VwGH 2004/03/0142

VwGH2004/03/014219.10.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Handstanger, Dr. Lehofer und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde der m AG & Co KG in W, vertreten durch Dr. Wolfgang W. Richter, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Neuer Markt 1/16, gegen den Bescheid der Telekom-Control-Kommission vom 19. Juli 2004, Zl. K 15c/00- 102, betreffend Parteistellung im Verfahren zur Überprüfung von Versorgungsauflagen (mitbeteiligte Partei: T GmbH in W), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
TKG 2003 §1;
VwRallg;
AVG §8;
TKG 2003 §1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Zuerkennung der Parteistellung in dem bei der belangten Behörde anhängigen Verfahren zur Überprüfung der Erfüllung der der mitbeteiligten Partei bescheidmäßig erteilten Versorgungsauflagen abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen Folgendes aus: Der Beschwerdeführerin und der mitbeteiligten Partei seien (neben vier weiteren Unternehmen) mit Bescheid vom 20. November 2000 Frequenzen aus dem UMTS/IMT-2000-Bereich zugeteilt worden. In diesem Bescheid seien Regelungen hinsichtlich der zu erreichenden Versorgung (mindestens 20 % Versorgungsgrad bis 31. Dezember 2003) sowie hinsichtlich des Verfahrens zur Überprüfung des Versorgungsgrades festgelegt worden. Mit Bescheid vom 19. Jänner 2004 seien die Verfahren zur Überprüfung der Auflagenerfüllung eingeleitet worden. Die Beschwerdeführerin habe ihren Antrag auf Zuerkennung der Parteistellung im Verfahren zur Überprüfung der Versorgungsauflagen durch die mitbeteiligte Partei damit begründet, dass eine Sachentscheidung in diesem Verfahren sowie eine allenfalls festzulegende Pönalezahlung unmittelbar in ihre Rechtssphäre eingreife. Dies ergäbe sich schon aus § 1 TKG, wonach eine der wichtigsten Aufgaben der Regulierungsbehörde die Sicherstellung eines chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerbs sei. Da die festgelegten Versorgungsauflagen für alle UMTS-Betreiber in gleicher Form ausgestaltet seien, bestehe ein subjektives Recht jedes einzelnen Betreibers auf Erfüllung der Verpflichtungen durch die anderen Betreiber. Ein subjektives Recht der Beschwerdeführerin könne aber auch aus der Verpflichtung zu Site-Sharing oder aus wechselseitigen Zusammenschaltungsansprüchen abgeleitet werden.

Mit diesem Vorbringen werde aber entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin kein rechtliches Interesse dargelegt: Ein solches bestehe nur dann, wenn es sich aus den konkreten verwaltungsrechtlichen Vorschriften ergebe. Bloß wirtschaftliche Interessen begründeten keine Parteistellung. Vielmehr sei für das Bestehen eines rechtlichen Interesses zu prüfen, ob eine unmittelbare Beeinträchtigung der Rechtssphäre der Beschwerdeführerin erfolgen könne. Wie vom Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit Verfahren über Konzessionserteilungen schon mehrfach ausgeführt worden sei, komme Konzessionsinhabern grundsätzlich kein rechtliches Interesse an der Richtigkeit einer Konzessionserteilung (an andere) zu. Dies sei auch auf den vorliegenden Sachverhalt übertragbar. Auch die Berufung auf § 1 TKG 2003 könne kein rechtliches Interesse begründen, weil mit dieser Zielbestimmung öffentliche Interessen verwirklicht werden sollten, nämlich die Schaffung eines chancengleichen Wettbewerbs und die Versorgung der Bevölkerung mit innovativen Kommunikationsdiensten. Es bestehe aber kein subjektiv öffentlicher Rechtsanspruch auf Durchsetzung dieses Schutzes. Ebenso wenig begründe die Verpflichtung zu Site-Sharing gemäß § 8 Abs. 2 TKG 2003 ein rechtliches Interesse, würde doch die Zuerkennung von Parteistellung in allen Mitbewerber betreffenden Verfahren zu einem völligen Ausufern führen. Mangels rechtlichen Interesses der Beschwerdeführerin sei ihr Antrag auf Parteistellung abzuweisen gewesen.

Mit der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach Auffassung der Beschwerdeführerin ergebe sich ihr rechtliches Interesse im Verfahren zur Überprüfung der Versorgungsauflagen schon unmittelbar aus § 1 TKG 2003, weil mit dieser Bestimmung nicht nur öffentliche Interessen geschützt, vielmehr ganz allgemein Gesetzes- und Regulierungsziele festgelegt würden. Die Sicherstellung eines chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerbs begründe ein rechtliches Interesse der Beschwerdeführerin als Mitbewerber der mitbeteiligten Partei. Dieses unmittelbare Wettbewerbsverhältnis auf denselben Märkten solle durch § 1 TKG 2003 verzerrungsfrei gehalten werden. Würde die mitbeteiligte Partei den im Bescheid festgelegten Versorgungsgrad nicht erfüllen und sie dennoch keiner Pönalezahlungsverpflichtung unterworfen werden, wäre sie im Wettbewerb klar bevorzugt, weil sie die dann zumindest kurzfristig frei gewordenen Finanzmittel (unterbliebene Investitionskosten, Nichtbelastung durch Pönale) in anderer Weise, insbesondere am Endkundenmarkt, einsetzen könne.

Das rechtliche Interesse der Beschwerdeführerin werde aber auch durch § 8 Abs. 2 TKG 2003 begründet: Wenn die mitbeteiligte Partei den verpflichtenden Versorgungsgrad nicht erreiche, bedeute dies, dass weniger sharingfähige Tragwerke errichtet würden, weshalb die Beschwerdeführerin genötigt sei, eigene Tragwerke zu errichten, anstatt etwa Tragwerke der mitbeteiligten Partei im Wege des Site-Sharing in Anspruch nehmen zu können. Dies sei nicht nur wesentlich zeitintensiver, sondern bedürfe auch höherer finanzieller Aufwendungen.

Im Hinblick darauf sei davon auszugehen, dass eine Sachentscheidung im Überprüfungsverfahren nicht nur einen bestimmenden Eingriff in die Rechtssphäre der Beschwerdeführerin bedeute, sondern auch unmittelbare Wirkung entfalte, weshalb ihr rechtliches Interesse gegeben sei.

Dem kann der Verwaltungsgerichtshof nicht beitreten:

Gemäß § 8 AVG sind Personen, die eine Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen, oder auf die sich die Tätigkeit der Behörde bezieht, Beteiligte und, insoweit sie an der Sache vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses beteiligt sind, Parteien. Der Rechtsanspruch oder das rechtliche Interesse im Sinne des § 8 AVG kann nur aus der Wirksamkeit erschlossen werden, den die den Einzelfall regelnde materiell-rechtliche Norm auf den interessierenden Personenkreis entfaltet, es sei denn, dass der Gesetzgeber eine Parteistellung ausdrücklich regelt und damit die Prüfung des Falles auf die Grundsätze des § 8 AVG entbehrlich macht. Die Parteistellung in einem Verwaltungsverfahren bestimmt sich demnach nach den in der Rechtssache anzuwendenden Vorschriften. Maßgebend ist, dass die Sachentscheidung in die Rechtssphäre des Betreffenden bestimmend eingreift und darin eine unmittelbare, nicht bloß abgeleitete und mittelbare Wirkung zum Ausdruck kommt. Bloße wirtschaftliche Interessen, die durch keine Rechtsvorschrift zu rechtlichen Interessen erhoben werden, begründen keine Parteistellung im Verwaltungsverfahren (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 28. April 2004, Zl. 2004/03/0002, und vom 26. Februar 2003, Zl. 2000/03/0328).

Die von der Beschwerdeführerin zur Begründung ihres rechtlichen Interesses herangezogenen Bestimmungen lauten:

§ 1 TKG 2003, BGBl. I Nr. 70:

"(1) Zweck dieses Bundesgesetzes ist es, durch Förderung des Wettbewerbes im Bereich der elektronischen Kommunikation die Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft mit zuverlässigen, preiswerten, hochwertigen und innovativen Kommunikationsdienstleistungen zu gewährleisten.

(2) Durch Maßnahmen der Regulierung sollen folgende Ziele erreicht werden:

1. Schaffung einer modernen elektronischen Kommunikationsinfrastruktur zur Förderung der Standortqualität auf hohem Niveau;

2. Sicherstellung eines chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerbs bei der Bereitstellung von Kommunikationsnetzen und Kommunikationsdiensten durch

a) Sicherstellung größtmöglicher Vorteile in Bezug auf Auswahl, Preis und Qualität für alle Nutzer;

b) Verhinderung von Wettbewerbsverzerrungen oder Wettbewerbsbeschränkungen;

c) Förderung effizienter Infrastrukturinvestitionen und Innovationen;

d) Sicherstellung einer effizienten Nutzung und Verwaltung von Frequenzen und Nummerierungsressourcen;

3. Förderung der Interessen der Bevölkerung durch

  1. a) Sicherstellung eines flächendeckenden Universaldienstes;
  2. b) Schutz der Nutzer insbesondere durch ein einfaches und kostengünstiges Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten sowie ein hohes Datenschutzniveau;

    c) Bereitstellung von Informationen, insbesondere in Form von transparenten Entgelten und Allgemeinen Geschäftsbedingungen;

    d) Sicherstellung von Integrität und Sicherheit von öffentlichen Kommunikationsnetzen.

(3) Die in Abs. 2 genannten Maßnahmen sind weitestgehend technologieneutral zu gestalten. Innovative Technologien und Dienste sowie neu entstehende Märkte unterliegen nur jener Regulierung, die erforderlich ist, um Verzerrung des Wettbewerbs zu vermeiden und die erforderlich ist, um die Ziele dieses Gesetzes zu erreichen.

(4) Durch dieses Bundesgesetz werden folgende Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft umgesetzt:

1. Richtlinie 2002/21/EG über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste (im Folgenden: Rahmenrichtlinie), ABl. Nr. L 108 vom 24. April 2002, S 33,

2. Richtlinie 2002/20/EG über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und -dienste (im Folgenden: Genehmigungsrichtlinie), ABl. Nr. L 108 vom 24. April 2002, S 21,

3. Richtlinie 2002/22/EG über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten (im Folgenden: Universaldienstrichtlinie), ABl. Nr. L 108 vom 24. April 2002, S 51,

4. Richtlinie 2002/19/EG über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung (im Folgenden: Zugangsrichtlinie), ABl. Nr. L 108 vom 24. April 2002, S 7, und

5. Richtlinie 2002/58/EG über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (im Folgenden: Datenschutzrichtlinie), ABl. Nr. L 201 vom 31. Juli 2002, S 37."

§ 8 TKG 2003:

"(1) Wer ein Wegerecht nach anderen Bundesgesetzen oder wer ein Leitungsrecht nach § 5 oder ein Recht nach § 7 oder § 13 dieses Bundesgesetzes in Anspruch genommen hat, muss insoweit die Mitbenutzung der auf Grund dieser Rechte errichteten Kommunikationslinien oder von Teilen davon gestatten, sofern die Inanspruchnahme von öffentlichem Gut nicht möglich oder nicht tunlich ist, und die Mitbenutzung für den Inhaber der Kommunikationslinie wirtschaftlich zumutbar und technisch vertretbar ist.

(2) Eigentümer oder sonst Nutzungsberechtigte eines Antennentragemastes oder eines Starkstromleitungsmastes müssen dessen Mitbenutzung durch Bereitsteller eines öffentlichen Kommunikationsnetzes, durch Feuerwehren, Rettungsdienste sowie Sicherheitsbehörden gestatten, sofern dies technisch, insbesondere frequenztechnisch möglich ist. Aus diesem Grund erforderliche technische Änderungen hat der Eigentümer oder sonst Nutzungsberechtigte durchzuführen oder durchführen zu lassen, wenn es sich um geringfügige Änderungen handelt und der Mitbenutzungswerber die Kosten dafür übernimmt. Das Recht zur Mitbenutzung beinhaltet auch die Mitbenutzung der für den Betrieb notwendigen Infrastruktur. Der Eigentümer oder sonst Nutzungsberechtigte darf seine Verfügungsgewalt über die Anlage nicht zu Ungunsten des Mitbenutzers ausüben.

....."

§ 1 TKG 2003 stellt den Gesetzeszweck klar (Abs. 1), legt Zielbestimmungen fest (Abs. 2) und weist darauf hin, welche gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben mit dem Gesetz umgesetzt werden sollen (Abs. 4). Aus dieser "programmatischen Zweckdefinition" (128 BlgNR XXII. GP, S. 3), deren Konkretisierung in den einzelnen Bestimmungen erfolgt, kann kein unmittelbarer Rechtsanspruch Einzelner abgeleitet werden: Vielmehr werden öffentliche Interessen definiert, an denen sich die das Gesetz vollziehende Behörde zu orientieren hat. Dass etwa die "Sicherstellung eines chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerbs" für Endkunden und Unternehmen gleichermaßen Vorteile bringt, rechtfertigt noch nicht die Annahme, dass mit dieser Gesetzesbestimmung nicht nur öffentliche Interessen gefördert, sondern auch rechtliche Interessen von Mitbewerbern begründet werden sollen. Bloß indirekte, mittelbare Auswirkungen auf deren (Rechts-)Sphäre vermitteln aber noch kein rechtliches Interesse.

Auch wenn die allfällige Nichtauferlegung einer Pönalezahlung an die mitbeteiligte Partei bei Nichterreichung des gebotenen Versorgungsgrades dazu führen mag, dass diese finanziellen Mittel (ebenso wie nicht für den Netzausbau eingesetztes Kapital) dann anderweitig verwendet werden können, ist damit allenfalls eine wirtschaftliche Beeinträchtigung, aber kein unmittelbarer Eingriff in die Rechtssphäre der Beschwerdeführerin verbunden.

Auch das auf § 8 TKG 2003 gestützte Argument der Beschwerdeführerin versagt: Die Gesetzesmaterialien zu § 8 TKG 2003 (128 BlgNR XXII. GP) stellen klar, dass "zum Adressatenkreis dieser Bestimmung zählt, wer Rechte zur Installation von Einrichtungen auf, über oder unter fremden Grundbesitz in Anspruch genommen hat, sowie auch weiterhin Eigentümer oder sonst Nutzungsberechtigte eines Antennen- oder eines Starkstromleitungsmastes". Daraus kann aber nicht abgeleitet werden, dass die (mangels schon erfolgter Errichtung von Tragwerken) noch gar nicht aktualisierte Verpflichtung, Mitbenützung unter näher bestimmten Voraussetzungen einzuräumen, ein rechtliches Interesse von Mitbewerbern an der Überprüfung der Einhaltung von Versorgungsauflagen begründet.

Das Verfahren der belangten Behörde, in dem die Beschwerdeführerin die Zuerkennung der Parteistellung beantragte, betraf keine Änderung der in einem Verfahren gemäß § 49a TKG - in dem unter anderem der Beschwerdeführerin Parteistellung zukam - erfolgten Frequenzzuteilung, sondern diente der Überprüfung, ob die in der Frequenzzuteilung der mitbeteiligten Partei rechtskräftig erteilten Auflagen erfüllt werden. Die Parteistellung der Beschwerdeführerin im vorangegangenen Frequenzzuteilungsverfahren vermittelt keinen Rechtsanspruch der Beschwerdeführerin auf ein bestimmtes Vorgehen der belangten Behörde bei der Überprüfung der Einhaltung der Bescheidauflagen.

Die Beschwerde war daher, da schon ihr Inhalt erkennen ließ, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen (§ 35 Abs. 1 VwGG).

Wien, am 19. Oktober 2004

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