VwGH 2003/20/0255

VwGH2003/20/025526.11.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Berger und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde des T in S, geboren 1981, vertreten durch Dr. Michael Schubeck, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Erzabt-Klotz-Straße 8, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 25. März 2003, Zl. 235.528/0- VII/22/03, betreffend §§ 6 Z 2 und 8 Asylgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §6 Z2;
AsylG 1997 §6;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §67d idF 2001/I/137;
EGVG 1991 Anlage Art2 Abs2 Z43a;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FrG 1997 §57 Abs1;
AsylG 1997 §6 Z2;
AsylG 1997 §6;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §67d idF 2001/I/137;
EGVG 1991 Anlage Art2 Abs2 Z43a;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FrG 1997 §57 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als damit die Berufung gegen Spruchpunkt II des erstinstanzlichen Bescheides (Ausspruch gemäß § 8 AsylG) abgewiesen wurde, wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein armenischer Staatsangehöriger, reiste nach eigenen Angaben am 21. Juli 2002 (gemeinsam mit seiner Mutter) in das Bundesgebiet ein und stellte am 24. Juli 2002 einen Asylantrag. Diesen begründete er bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 18. Februar 2003 sinngemäß damit, im September 2000 zufällig Zeuge eines Gespräches seines militärischen Vorgesetzten mit einem Unbekannten über einen illegalen Waffenhandel geworden zu sein. Um ihn zum Schweigen über das Gehörte zu veranlassen, habe ihm sein Kommandant gedroht, er müsse in Zukunft "aufpassen" und es könne auch seiner Mutter "etwas zustoßen". Nach Beendigung des Militärdienstes im Mai 2001 sei er im Auftrag seines Vorgesetzten "von fremden Leuten" mehrmals bedroht und zusammengeschlagen worden. Ihm sei gesagt worden, es wäre für ihn und seine Mutter besser, wenn sie das Land verließen, weil ihr Leben in Armenien nicht mehr in Sicherheit wäre.

Mit Bescheid vom 24. Februar 2003 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 6 Z 2 AsylG als offensichtlich unbegründet ab (Spruchpunkt I) und stellte gemäß § 8 AsylG fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Armenien zulässig sei (Spruchpunkt II). Begründend führte die Behörde aus, selbst "unter dem Vorbehalt der Glaubwürdigkeit" sei dem Vorbringen des Beschwerdeführers keine "asylrelevante Verfolgung im Sinne einer Verletzung der durch die Genfer Flüchtlingskonvention (FlKonv) geschützten Rechtsgüter" zu entnehmen. Abgesehen davon seien seine Angaben jedoch - aus näher dargestellten Gründen - nicht glaubwürdig, weshalb er auch keine "glaubwürdigen Refoulementhindernisse vorgebracht" habe.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wiederholte der Beschwerdeführer zunächst sein erstinstanzliches Vorbringen, beantragte überdies die Erstellung eines medizinischen Gutachtens zum Beweis dafür, dass er massiven Misshandlungen unterworfen gewesen sei und wandte sich im Einzelnen gegen die vom Bundesasylamt gegen seine Glaubwürdigkeit angeführten Argumente. Abschließend beantragte er, eine mündliche Berufungsverhandlung durchzuführen, um bei einer neuerlichen Einvernahme die Gelegenheit zu haben, seine Fluchtgründe "klar darzulegen" und die Berufungsbehörde von der "Asylwürdigkeit" seines Vorbringens zu überzeugen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung (ohne Durchführung einer Verhandlung) "gemäß §§ 6, 8 Asylgesetz" ab. Sie führte aus, der Beschwerdeführers habe ausschließlich kriminelle Machenschaften, nämlich (illegale) Waffengeschäfte seines militärischen Kommandanten und damit in behauptetem Zusammenhang stehende gewalttätige Einschüchterungsversuche gegenüber seiner Person behauptet, die - auch wenn seinem Vorbringen Glaubwürdigkeit zugebilligt würde - keinen Bezug zu den in der FlKonv genannten, taxativ aufgezählten Verfolgungsgründen erkennen ließen. Die erstinstanzliche Entscheidung sei daher "insgesamt" zu bestätigen gewesen, wobei hinsichtlich des Ausspruches nach § 8 AsylG auf die "zutreffende und ausführliche Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung verwiesen" werde. Das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung - trotz diesbezüglichen Antrages des Beschwerdeführers - begründete die belangte Behörde damit, das Bundesasylamt habe ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und die von ihm vorgenommene Beweiswürdigung sei ausdrücklich als schlüssig zu bezeichnen. Der Beschwerdeführer habe in seinem Rechtsmittel zwar "mehrfach die Ausführungen der Behörde erster Instanz bestritten, ohne allerdings eine diesbezüglich nachvollziehbare Begründung dafür zu liefern". Da in der Berufung auch kein dem Ergebnis des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt erstmalig neu und konkret behauptet worden sei, habe für die belangte Behörde keine Verpflichtung zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung bestanden.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die belangte Behörde hat die Abweisung des Asylantrages gemäß § 6 Z 2 AsylG (in der maßgeblichen Fassung vor der AsylGNov 2003) mit dem Argument bestätigt, es fehle - unter Zugrundelegung des Vorbringens des Beschwerdeführers - der erforderliche Zusammenhang zwischen der behaupteten Bedrohung des Beschwerdeführers einerseits und den in der FlKonv genannten Gründen andererseits. Dem hält die Beschwerde lediglich Ausführungen zur mangelnden Schutzfähigkeit oder -willigkeit der staatlichen Behörden in Armenien entgegen. Damit verkennt sie, dass es darauf im gegenständlichen Fall nicht ankommt, sondern ein Asylantrag gemäß § 6 Z 2 AsylG offensichtlich unbegründet ist, wenn sich die behauptete Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat - mag sie von privater oder staatlicher Seite ausgehen - offensichtlich auf keinen der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 FlKonv genannten Gründe (Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung) zurückführen lässt. Weder dem erstinstanzlichen Vorbringen des Beschwerdeführers noch jenem in seiner Berufung lässt sich jedoch - anders als im Fall des Erkenntnisses vom heutigen Tag, Zl. 2002/20/0335 - im vorliegenden Fall ein derartiger Zusammenhang entnehmen und ein solcher wird auch in der Beschwerde nicht aufgezeigt. Der auf kriminelle Machenschaften seines ehemaligen militärischen Vorgesetzten gestützte Asylantrag wurde von der belangten Behörde daher zu Recht abgewiesen; es kommt in diesem Zusammenhang auch dem - von der Beschwerde gerügten - Unterbleiben einer Berufungsverhandlung keine Relevanz zu. Insoweit war der Beschwerde daher ein Erfolg zu versagen.

Als berechtigt erweist sich die zuletzt angesprochene Verfahrensrüge jedoch im Zusammenhang mit dem von der belangten Behörde bestätigten Ausspruch gemäß § 8 AsylG in Verbindung mit § 57 Abs. 1 FrG. Anders als die zuvor behandelte Frage der Asylgewährung hängt ein dem Beschwerdeführer allenfalls einzuräumender Refoulementschutz nach der zuletzt genannten Gesetzesstelle nicht davon ab, dass etwa eine ihm drohende Gefahr, bei Rückkehr in den Herkunftsstaat unmenschlicher Behandlung unterworfen zu sein, auf den in der FlKonv genannten Gründen beruht. Der Glaubwürdigkeit seines Vorbringens, wonach er in Armenien weiterhin von seinem ehemaligen militärischen Vorgesetzten verfolgt würde und die staatlichen Behörden nicht willens bzw. nicht in der Lage seien, ihm dagegen effektiven Schutz zu gewähren, kommt unter diesem Blickwinkel entscheidende Bedeutung zu.

Die belangte Behörde hat sich - durch Verweis auf die ihrer Ansicht nach zutreffende Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung - insbesondere der Auffassung des Bundesasylamtes angeschlossen, den Angaben des Beschwerdeführers werde im Zusammenhang mit "Refoulementhindernissen" kein Glauben geschenkt. Eine solche Vorgangsweise wäre ohne Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung gemäß Art. II Abs. 2 Z 43a EGVG jedoch nur dann zulässig gewesen, wenn der Beschwerdeführer die erstinstanzliche Beweiswürdigung in der Berufung weder substantiiert bekämpft noch rechtlich relevante Neuerungen in seinem Rechtsmittel vorgetragen hätte (vgl. dazu insbesondere das zur hier anzuwendenden Rechtslage ergangene hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 2003, Zl. 2002/20/0533; zur Verhandlungspflicht auch in Bezug auf § 8 AsylG vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Juli 2003, Zl. 2003/01/0204). Diese Voraussetzungen für ein Absehen von der Berufungsverhandlung lagen im gegenständlichen Fall insbesondere deshalb nicht vor, weil der Beschwerdeführer der Beweiswürdigung des Bundesasylamtes in der Berufung substantiiert entgegentrat, zu sämtlichen vom Bundesasylamt gegen seine Glaubwürdigkeit vorgebrachten Argumenten Stellung nahm und die von der Behörde aufgezeigten Ungereimtheiten in seiner Darstellung zu erklären versuchte. Auch erstattete er in seiner Berufung insofern ein für die Entscheidung über den Refoulementschutz relevantes neues Vorbringen, als er erstmals und konkret behauptete, der armenische Staat sei weder in der Lage noch willens, ihn vor weiteren Verfolgungen durch den kriminellen ehemaligen militärischen Vorgesetzten zu schützen.

Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde bei Einvernahme des Beschwerdeführers unter Bedachtnahme auf das Berufungsvorbringen zu einer anderen Beurteilung der Glaubwürdigkeit seiner Angaben und damit allenfalls auch zu einer anderen Entscheidung hinsichtlich des Refoulementschutzes gekommen wäre, war der angefochtene Bescheid in diesem Umfang wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Von der in der Beschwerde beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG Abstand genommen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 26. November 2004

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