Normen
BauG Stmk 1995 §13 Abs3;
BauG Stmk 1995 §26 Abs3;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
BauG Stmk 1995 §13 Abs3;
BauG Stmk 1995 §26 Abs3;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Landeshauptstadt Graz hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Eingabe vom 27. Jänner 1999 suchte der Mitbeteiligte um die baubehördliche Bewilligung für eine Planänderung für ein mit Bescheid aus dem Jahr 1992 bewilligtes Bauvorhaben auf einem Grundstück in Graz an. Diese betraf die Errichtung eines nicht unterkellerten, eingeschoßigen Geschäftsgebäudes (Kioskzeile) an der südlichen, zum Grundstück der Beschwerdeführerin hin liegenden Bauplatzgrenze.
In der am 13. Dezember 2000 abgehaltenen Bauverhandlung erhob die Beschwerdeführerin gemäß § 26 Stmk BauG Einwendungen gegen die Erteilung der Baubewilligung:
"...wegen der nicht eingehaltenen Abstände gemäß § 26 Abs 1 Z 2 St BG und beruft sich die Nachbarin insbesondere auf den § 13 Abs. 3 Stmk BG mit dem Hinweis, dass das bestehende Gebäude der Liegenschaft Griesplatz 32 an der Nachbargrenze zum Bewilligungswerber Öffnungen bzw Fenster aufweist, sodass der erforderliche Gebäudeabstand einzuhalten ist. ..."
In der Verhandlungsschrift der Bauverhandlung ist festgehalten (AS 103):
"... Die gegenständliche Kioskzeile ist (hinten, heute ?....) schon errichtet und zur Gänze genutzt. Fenster des südl. Nachbargebäudes sind im Bereich der Brandmauer oberen Kioskzeile abgemauert. ..."
Mit Bescheid vom 14. Februar 2002 erteilte die Baubehörde unter Vorschreibung von Auflagen die Baubewilligung zur plan- und beschreibungsgemäßen Ausführung des Vorhabens. Die Einwendungen der Beschwerdeführerin wurden als unbegründet abgewiesen, dies mit der Begründung, dass die Baubewilligung für die Errichtung eines nicht unterkellerten, eingeschoßigen Gebäudes für Geschäftszwecke mit einer eingebauten Kleingarage für einen PKW sowie der Umbau des Bestandsgebäudes auf dem antragsgegenständlichen Bauplatz mit Bescheid vom 27. November 1992 erteilt worden sei und diese Bewilligung auf einer Widmungsbewilligung mit selben Datum, in welcher die gekuppelte Bebauung festgelegt worden sei, basiere. Die Bauarbeiten hätten mit 1. März 1993 begonnen, und das nun gegenständliche Bauvorhaben weiche vom ursprünglich bewilligten nur insoweit ab, als die Hofverbauung nicht zur Gänze ausgeführt werde. Somit sei der Anbau an das Gebäude an der südlichen Nachbargrundgrenze städtebaulich vorgegeben und es erfolge durch das gegenständliche Bauvorhaben keine Verletzung der Abstandsvorschriften.
Dagegen brachte die Beschwerdeführerin fristgerecht Berufung ein und führte aus, die Behörde habe es verabsäumt festzustellen, dass sich in der Mauer an der Nordseite des Gebäudes der Beschwerdeführerin an der Grenze zum Grundstück der mitbeteiligten Partei Fenster befänden. Die Behörde hätte bei der Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes feststellen müssen, dass für die errichteten Gebäude keine Baubewilligung erteilt werden hätte dürfen, weil die erforderlichen Abstandsbestimmungen des § 13 Stmk BauG nicht eingehalten wären.
Mit 12. Juni 2003 stellte die Beschwerdeführerin einen Devolutionsantrag an die belangte Behörde, dem diese mit dem angefochtenen Bescheid vom 15. Jänner 2004 stattgab und die Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet abwies. In der Begründung führte sie aus, aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Mai 1999, Zl. 98/06/0138, ergebe sich, dass im Grunde des § 13 Abs. 3 Stmk BauG das Anbauen einer Mauer an die Mauer eines an der Grenze stehenden Nachbargebäudes auch dann nicht zur Gänze ausgeschlossen sei, wenn sich in dieser Mauer Fenster befänden. In einem solchen Fall dürften nur im unmittelbaren "Nahbereich" von konsentierten Fenstern nicht angebaut werden, der Anbau müsse sich also außerhalb des Bereiches von Fenstern befinden. Wenn sich die Fenster in einer bestimmten Höhe über Grund befänden, sei - wie im gegenständlichen Fall - das Anbauen an der Grundgrenze im Bereich "darunter" zulässig.
Im Jahr 1992 genehmigte Pläne, derer sich die Behörde erster Instanz offenbar bei der Feststellung der Zulässigkeit der bei ihr beantragten Bauführung bedient habe, erwiesen, dass sich im Bereich des von der Behörde erster Instanz bewilligten Anbaues an das Nachbarobjekt, nämlich im Bereich des Erdgeschosses, keinerlei Fenster oder sonstige Öffnungen im Objekt der Beschwerdeführerin befänden. Dies sei nur im bzw. ab dem Obergeschoss der Fall.
Des Weiteren hätte sich die Beschwerdeführerin in der Bauverhandlung lediglich auf ihr Abstandsrecht berufen und auf das ihr gleichfalls zukommende Recht, dass die Außenwände an der Grundgrenze oder die an das andere Gebäude anschließenden Außenwände als Brandwände ausgestaltet würden. Da dies nicht zuletzt auch auf Grund der Auflagen sichergestellt sei, könne das Rechtsmittel nicht zum Erfolg führen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall ist das Steiermärkische Baugesetz 1995, LGBl. Nr. 59 (Stmk BauG), anzuwenden.
§ 4 Stmk BauG enthält Begriffsbestimmungen; dessen Z 17, 27 und 28 lauten (Z 27 auszugsweise):
"17. Bebauungsweise: Verteilung der Baumassen auf dem
Bauplatz in Bezug auf die Bauplatzgrenzen
a) offene Bebauungsweise:
- allseits freistehende bauliche Anlagen oder
- einseitig an die Grenzen angebaute bauliche Anlagen;
b) gekuppelte Bebauungsweise: an einer Grenze
aneinandergebaute bauliche Anlagen;
c) geschlossene Bebauungsweise: an mindestens zwei
Grenzen aneinandergebaute bauliche Anlagen;"
§ 13 Stmk BauG lautet auszugsweise:
"§ 13 Abstände
(1) Gebäude sind entweder unmittelbar aneinander zu bauen oder müssen voneinander einen ausreichenden Abstand haben. Werden zwei Gebäude nicht unmittelbar aneinandergebaut, muss ihr Abstand mindestens so viele Meter betragen, wie die Summe der beiderseitigen Geschoßanzahl, vermehrt um 4, ergibt (Gebäudeabstand).
(2) Jede Gebäudefront, die nicht unmittelbar an einer Nachbargrenze errichtet wird, muss von dieser mindestens so viele Meter entfernt sein, wie die Anzahl der Geschosse, vermehrt um 2, ergibt (Grenzabstand).
(3) Steht ein Gebäude an der Grundgrenze, so hat der Nachbar, soferne durch einen Bebauungsplan oder durch Bebauungsrichtlinien nichts anderes bestimmt ist oder Gründe des Straßen-, Orts- und Landschaftsbildes nicht entgegenstehen, die Wahlmöglichkeit, entweder an die Grundgrenze anzubauen oder den erforderlichen Gebäudeabstand einzuhalten. Weist das Gebäude an der Grenze Öffnungen (Fenster, Türen und dgl.) auf, so ist der erforderliche Gebäudeabstand einzuhalten.
(4) ..."
Die belangte Behörde beruft sich im vorliegenden Fall zwar zu Recht auf das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 1999, Zl. 98/06/0138, in welchem der Verwaltungsgerichtshof dargelegt hat, dass § 13 Abs. 3 Stmk BauG nicht dahingehend verstanden werden kann, dass das Bestehen von Fenstern in einem Teil einer an einer Grundstücksgrenze befindlichen Mauer das Anbauen eines anderen Gebäudes an diese Mauer zur Gänze ausschließe und dass in einem solchen Fall ein Anbau außerhalb des Bereiches der betreffenden Fenster zulässig sein kann, wenn die Fenster derart situiert sind, dass sie durch die Aufstockung nicht maßgeblich betroffen werden. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 17. November 2007, Zl. 2006/06/0257, ausgeführt, dass nur rechtmäßig bestehende Öffnungen im Sinne des letzten Satzes des § 13 Abs. 3 Stmk BauG rechtserheblich sind.
Die Beschwerdeführerin beruft sich jedoch darauf, dass sich zum einen die von der belangten Behörde festgestellten Fenster im ersten Obergeschoss ihres Hauses im unmittelbaren Nahbereich des mit dem angefochtenen Bescheid genehmigten Anbaus befänden, zum anderen auch darauf, dass sich eine weitere Fensteröffnung auf Höhe des Erdgeschosses und ein weiteres Fenster auf halber Höhe zwischen Erdgeschoss und dem ersten Obergeschoss befänden, die tatsächlich - der Bau sei bereits ausgeführt - ganz bzw. teilweise verbaut worden seien. Anlässlich der Bauverhandlung vom 13. Dezember am Grundstück des Bauwerbers habe die Beschwerdeführerin auch darauf hingewiesen. Dies sei jedoch von der Behörde nicht berücksichtigt worden.
Bezüglich dieser Fenster weist die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides auf in den Bauakten befindliche Baupläne aus dem Jahr 1992 hin und meint, auf deren Grundlage auf das Fehlen einer Beeinträchtigung von konsentierten Fenstern bzw. Öffnungen durch das Projekt des Mitbeteiligten schließen zu können. Aus den dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens Akt ergibt sich aber, dass nicht nur Fenster im ersten Obergeschoss des angrenzenden Nachbarhauses der Beschwerdeführerin vorhanden sind. Auf im Akt einliegenden Fotoausdrucken (AS 92, 93) ist vielmehr auch deutlich eine Fensteröffnung zwischen Erdgeschoss und erstem Obergeschoss erkennbar, welche durch die Dachkonstruktion zumindest halb verdeckt wird. Die Beschwerdeführerin hat in der Bauverhandlung Einwendungen erhoben und ausdrücklich diese Fenster in der Feuermauer benannt. Dies zusammen mit den oben beschriebenen, im Akt einliegenden Fotos hätte die Baubehörden dazu veranlassen müssen, nähere Feststellungen hinsichtlich der Frage zu treffen, ob diesen Fenstern ein baurechtlicher Konsens zu Grunde liegt, sowie sich damit auseinander zu setzen, ob und inwieweit diese Fenster im Sinne des § 13 Abs. 3 Stmk BauG zweiter Satz - verstanden im Sinne des angeführten Erkenntnisses vom 27. Mai 1999 - "maßgeblich betroffen werden", also derart im Nahbereich des Projekts des Mitbeteiligten liegen, dass ihre ungehinderte Funktion dadurch beeinträchtigt wäre. Auch hinsichtlich der von der belangten Behörde festgestellten Fenster im ersten Obergeschoss des Hauses der Beschwerdeführerin hat die belangte Behörde keine ausreichende Beurteilung getroffen, ob und inwieweit diese derart im Nahbereich des Projekts des Mitbeteiligten liegen, dass ihre ungehinderte Funktion dadurch beeinträchtigt wäre. Die bloße Aussage, "das Anbauen mit 0 m an der Grundgrenze ‚darunter'" sei zulässig, wird dem nicht gerecht.
Indem die belangte Behörde dies verabsäumte, hat sie einerseits Verfahrensvorschriften verletzt, anderseits die Rechtslage verkannt, weshalb der angefochtene Bescheid wegen Prävalierens des Aufhebungsgrundes des § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG gegenüber jenem der Z 3 leg. cit. nach der erstgenannten Vorschrift aufzuheben war.
Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin, ein grundbücherlich gesichertes Fensterrecht inne zu haben, ist indes noch auszuführen, dass dies eine im Baubewilligungsverfahren nicht beachtliche privatrechtliche Einwendung darstellt.
Die beantragte mündliche Verhandlung konnte im Grunde des § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG unterbleiben.
Die Kostenentscheidung erfolgte gemäß der §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Gemäß § 1 Z 1 dieser Verordnung ist der Ersatz für den Aufwand, der für den Beschwerdeführer als obsiegende Partei mit der Einbringung der Beschwerde verbunden war, pauschal mit EUR 991,20 zu bemessen. Die darüber hinausgehend geltend gemachten Kosten für Beilagen waren daher nicht zuzusprechen.
Wien, am 28. Februar 2008
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