VwGH 2004/03/0194

VwGH2004/03/019425.3.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des E D in W, vertreten durch Dr. Klaus Schiller, Rechtsanwalt in 4690 Schwanenstadt, Gmundner Straße 20, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 2. August 2004, Zl. Senat-SW-03-0037, betreffend Übertretungen des Gefahrgutbeförderungsgesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

ADR 1973 AnlA Abschn5.2 1.4;
ADR 1973 AnlA Abschn7.5 7.1;
ADR 1973 AnlA Abschn7.5 7.3;
ADR 1973 AnlA idF 2001/III/096;
ADR 1973 AnlB idF 2001/III/096;
GGBG 1998 §13 Abs2 letzter Satz idF 2002/I/086;
GGBG 1998 §2;
GGBG 1998 §27 Abs2 idF 2002/I/086;
GGBG 1998 §7 Abs1 idF 2002/I/086;
VStG §1 Abs2;
VwGG §42 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2009:2004030194.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer u.a. für schuldig erkannt, er habe am 7. Jänner 2003, um 11.05 Uhr, an einem näher bezeichneten Ort, eine Beförderungseinheit mit einen dem Kennzeichen nach bestimmten Lastkraftwagen gelenkt, mit der gefährliche Güter UN 3077, umweltgefährdender Stoff, fest, N.A.G., 9 III ADR (129 Säcke aus Kunststoff, 2.600 kg) befördert worden seien, obwohl er

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens und der Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Die Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Gefahrgutbeförderungsgesetzes (GGBG), BGBl. I Nr. 145/1998, in der Fassung BGBl. I Nr. 86/2002, lauten wie folgt:

"§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz ist anzuwenden auf die Beförderung gefährlicher Güter:

1. ganz oder teilweise auf Straßen mit öffentlichem Verkehr (§ 1 Abs. 1 StVO 1960, BGBl. Nr. 159/1960), wenn die Beförderung nicht ausschließlich innerhalb eines geschlossenen Betriebsgeländes stattfindet, ..."

"§ 2. Für die Beförderung gefährlicher Güter gemäß § 1 Abs. 1 gelten folgende Vorschriften:

1. für die Beförderung gemäß § 1 Abs. 1 Z 1

a) innerhalb Österreichs sowie mit einem in einem Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraums registrierten oder zum Verkehr zugelassenen Fahrzeug von Österreich in einen Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraums und von einem Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraums nach Österreich:

die Anlagen A und B des Europäischen Übereinkommens über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (ADR), BGBl. Nr. 522/1973, in der Fassung der Änderung BGBl. III Nr. 96/2001, wobei das Wort 'Vertragspartei' durch das Wort 'Mitgliedstaat' ersetzt wird; ..."

"§ 7. (1) Die an der Beförderung gefährlicher Güter Beteiligten haben die nach Art und Ausmaß der vorhersehbaren Gefahren erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um Schadensfälle zu verhindern und bei Eintritt eines Schadens dessen Umfang so gering wie möglich zu halten. Sie haben jedenfalls die für sie jeweils geltenden Bestimmungen der gemäß § 2 in Betracht kommenden Vorschriften einzuhalten.

Die Beteiligten haben im Fall einer möglichen unmittelbaren Gefahr für die öffentliche Sicherheit unverzüglich die Einsatz- und Sicherheitskräfte zu verständigen und mit den für den Einsatz notwendigen Informationen zu versehen."

Gemäß § 13 Abs. 2 Z. 3 GGBG darf der Lenker eine Beförderungseinheit, mit der gefährliche Güter befördert werden, nur in Betrieb nehmen oder lenken, wenn er sich, soweit dies zumutbar ist, davon überzeugt hat, dass die Beförderungseinheit, mit der gefährliche Güter befördert werden, sowie die Ladung den hiefür in Betracht kommenden Vorschriften entsprechen und die Aufschriften, Gefahrzettel, Großzettel (Placards), Tafeln und sonstigen Informationen über die gefährlichen Güter und das Fahrzeug vorschriftsmäßig angebracht sind.

Gemäß § 27 Abs. 2 GGBG "begeht, wenn die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist, eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von EUR 72,-- bis EUR 3.633,--, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen", wer u. a. als Lenker entgegen § 13 Abs. 2 bis 4, § 15 Abs. 5 und 6 oder § 18 Abs. 2 und 4 leg. cit. eine Beförderungseinheit, mit der gefährliche Güter befördert werden, in Betrieb nimmt oder lenkt, Begleitpapiere oder Ausstattungsgegenstände nicht mitführt oder nicht auf Verlangen aushändigt, der Behörde nicht auf Verlangen die notwendigen Mengen oder Teile der beförderten gefährlichen Güter zur Verfügung stellt oder die in § 18 Abs. 2 leg. cit. angeführten Nachweise oder sonstigen Unterlagen vorlegt oder den Bescheid über die Einschränkung der Beförderung oder der Beförderungsgenehmigung nicht mitführt oder nicht auf Verlangen aushändigt (Z. 9).

Soweit § 7 Abs. 1 GGBG auf die "gemäß § 2 in Betracht kommenden Vorschriften" verweist, bezieht sich diese Bestimmung insbesondere (für die hier gegenständliche Beförderung gefährlicher Güter auf Straßen mit öffentlichem Verkehr) auf die Anlagen A und B des Europäischen Übereinkommens über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße in der Fassung BGBl. III Nr. 96/2001.

Gemäß Unterabschnitt 7.5.7.1.ADR müssen die einzelnen Teile einer Ladung mit gefährlichen Gütern auf dem Fahrzeug oder im Container so verstaut oder durch geeignete Mittel gesichert sein, dass sie ihre Lage zueinander sowie zu den Wänden des Fahrzeugs oder Containers nur geringfügig verändern können. Die Ladung kann z. B. durch Zurrgurte, Klemmbalken, Transportschutzkissen, rutschhemmende Unterlagen gesichert werden. Eine ausreichende Ladungssicherung im Sinne des ersten Satzes liegt auch vor, wenn die gesamte Ladefläche in jeder Lage mit Versandstücken vollständig ausgefüllt ist.

Zu Spruchpunkt 2 (Ladegutsicherung):

Der Beschwerdeführer bringt hiezu vor, dass im LKW Sammelgut geladen gewesen sei, das sukzessive entladen worden sei. Die Paletten bzw. Verpackungen seien bis zum Transport nach W zufolge der vollen Beladung gegen Verrutschen gesichert gewesen. Erst nach dem teilweisen Entladen habe sich durch das ungünstige Ausmaß der verbleibenden Paletten ein Leerraum ergeben, ohne dass die Standfestigkeit der Ladung dadurch beeinträchtigt gewesen sei. Um ein mögliches Zerreißen der Umverpackung der verbleibenden Ladestücke zu vermeiden, habe der Beschwerdeführer davon abgesehen, den Zwischenraum durch Dazwischenlegen von leeren Europaletten auszufüllen. Ebenso sei vom Beschwerdeführer eine zusätzliche Sicherung mit Gurten für falsch befunden worden, weil dadurch die Gefahr des Aufplatzens bzw. des Zerreißens der Säcke viel zu groß gewesen sei. Da die Säcke auf den Paletten sehr gut "geschrumpft" gewesen seien, habe der Beschwerdeführer mit gutem Grund davon ausgehen können, dass die Ladung standfest verstaut gewesen sei. Ein Verrutschen der Ladung nach hinten sei schon aufgrund des Ladegewichts und der Ladeart (125 Säcke, mittels Schrumpffolie dicht miteinander verschweißt) auszuschließen gewesen.

Dem ist entgegenzuhalten, dass auf einem der im Verwaltungsakt erliegenden Lichtbilder ersichtlich ist, dass die einzelnen Transporteinheiten (fünf flexible IBC jeweils auf Paletten) entlang der beiden Ladebordwände in der Form verstaut waren, dass zwischen den Paletten ein schmaler Durchgang freigehalten und auch ein der Höhe nach das Ladegut überragender Stapel leerer Paletten mitgeführt wurde. Die Ladung war weder durch Klemmbalken, Transportschutzkissen oder rutschhemmende Unterlagen und auch nicht etwa dadurch gesichert, dass die gesamte Ladefläche im Sinne des letzten Satzes des Unterabschnittes 7.5.7.1.ADR in jeder Lage mit Versandstücken vollständig ausgefüllt gewesen wäre. Diese Art der Verladung stellt auch unter Berücksichtigung des Ladegewichts und der Verpackung keine der genannten Bestimmung entsprechende Verstauung bzw. Sicherung dar, weil - wie sich aus den Feststellungen des angefochtenen Bescheides ergibt - ein Verrutschen sowohl seitlich als auch nach hinten leicht möglich war.

Zu Spruchpunkt 3 (Bezettelung):

Der Beschwerdeführer vertritt die Ansicht, dass die Verpackung der beförderten Säcke eine Zulassung als flexibler IBS mit einer UN-Verpackungsspezifikation 3H2/.. gehabt habe. Es handle sich bei den transportierten Gütern um einen Transport von Großpackmitteln (IBC), die gemäß Abschnitt 5.2.1.4 ADR auf zwei gegenüberliegenden Seiten mit Kennzeichnungen gemäß 5.2.1.1. zu versehen seien. Der Vorwurf der belangten Behörde, die entsprechenden Säcke seien nicht bezettelt gewesen, sei sohin völlig unbegründet. Zur subjektiven Tatseite habe die belangte Behörde das absolute Verbot des Öffnens von Verpackungsstücken nach Abschnitt 7.5.7.3 ADR nicht beachtet, wonach dem Beschwerdeführer ein Öffnen der Versandstücke unter keinen Umständen zumutbar gewesen sei.

Mit diesem Vorbringen übersieht der Beschwerdeführer, dass ihm in Spruchpunkt 3 des erstinstanzlichen Bescheides nicht vorgeworfen wurde, dass die flexiblen Großpackmittel (IBC) nicht ordnungsgemäß bezettelt gewesen seien, sondern dass dieser Vorwurf in Hinsicht auf die einzelnen Versandstücke (129 Säcke aus Kunststoff) erhoben wurde. Nach Unterabschnitt 5.1.2.2 muss jedes Versandstück mit gefährlichen Gütern, das in einer Umverpackung enthalten ist, allen anwendbaren Vorschriften des ADR, und damit auch der Bezettelungsvorschrift des Absatzes 5.2.2.1.1, wonach im Beschwerdefall Gefahrzettel nach Muster 9 anzubringen waren, entsprechen.

Dem Beschwerdeführer ist auch vorwerfbar, dass er sich nicht davon überzeugt hat, ob das Transportgut mit den genannten Gefahrzetteln versehen war, zumal die IBC - wie sich aus den Feststellungen des angefochtenen Bescheides ergibt - mit Reißverschlüssen versehen und daher ohne nennenswerten Aufwand beschädigungslos zu öffnen waren. Der Umstand, dass das Fahr- und Begleitpersonal nach Unterabschnitt 7.5.7.3 ADR Versandstücke mit gefährlichen Gütern nicht öffnen darf, vermag daran nichts zu ändern, weil der Beschwerdeführer zur Erfüllung seiner Überzeugungspflicht zwar die flexiblen IBC (also die Umverpackung), nicht aber die das Gefahrgut unmittelbar beinhaltenden 129 Säcke (also die Versandstücke) öffnen musste.

Soweit sich der Beschwerdeführer schließlich dagegen wendet, dass die belangte Behörde seiner Berufung auf den Vertrauensgrundsatz des § 13 Abs. 2 letzter Satz GGBG unter Hinweis auf den Tatzeitpunkt keine exkulpierende Wirkung zugemessen habe und sich auf einen "allgemeinen strafrechtlichen Grundsatz" beruft, wonach eine sich nachträglich ergebende günstigere Rechtslage auf die Strafbarkeit eines zuvor gesetzten Verhaltens im Sinne eines Strafausschließungsgrundes wirke, ist er darauf zu verweisen, dass die Berufungsbehörde Änderungen in den Rechtsvorschriften, die bis zur Erlassung des Berufungsbescheides eintreten, zu berücksichtigen hat, wenn es sich im betreffenden Fall um die Beurteilung der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung handelt. Gerade letzteres trifft aber auf Straferkenntnisse nicht zu, die darüber absprechen, ob der Beschuldigte einer zur Zeit der Tatbegehung geltenden Norm, an deren Stelle nicht etwa bis zur Erlassung des Bescheides erster Instanz eine dem Beschuldigten günstigere Vorschrift getreten ist (§ 1 Abs. 2 VStG), zuwidergehandelt hat, und welche Strafe hiefür nach dieser Norm angemessen ist. Ein Straferkenntnis schafft nicht Recht, sondern stellt fest, ob geltendes Recht verletzt wurde. Dies kann aber - in dem oben umschriebenen Rahmen - nur nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht entschieden werden. Änderungen der Rechtslage nach Erlassung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses sind somit irrelevant. Da die vom Beschwerdeführer angesprochene Änderung der Rechtslage unbestritten erst nach Erlassung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses vom 9. Mai 2003 erfolgte, war sie unbeachtlich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2007, Zl. 2002/03/0024, mwN).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 25. März 2009

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