Normen
B-VG Art130 Abs2;
FrG 1997 §35 Abs3 Z1;
FrG 1997 §36 Abs1 Z1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §39 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;
B-VG Art130 Abs2;
FrG 1997 §35 Abs3 Z1;
FrG 1997 §36 Abs1 Z1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §39 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 7. November 2002 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 Z. 1 iVm den §§ 37 bis 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein mit zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Der Beschwerdeführer sei mit Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Innsbruck vom 27. Juni 2001 des Verbrechens nach § 28 Abs. 2 zweiter, dritter und vierter Fall und Abs. 3 erster Fall Suchtmittelgesetz - SMG und der Vergehen nach § 27 Abs. 1 erster und zweiter Fall leg. cit. für schuldig erkannt worden, weil im Großraum Innsbruck, Rotterdam und an anderen Orten
I. den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift in einer großen Menge (§ 28 Abs. 6 leg. cit.) von den Niederlanden aus - und über die Bundesrepublik Deutschland nach Österreich eingeführt sowie dort in Verkehr gesetzt hätten, und zwar
1. der Beschwerdeführer im Jahr 1999 und im Jänner 2000 durch gewerbsmäßigen Verkauf einer ziffernmäßig nicht feststellbaren, die Grenzmenge des § 28 Abs. 6 jedoch jedenfalls mehrfach übersteigenden Menge an qualitativ hochwertigem Kokain an drei näher genannte Personen und an zahlreiche weitere, namentlich nicht bekannte Drogenabnehmer und
2. M. und der Beschwerdeführer in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) etwa Anfang September 1999 durch Schmuggel von etwas mehr als 400 Gramm qualitativ hochwertigem Kokain von Rotterdam über die Bundesrepublik Deutschland nach Innsbruck, wobei M. gewerbsmäßig gehandelt habe,
II. der Beschwerdeführer den bestehenden Vorschriften zuwider von ca. Herbst 1998 bis Jänner 2000 Suchtgift erworben und besessen habe, indem er
1. ziffernmäßig insgesamt nicht mehr feststellbare Mengen Kokain von zwei
2. näher genannten Personen und von weiteren, namentlich nicht bekannten
- 3. Personen für den Eigenbedarf erworben habe und
- 4. zusammen mit vier näher genannten Personen und mit weiteren Personen regelmäßig Kokain konsumiert habe.
Das Geschworenengericht habe über ihn eine dreieinhalbjährige Freiheitsstrafe verhängt und bei der Strafbemessung als erschwerend das Zusammentreffen zweier Verbrechen mit einem Vergehen und die Wiederholung des Vergehens nach § 27 Abs. 1 SMG sowie als mildernd das Geständnis gewertet.
Das Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers laut dem Urteil vom 27. Juni 2001 zeige deutlich seine negative Einstellung zur Rechtsordnung, woraus sich die berechtigte Folgerung ergebe, dass sein Aufenthalt im Bundesgebiet eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle (§ 36 Abs. 1 Z. 1 FrG). Seine rechtskräftige Verurteilung vom 27. Juni 2001 zu einer unbedingten dreieinhalbjährigen Freiheitsstrafe erfülle den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 erster Fall leg. cit. Ein relevanter Eingriff in sein Privat- oder Familienleben im Sinn des § 37 Abs. 1 leg. cit. liege vor, mache jedoch das Aufenthaltsverbot im Grund dieser Gesetzesbestimmung nicht unzulässig. Im Hinblick auf die sich in seinem Gesamtfehlverhalten manifestierende Neigung, sich über die Rechtsordnung hinwegzusetzen, sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Rechte anderer) dringend geboten. Seine privaten oder familiären Interessen an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet wögen höchstens gleich schwer wie die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung dieser Maßnahme, weshalb diese auch im Grund des § 37 Abs. 2 FrG zulässig sei.
Der Beschwerdeführer sei seit 1977 in Österreich aufhältig, habe hier die Volks-, Haupt- und Berufsschule besucht und sei eineinhalb Jahre (bis März 1994) als Bäckergehilfe bei seinem Bruder beschäftigt gewesen. Als dessen Unternehmen in Konkurs gegangen sei, habe er von März bis Mai 1994 vom Arbeitsamt Innsbruck Arbeitslosengeld bezogen. Von Mai bis August 1994 habe er sich in der Türkei aufgehalten, um behördliche Erledigungen vorzunehmen. Ab August 1994 habe er wieder regulär in Innsbruck gearbeitet. Er spreche deutsch wie ein Österreicher (vgl. sein Berufungsvorbringen vom 16. Jänner 1995 und 12. Oktober 2002). Der Beschwerdeführer sei in Österreich gut integriert und mit privaten Bindungen versehen. Eine intensive familiäre Bindung habe er zu seinen hier gut integrierten Eltern und Geschwistern. Die soziale Komponente seiner Integration werde jedoch durch seine schweren Suchtgiftdelikte laut dem Urteil vom 27. Juni 2001 erheblich beeinträchtigt.
Ein Aufenthaltsverbot-Verbotsgrund gemäß den §§ 38, 35 FrG komme nicht zum Tragen, und zwar § 38 Abs. 1 Z. 1 FrG schon deshalb nicht, weil das Aufenthaltsverbot nicht auf § 36 Abs. 2 Z. 8 leg. cit. basiere. Die Voraussetzungen des § 38 Abs. 1 Z. 3 leg. cit. seien nicht erfüllt, weil der Beschwerdeführer rechtskräftig zu mehr als zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden sei. § 38 Abs. 1 Z. 4 leg. cit. gelange nicht zur Anwendung, weil der Beschwerdeführer im Jahr 1977 als Fünfjähriger nach Österreich gekommen und sohin nicht von klein auf in Österreich aufgewachsen sei. Auch die Voraussetzungen gemäß § 38 Abs. 1 Z. 2 iVm § 35 Abs. 3 leg. cit. lägen nicht vor, weil er zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr verurteilt worden sei.
Die schwer wiegenden privaten/familiären Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet hätten die belangte Behörde veranlasst, das - von der erstinstanzlichen Behörde unbefristet erlassene - Aufenthaltsverbot zu befristen. Hiebei sei sie der Ansicht, dass bis zum Wegfall des Grundes für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes, nämlich der Gefährlichkeit des Beschwerdeführers für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit, das Verstreichen von zehn Jahren vonnöten sei.
Im Hinblick auf die Verurteilung zu einer unbedingten dreieinhalbjährigen Freiheitsstrafe sei eine gesonderte Begründung der Ermessensentscheidung gemäß § 36 Abs. 1 FrG zu seinem Nachteil entbehrlich gewesen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. In der Beschwerde bleibt die Auffassung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 (erster Fall) FrG verwirklicht sei, unbekämpft. Im Hinblick auf die unbestrittene strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers begegnet diese Beurteilung keinen Bedenken.
2. Der Beschwerdeführer hat den bestehenden Vorschriften zuwider nicht nur von etwa Herbst 1998 bis Jänner 2000 Suchtgift (Kokain) für den Eigenbedarf erworben und regelmäßig konsumiert, sondern überdies im Jahr 1999 und im Jänner 2000 eine die Grenzmenge des § 28 Abs. 6 SMG mehrfach übersteigende Menge an qualitativ hochwertigem Kokain an zahlreiche Drogenabnehmer gewerbsmäßig - d.h. in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung der strafbaren Handlung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (§ 70 StGB) - verkauft sowie Anfang September 1999 im bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit einem anderen etwas mehr als 400 Gramm qualitativ hochwertiges Kokain von Rotterdam über die Bundesrepublik Deutschland nach Innsbruck geschmuggelt. In Anbetracht dieser mehrmonatigen, schweren Straftaten und im Hinblick auf das überaus große öffentliche Interesse an der Verhinderung von Suchtgiftkriminalität in dem vom Beschwerdeführer zu verantwortenden großen Stil kann die Auffassung der belangten Behörde, dass die in § 36 Abs. 1 Z. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, nicht als rechtswidrig erkannt werden.
3. Mit dem gegen die Beurteilung der belangten Behörde nach § 37 FrG gerichteten Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Die belangte Behörde hat im Hinblick auf den langjährigen inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers (seit 1977), seinen Schulbesuch und seine Berufstätigkeit in Österreich, seine daraus abzuleitende Integration und seine intensiven familiären Bindungen zu seinen hier lebenden Eltern und Geschwistern zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG angenommen. Sie hat aber - unter Bedachtnahme auf diese gewichtigen persönlichen Interessen - ebenso zutreffend den Standpunkt vertreten, dass diese Maßnahme zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen und zum Schutz der Rechte Dritter) dringend geboten und somit gemäß § 37 Abs. 1 FrG zulässig sei, manifestiert sich doch in den vom Beschwerdeführer über mehrere Monate begangenen Suchtgiftdelikten, insbesondere dem Verbrechen des gewerbsmäßigen Suchtgiftschmuggels- und handels, die von ihm ausgehende massive Gefahr für die Allgemeinheit.
Im Licht dessen konnte die Interessenabwägung im Grund des § 37 Abs. 2 FrG nicht zugunsten des Beschwerdeführers ausgehen. Wenngleich die für seinen Verbleib in Österreich sprechenden persönlichen Interessen beträchtlich sind, hat die belangte Behörde der durch sein gravierendes Fehlverhalten bewirkten Gefährdung der öffentlichen Interessen und damit den nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes - selbst bei Berücksichtigung des von der Beschwerde behaupteten Umstandes, dass der Beschwerdeführer Vater eines hier lebenden elfjährigen Sohnes und für diesen unterhaltspflichtig sei - zutreffend kein geringeres Gewicht beigemessen als seinen gegenläufigen persönlichen Interessen.
4. Auch das weitere Vorbringen der Beschwerde, mit dem sie sich gegen die festgesetzte Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes wendet, ist nicht zielführend.
Gemäß § 39 Abs. 1 FrG kann ein Aufenthaltsverbot in den Fällen des § 36 Abs. 2 Z. 1 und 5 leg. cit. unbefristet, in den Fällen des § 36 Abs. 2 Z. 9 leg. cit. für die Dauer von höchstens fünf Jahren und in allen anderen Fällen nur für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.
Nach ständiger hg. Rechtsprechung ist ein Aufenthaltsverbot - unter Bedachtnahme auf § 39 Abs. 1 FrG - für jenen Zeitraum, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird, und auf unbestimmte Zeit (unbefristet) zu erlassen, wenn ein Wegfall des Grundes für seine Verhängung nicht vorhergesehen werden kann (vgl. etwa das Erkenntnis vom 5. April 2002, Zl. 2001/18/0255, mwN).
Der belangten Behörde kann nicht entgegengetreten werden, wenn sie angesichts der in der Verübung der schweren Straftaten nach dem SMG zutage getretenen Charaktereigenschaft des Beschwerdeführers die Auffassung vertreten hat, dass der Zeitpunkt des Wegfalls der für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Umstände nicht vor Ablauf von zehn Jahren angenommen werden könne. Auch zeigt die Beschwerde keine Umstände auf, die den Schluss zuließen, dass der Wegfall dieser maßgeblichen Umstände vor Ablauf des genannten Zeitraums erwartet werden könne.
5. Schließlich bestand für die belangte Behörde auch kein Grund, im Rahmen einer Ermessensübung (gemäß § 36 Abs. 1 FrG) von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes Abstand zu nehmen, ist doch bei einer (rechtskräftigen) Verurteilung eines Fremden wegen einer der in § 35 Abs. 3 Z. 1 FrG genannten strafbaren Handlungen zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes eindeutig und würde eine auf eine Ermessenserwägung beruhende Abstandnahme von der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes offensichtlich nicht im Sinn des Gesetzes (Art. 130 Abs. 2 B-VG) erfolgen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 5. April 2002, Zl. 2002/18/0014, mwN).
6. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
7. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am 27. Februar 2003
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)