Normen
ABGB §1488;
LStG NÖ 1999 §4 Z8;
LStG NÖ 1999 §7 Abs1;
LStG NÖ 1999 §7 Abs4;
LStG NÖ 1999 §9;
VwRallg;
ABGB §1488;
LStG NÖ 1999 §4 Z8;
LStG NÖ 1999 §7 Abs1;
LStG NÖ 1999 §7 Abs4;
LStG NÖ 1999 §9;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde leitete am 8. Oktober 2002 von Amts wegen ein Verfahren gemäß § 7 Abs. 2 NÖ Straßengesetz 1999 (Feststellung einer Privatstraße als Gemeindestraße) "betreffend Umkehrplatz in der Buchbachgasse" auf dem im Eigentum des Beschwerdeführers stehenden Grundstück Nr. 475/13 der Liegenschaft EZ 174, KG Berndorf II, ein. Der "Umkehrplatz" befindet sich am Ende der Gemeindestraße Buchbachgasse mit der Grundstück Nr. 1143/1, inneliegend der Liegenschaft EZ 952, KG Berndorf II. Die Buchbachgasse zweigt von der Landesstraße LB 18 ab und ist als Sackgasse ausgebildet, an deren Ende sich der Umkehrplatz befindet. Im Flächenwidmungsplan der mitbeteiligten Stadtgemeinde ist die Fläche des Umkehrplatzes als Weg und Teil der Buchbachgasse ausgewiesen.
Mit Urteil des Bezirksgerichtes Pottenstein vom 4. Oktober 2002, 9 C 587/01v-30, wurde auf Grund einer Klage der mitbeteiligten Stadtgemeinde gegenüber dem Beschwerdeführer die Dienstbarkeit des Wegerechtes in Form "des Befahrens zum Zwecke des Umkehrens auf der im Norden an die Buchbachgasse angrenzenden Teilfläche der Liegenschaft 475/13, inneliegend EZ 174, GB 04303 Berndorf, im Ausmaß von 9,5 mal 5 m" festgestellt. Der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 13. Februar 2003, 17 R 411/02s, nicht Folge gegeben und ausgesprochen, dass die Revision jedenfalls unzulässig ist.
Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens gemäß § 7 Abs. 3 NÖ Straßengesetz 1999 stellte der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde mit Bescheid vom 26. November 2002 gemäß § 7 NÖ Straßengesetz 1999 fest, dass der Umkehrplatz am Ende der Gemeindestraße Buchbachgasse "mit den Mindestabmessungen von ca. 9,00 m x ca. 9,00 m für jede Art des Verkehrs (Fußgängerverkehr, Fahrradverkehr, Verkehr mit Kraftfahrzeugen aller Art inklusive landwirtschaftlichen Geräten und sonstigen Nutzfahrzeugen, etc.) als Gemeindestraße gilt. Die Fläche des Umkehrplatzes ergibt sich aus der als integrierter Teil dieses Bescheides angeschlossenen Feldskizze (Beilage der Verhandlungsschrift vom 31. 10. 2002) unter Zugrundelegung des rechtskräftigen Bebauungs- und Flächenwidmungsplanes der Stadtgemeinde Berndorf, die in der Augenscheinverhandlung am 31. Oktober 2002 aufgenommen wurde. Der Umkehrplatz am Ende der Buchbachgasse (Gemeindestraße Parz. 1143/1, EZ 952, KG Berndorf II) auf der Parzelle 475/13, EZ 174, KG Berndorf II, gilt spätestens seit 1. 1. 1982 als Gemeindestraße (Privatstraße mit Öffentlichkeitscharakter)". Hiezu wurde im Wesentlichen festgestellt, der Umkehrplatz sei im Flächenwidmungs- und Bebauungsplan als Verkehrsfläche mit den Mindestabmessungen von ca. 12,5 m x ca. 12,5 m ausgewiesen. Seit dem Jahr 1952 bestehe am Ende der Buchbachgasse eine mit Schotter befestigte Fläche mit ovalem Grundriss. Dieser Platz sei mit den im Spruch festgestellten Abmessungen (in Urkunden) angeführt. Im Jahre 1996 sei auf dem Umkehrplatz eine Skulptur aufgestellt worden. Bis zu diesem Zeitpunkt sei beginnend ab 1952 keine Einschränkung der Umkehrmöglichkeit - auch für den LKW-Verkehr - gegeben gewesen. Auf Grund der nunmehr aufgestellten Skulptur sei der Platz für Umkehrmanöver durch PKW, wenn auch in erschwertem Ausmaß, geeignet; für LKW sei ein Umkehrmanöver durch diese Einschränkung nicht mehr möglich. Der Umkehrplatz sei ab 1952 uneingeschränkt mit Kraftfahrzeugen aller Art (auch mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen und landwirtschaftlichen Geräten, sonstigen Nutzfahrzeugen, Fahrrädern) ohne Einschränkung über einen Zeitraum von mindestens dreißig Jahren benützt worden und habe auch dem Fußgängerverkehr gedient. Die Benützung sei unabhängig bzw. ohne ausdrückliche Zustimmung der jeweiligen Eigentümer dieses Platzes erfolgt, die jeweiligen Eigentümer hätten auch der Benützung nicht widersprochen. Schilder mit dem Hinweis "Fahrverbot" bzw. mit der Aufschrift "Privatgrund" seien nicht aufgestellt gewesen. Auf Grund der Länge der Buchbachgasse wäre ein Zurückschieben der Fahrzeuge von dem neben dem Umkehrplatz liegenden Baugrundstück bis zur Einmündung in die Landesstraße eine Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit. Die Wendemöglichkeit am Ende der Buchbachgasse sei daher erforderlich. Das Verkehrsbedürfnis für den Verkehr am Ende der als Sackgasse ausgebildeten Buchbachgasse sei somit gegeben. Auf Grund des an der östlichen Grundstücksgrenze bei dem unmittelbar vor dem Umkehrplatz verbauten Grundstück vorhandenen Weges, der in den angrenzenden Wald führe, sei auch für den Fußgängerverkehr ein Verkehrsbedürfnis gegeben. Spätestens mit 1. Jänner 1982 sei der Umkehrplatz mindestens dreißig Jahre lang unabhängig von der ausdrücklichen Zustimmung des jeweiligen Grundstückseigentümers benützt worden.
Mit Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde Berndorf vom 22. Jänner 2004 wurde die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die Vorstellung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen. In der Begründung des angefochtenen Bescheides wies die belangte Behörde u. a. darauf hin, dass das Landesgericht Wr. Neustadt mit Urteil vom 13. Februar 2003, ausgehend von der Notwendigkeit des Umkehrplatzes, die Ersitzung des Wegerechtes zu Gunsten der mitbeteiligten Stadtgemeinde festgestellt habe. Das Landesgericht Wr. Neustadt sei auf Grund der Beweisergebnisse davon ausgegangen, dass sich der Beschwerdeführer gegen die Ausübung eines Wegerechtes innerhalb der Ersitzungszeit nicht ausgesprochen habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Die mitbeteiligte Stadtgemeinde erstattete ebenfalls eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des NÖ Straßengesetz 1999 haben folgenden Wortlaut:
"§ 4
Begriffsbestimmungen
Im Sinne dieses Gesetzes gelten als
1. Straßen:
Grundflächen, die unabhängig von ihrer Bezeichnung (Straße, Weg, Platz udgl.) dem Verkehr von Menschen, Fahrzeugen oder Tieren dienen oder dienen sollen;
2. Bestandteile einer Straße (Straßenbauwerke):
unmittelbar dem Verkehr dienende Anlagen, wie Fahrbahnen, Gehsteige, Rad- und Gehwege, Parkplätze, Abstellflächen, Haltestellen, der Grenzabfertigung dienende Flächen und Bankette,
bauliche Anlagen im Zuge einer Straße, wie Tunnels, Brücken, Durchlässe, Straßengräben, -böschungen, Stütz- und Wandmauern und Anlagen zur Ableitung anfallender Wässer,
im Zuge einer Straße gelegene Anlagen, die dem Schutz der Nachbarn vor Beeinträchtigungen durch den Verkehr auf der Straße (z.B. Lärmschutzwände) oder der Verkehrssicherheit (z.B. Leiteinrichtungen) dienen;
3. Öffentliche Straßen:
Straßen, die dem Gemeingebrauch gewidmet sind. Das sind:
Landesstraßen
Gemeindestraßen;
…
5. Gemeingebrauch:
die jedermann unter den gleichen Bedingungen zustehende widmungsgemäße Benützung einer Straße für Verkehrszwecke;
…
8. Verkehrsbedürfnis:
liegt vor, wenn eine Straße zumindest für einen kleinen Teil der Einwohner eines Ortes zur Aufschließung ihrer Grundstücke notwendig ist; dies gilt auch für den Fall, dass der Zugang oder die Zufahrt über andere Straßen nur mit einem unverhältnismäßig großen Kosten- oder Zeitaufwand möglich wäre.
…
§ 7
Privatstraßen mit Öffentlichkeitscharakter
(1) Eine Privatstraße gilt als Gemeindestraße, wenn sie mindestens dreißig Jahre lang
unabhängig von der ausdrücklichen Zustimmung des Eigentümers von einem nicht bestimmbaren Personenkreis benützt wurde und für diese Straße ein Verkehrsbedürfnis besteht.
Die Kosten der Erhaltung und Verwaltung für eine solche Privatstraße trägt die Gemeinde.
(2) Ist das Vorliegen der Merkmale nach Abs. 1 an einer Privatstraße strittig, hat die Behörde nach § 2 Z. 1
über Antrag des Grundeigentümers oder
von Amts wegen
durch Bescheid das Vorliegen oder Nichtvorliegen festzustellen.
(3) Die Feststellung nach Abs. 2 hat auf Grund einer Verhandlung mit einem Augenschein an Ort und Stelle zu erfolgen. Zur Verhandlung sind die Eigentümer der Privatstraße und die daran dinglich Berechtigten als Parteien zu laden.
(4) Der Bescheid hat
den Verlauf der Privatstraße (z.B. Grundstücksnummer, Breite etc.),
die Art des Verkehrs (z.B. Fahrzeug-, Fußgängerverkehr etc.) und den Zeitpunkt, ab dem die Privatstraße auf Grund der Merkmale
nach Abs. 1 als Gemeindestraße gilt,
zu beinhalten.
Dem Bescheid ist ein mit einer Bezugsklausel versehener Lageplan, in dem die Straße dargestellt ist, anzuschließen. Privatrechtliche Einwendungen sind, soferne keine Einigung hierüber erzielt werden konnte, auf den Zivilrechtsweg zu verweisen."
Der Beschwerdeführer bestreitet das Vorliegen eines Verkehrsbedürfnisses für die Feststellung des Öffentlichkeitscharakters des Umkehrplatzes.
Dem Beschwerdeführer ist insoweit zu folgen, als auf Grund des vorliegenden Ergebnisses des Ermittlungsverfahrens derzeit noch nicht abschließend beurteilt werden kann, ob für diesen Umkehrplatz ein Verkehrsbedürfnis im Sinne des § 7 Abs. 1 NÖ Straßengesetz 1999 besteht.
Das im Beschwerdefall anzuwendende NÖ Straßengesetz 1999 enthält - im Unterschied zum früheren NÖ Landesstraßengesetz - eine Begriffsbestimmung des Verkehrsbedürfnisses. Ein Verkehrsbedürfnis liegt nach § 4 Z. 8 NÖ Straßengesetz 1999 (von den übrigen Tatbestandsmerkmalen dieser Begriffsbestimmung abgesehen) nur dann vor, wenn die Straße zur Aufschließung von Grundstücken eines - wenn auch kleinen - Teiles der Einwohner eines Ortes notwendig ist.
Die Behörde erster Instanz führt in ihrem Bescheid hiezu aus, dass "für diese Straße ein Verkehrsbedürfnis, insbesondere für die in der Buchbachgasse wohnhaften Personen" bestehe; es fehlen jedoch für diese rechtliche Schlussfolgerung nachvollziehbare Feststellungen. Zwar hat der Amtssachverständige für Verkehrstechnik und Straßenbau in seinem, dem erstinstanzlichen Bescheid zu Grunde gelegten Gutachten ausgeführt, "das Zurückschieben" in der Buchbachgasse bedeute "eine wesentliche Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit" und stelle "ein wesentliches Verkehrshindernis" dar, "eine Wendemöglichkeit am Ende der Buchbachgasse" sei daher "erforderlich". Ob der Umkehrplatz jedoch für die Aufschließung von Grundstücken, die an dieser Straße liegen, notwendig, d. h. unbedingt (zwingend) erforderlich ist (vgl. zur Auslegung des Begriffes "notwendig" im gegebenen Zusammenhang das hg. Erkenntnis vom 26. März 1996, Zl. 95/05/0229), lässt sich auch diesem Gutachten nicht entnehmen. Die getroffenen Feststellungen, wonach seit 1996 der Umkehrplatz infolge Ablagerungen nicht mehr ungehindert für Wendemanöver geeignet ist, lassen eher darauf schließen, dass kein Verkehrsbedürfnis im Sinne des NÖ Straßengesetz 1999 für die beanspruchte Fläche besteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. November 1987, Zl. 84/05/0246). Jedenfalls fehlt es an Feststellungen, aus denen sich ergibt, dass die erforderliche Aufschließung der Grundstücke nicht auch ohne Wendemöglichkeit am Ende dieser Sackgasse gewährleistet ist. Allein mit dem Hinweis, dass zurückschiebende Fahrzeuge ein Verkehrshindernis und damit auch eine Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit darstellen, kann das Verkehrsbedürfnis im Sinne des § 4 Z. 8 NÖ Straßengesetz 1999 nicht begründet werden. Auszugehen ist vielmehr davon, ob die Ausgestaltung der Buchbachgasse den Vorgaben für den Bau von Straßen gemäß § 9 NÖ Straßengesetz 1999 entspricht. Erst wenn also fest steht, dass die als Sackgasse ausgebildete Buchbachgasse auf Grund ihrer Breite und Länge sowie der gegebenen Verkehrsverhältnisse nicht den im NÖ Straßengesetz festgelegten Grundsätzen für die Planung, den Bau und die Erhaltung von Straßen entspricht, kann ein Verkehrsbedürfnis an der beschwerdegegenständlichen Fläche dann bejaht werden, wenn dadurch die Voraussetzungen für die im Gesetz vorgesehene Ausgestaltung einer solchen Gemeindestraße erfüllt werden.
Im fortgesetzten Verfahren wird auch zu bedenken sein, dass die im § 7 Abs. 1 NÖ Straßengesetz 1999 normierte 30-Jahresfrist gegenwartsbezogen ist, d. h. es kommt darauf an, ob und wie die Straße (hier der Umkehrplatz) "benützt wird", und nicht, ob sie irgendwann dreißig Jahre lang "benützt wurde" (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. März 1995, Zl. 93/05/0210, = VwSlg 14230/A). Widersetzungshandlungen des Beschwerdeführers, die drei Jahre vor Verfahrenseinleitung gesetzt wurden, führen zur Unterbrechung der erforderlichen 30-Jahresfrist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 1998, Zl. 98/05/0027, m. w. N.; bezüglich der Voraussetzungen von Widersetzungshandlungen siehe das bereits erwähnte hg. Erkenntnis vom 28. März 1995, VwSlg 14230/A). Auf Grund der Feststellungen, dass seit dem Jahre 1996 LKW keine Möglichkeit hatten, auf dem "Umkehrplatz" zu wenden, lässt, wie bereits erwähnt, darauf schließen, dass insoweit kein Verkehrsbedürfnis im Sinne des § 7 NÖ Straßengesetz 1999 besteht und damit die Voraussetzungen der geforderten dreißig Jahre langen Benützung nicht vorliegen. Hinzuweisen ist abschließend darauf, dass die dem erstinstanzlichen Bescheid angeschlossene Feldskizze den Erfordernissen eines Lageplanes im Sinne des § 7 Abs. 4 NÖ Straßengesetz 1999 nicht entspricht, weil sich daraus - auch mangels näherer verbaler Beschreibung - keine Bezugspunkte entnehmen lassen, von welchen aus die Lage und Form der maßgeblichen Fläche in der Natur ermittelt werden könnte.
Da die belangte Behörde den aufgezeigten Feststellungsmangel nicht erkannte, belastete sie ihren Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003, insbesondere deren § 3 Abs. 2. Der Kostenzuspruch erfolgte im beantragten Umfang Wien, am 31. März 2005
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