober 2003 noch die darin angeführte Studie der Stadtgemeinde Innsbruck aus dem Jahre 1994, welche in Zusammenarbeit mit einem näher genannten Architekten erstellt worden sei, sei ihr bekannt und es seien ihr diese auch nicht zur Kenntnis gebracht worden.

Dazu ist auszuführen, dass - wie eingangs dargestellt - bereits im erstinstanzlichen Bescheid das Gutachten des Referates für Stadtkern- und Ortsbildschutz vom 3. Oktober 2003 mit Ausnahme seines ersten Absatzes (Beschreibung der fünf Werbetafeln an dieser Stelle) enthalten war. Insofern konnte die Beschwerdeführerin ihr Recht auf Parteiengehör in der Berufung wahrnehmen.

Mit ihrem Vorbringen betreffend die angeführte Studie der Stadtgemeinde Innsbruck aus dem Jahre 1994 zeigt die beschwerdeführende Partei jedoch im Ergebnis eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf: Die gutachterliche Stellungnahme des Stadtplanungsamtes vom 3. Oktober 2003 stützt sich in ihren wesentlichen Aussagen zur Frage der Aufstellung von Plakattafeln an wichtigen Hangkanten und zum Ausmaß der Gesamtlänge von Werbetafeln bezogen auf die Parzellengrenze auf zwei in dieser Studie festgelegte Prämissen. Sie setzt diese Studie als allgemein bekannt bzw. als geradezu verbindlich voraus. Der genaue Inhalt dieser Studie ist allerdings weder in der gutachterlichen Stellungnahme wiedergegeben noch erliegt diese Studie in den vorgelegten Verwaltungsakten. Der Verwaltungsgerichtshof ist daher nicht in der Lage, die Schlüssigkeit der gutachterlichen Stellungnahme des Referates für Stadtkern- und Ortsbildschutz auf Basis dieser Studie zu überprüfen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht im Rahmen des gestellten Begehrens auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 14. Juli 2005

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