Normen
31992R2913 ZK 1992 Art203 Abs3;
31992R2913 ZK 1992 Art213;
VwRallg;
31992R2913 ZK 1992 Art203 Abs3;
31992R2913 ZK 1992 Art213;
VwRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Am 28. Februar 2000 wurde auf Antrag der A GmbH & Co KG mit Versandanmeldung T1 ein externes gemeinschaftliches Versandverfahren für die Beförderung eines Pkw der Marke Mercedes Benz vom Zollamt Graz als Abgangsstelle zum Zollamt Hamburg als Bestimmungsstelle eröffnet. Das Ende der Frist für die Wiedergestellung wurde mit 7. März 2000 bestimmt. Die A GmbH trat dabei als zugelassene Versenderin gemäß Art. 398 ZK-DVO und als Hauptverpflichtete gemäß Art. 96 Abs. 1 ZK auf.
Die Beschwerdeführerin bekam von der A GmbH & Co KG den Auftrag, diesen Pkw gemeinsam mit fünf weiteren Fahrzeugen nach Hamburg zu befördern.
Als innerhalb von 10 Wochen nach Ablauf der Gesellungsfrist beim Hauptzollamt Graz als Abgangsstelle das Original des Exemplars 5 der Versandanmeldung (als Nachweis für die ordnungsgemäße Beendigung des Versandverfahrens) nicht einlangte, eröffnete das Hauptzollamt Graz das Suchverfahren.
Die Zentralstelle Such- und Mahnverfahren des Hauptzollamtes Hamburg-Freihafen teilte in der Folge dem Hauptzollamt Graz mit Schreiben vom 16. Jänner 2001 mit, das Versandgut sei in Hamburg ohne Hinweis auf die Tatsache, dass es im gemeinschaftlichen Versandverfahren befördert worden sei, übergeben worden. Der Versandschein sei nicht vorgelegt worden. Bei dem als Warenempfänger genannten Unternehmen handle es sich lediglich um einen Umschlagbetrieb in der Freizone, der nur für den seewärtigen Transport der Ware aus der Freizone bis zum endgültigen Bestimmungsort verantwortlich sei. Eine nachträgliche Beendigung des Verfahrens sei ausschließlich durch einen Alternativnachweis iSd Art. 380 ZK-DVO möglich. Zur Vorlage dieser Nachweise sei der Hauptverpflichtete als Inhaber des Verfahrens von der Abgangsstelle heranzuziehen. Andernfalls wären die Einfuhrabgaben zu erheben. Das Suchverfahren werde für die Bestimmungsstelle als abgeschlossen betrachtet.
In ihrer Stellungnahme vom 25. April 2001 gab die Beschwerdeführerin an, die Spedition habe ihrem Fahrer anlässlich des Transports des Pkw ein verschlossenes Kuvert übergeben und ihn aufgefordert, dieses Kuvert, in welchem sich offensichtlich der Versandschein T1 befunden habe, zusammen mit dem Pkw nach Hamburg zu bringen. Der Pkw sei in Hamburg auftragsgemäß abgeladen und mit dem verschlossenen Kuvert an Mitarbeiter der U übergeben worden.
Mit Bescheid vom 30. April 2001 setzte das Hauptzollamt Graz gegenüber der Beschwerdeführerin wegen Nichterledigung des Versandscheines vom 28. Februar 2000 gemäß Art. 203 Abs. 1 iVm Abs. 3 erster und vierter Anstrich ZK iVm § 2 Abs. 1 ZollR-DG Eingangsabgaben in Höhe von insgesamt S 58.795,-- fest. Überdies wurden Ausgleichszinsen gemäß Art. 589 Abs. 1 ZK-DVO in Höhe von S 117,--, eine Abgabenerhöhung gemäß § 108 Abs. 1 ZollR-DG in Höhe von S 3.847,-- sowie Verwaltungsabgaben gemäß § 105 ZollR-DG in Höhe von S 600,-- vorgeschrieben.
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung und führte darin u.a. aus, das Fahrzeug habe den europäischen Wirtschaftsraum verlassen und sei ordnungsgemäß in Gabun eingeführt worden. Nach Informationen der Beschwerdeführerin sei ein Alternativnachweis gemäß Art. 380 ZK-DVO bereits von der hauptverpflichteten Partei der Zollbehörde vorgelegt worden. Die Beschwerdeführerin sei im Übrigen nicht zur Gestellung des Pkw verantwortlich gewesen.
Mit Berufungsvorentscheidung vom 4. September 2001 wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Im Wesentlichen wurde ausgeführt, der Pkw, ein aktives Veredlungserzeugnis (aktive Veredlung im Nichterhebungsverfahren), gelte als Nichtgemeinschaftsware. Er sei mit dem dazugehörigen Versandschein der Beschwerdeführerin als Warenführerin übergeben worden. Auf dem am 28. Februar 2000 in Graz ausgestellten CMR-Frachtbrief sei die Nummer des Versandscheines sowie die Übernahme (des Frachtbriefes) durch die Beschwerdeführerin mit Unterschrift und Stempel des Frachtführers vermerkt worden. Das vom Hauptzollamt Graz eingeleitete Ausforschungsverfahren habe ergeben, dass die verfahrensgegenständliche Nichtgemeinschaftsware ohne vorherige Gestellung dem Unternehmen U in Hamburg zur Verschiffung nach Gabun übergeben worden sei.
Auf Grund des übergebenen CMR-Frachtbriefes ergebe sich, dass die Beschwerdeführerin gewusst habe, dass es sich um eine dem gemeinschaftlichen externen Versandverfahren unterliegende Ware gehandelt habe. Die Beschwerdeführerin sei somit als Warenführerin im Sinne des Art. 96 Abs. 2 ZK anzusehen, die zur Einhaltung der Gestellungspflicht nach Art. 92 iVm Art. 96 ZK verpflichtet sei. Im Versandschein sei Hamburg (Freihafen Hamburg) als Bestimmungszollstelle angegeben worden. "Hamburg Freihafen" stelle eine Freizone iSd Art. 166 ZK dar. Gemäß Art. 170 Abs. 1 ZK seien Waren beim Verbringen in eine Freizone im Regelfall weder zu gestellen noch sei eine Zollanmeldung abzugeben. Da sich die U, welche das gegenständliche Fahrzeug zur Verschiffung übernommen habe, in der Freizone "Hamburg Freihafen" befinde, habe die Gestellungspflicht nicht auf sie übergehen können. Die Gestellung hätte vielmehr bereits vor Anlieferung an dieses Unternehmen durch die Beschwerdeführerin vorgenommen werden müssen, nämlich beim Eintritt in die Freizone.
Das (von der A GmbH & Co KG) vorgelegte Einfuhrdokument stelle mangels Beglaubigung keinen Alternativnachweis gemäß Art. 380 lit. b ZK-DVO dar. Die A GmbH & Co KG habe dem Hauptzollamt Graz bekannt gegeben, die Beibringung eines Nachweises, der den Formalerfordernissen des Art. 380 lit. b ZK-DVO entspreche, sei aus Gabun nicht möglich.
Die Beschwerdeführerin erhob Beschwerde, in welcher sie ausführte, aus dem CMR-Frachtbrief habe nicht klar erkannt werden können, inwieweit sich die Empfängerin "außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes" befinde. Dem Lenker der Beschwerdeführerin, Franz S, sei seitens der Absenderin ein verschlossenes Kuvert übergeben worden, wobei der Lenker davon ausgegangen sei, dass sich in diesem Kuvert Fahrzeugpapiere befänden. Im Nachhinein sei davon auszugehen, dass sich in diesem verschlossenen Kuvert ein Versandschein betreffend das gegenständliche Fahrzeug befunden habe. Die vollständige Nummer des Versandscheines sei entgegen der Ansicht der belangten Behörde nicht auf dem CMR-Frachtbrief angemerkt. Auch bei Übergabe des Fahrzeuges an die U sei dem Lenker des Transportes nicht bewusst gewesen, dass sich der Abladeort bereits außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes befunden habe bzw. der Pkw vor der Anlieferung bei der U bei der Bestimmungszollstelle Hamburg gestellt hätte werden müssen. Es sei auf Grund umfassender baulicher Maßnahmen möglich geworden, direkt auf das Gelände des Freihafens zu gelangen, ohne eine Zollstelle bzw. einen "Schlagbaum" zu passieren. Auch hätten die Mitarbeiter der U am 29. Februar 2002 das Fahrzeug sowie das verschlossene Kuvert unbeanstandet übernommen. Weil sie in dem dortigen Zollverfahren keine Parteistellung inne gehabt habe, könne sie aus Gabun auch keinen Alternativnachweis gemäß Art. 380 lit. b ZK-DVO besorgen.
Da nach den Ausführungen in der Berufungsvorentscheidung die verfahrensgegenständliche Zuwiderhandlung in Deutschland geschehen sei, sei das Hauptzollamt Graz überdies zur Abgabenerhebung nicht zuständig.
Auch werde die richtige Ermessensübung bestritten, weil die Einfuhr des zu veredelnden PKW nur auf Betreiben der A GmbH & Co KG erfolgt sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und nach Wiedergabe des Verfahrensganges und der anzuwendenden Rechtsvorschriften ausgeführt, ein Angestellter jenes Speditionsunternehmens, welches damals den CMR-Frachtbrief und den Versandschein erstellt habe, habe entschieden in Abrede gestellt, dass jemals Versandscheine in verschlossenen Kuverts an bei der Beschwerdeführerin beschäftigte Fahrer übergeben worden seien. Die schriftliche Stellungnahme des Speditionsunternehmens vom 17. Juli 2001 laute:
"Wir bestätigen Ihnen, dass die Ausgabe der T1-Papiere an die Lkw-Fahrer der Transportdienstleister gemeinsam mit den Frachtbriefen (CMR) in unkuvertiertem Zustand erfolgt ist und auch weiterhin erfolgen wird."
Die Beschwerdeführerin habe ein mit 5. September 2003 datiertes Gesprächsprotokoll vorgelegt, in welchem ihr Fahrer bestätigt habe, dass ihm am 28. Februar 2000 seitens der Absenderin keine Zollunterlagen ausgehändigt worden seien. Bei der Übernahme des Pkw habe sich ein verschlossenes Kuvert im Fahrzeug befunden.
Nach Aussage des Verantwortlichen des Speditionsunternehmens stelle sich der Verfahrensablauf bei der Pkw-Abholung folgendermaßen dar:
Beim Speditionsunternehmen seien damals ca. 300 Pkw täglich verladen worden. Voraussetzung für ein klagloses Funktionieren sei dabei die genaue Beachtung der festgelegten Ablaufprozesse durch alle Beteiligten gewesen. Die Lkw-Lenker seien stets selbst für die Beladung (richtig wohl: Verladung) der Pkw verantwortlich gewesen. Erst danach habe er im Büro des Speditionsgebäudes vorsprechen können, um den CMR-Frachtbrief erstellen zu lassen. Dort sei zunächst geprüft worden, ob tatsächlich die richtigen Fahrzeuge verladen worden seien. Anschließend sei der entsprechende Frachtbrief vorbereitet worden. Dann sei von der Spedition die Versandanmeldung T1 ausgedruckt worden. Diese sei ins Nachbarbüro gebracht und dort vom Verantwortlichen der Hauptverpflichteten unterzeichnet worden. Das unterfertigte Zolldokument sei in der Folge an die Spedition retourniert und von dieser gemeinsam mit dem CMR-Frachtbrief an den Lkw-Lenker persönlich ausgehändigt worden.
Daraus ergebe sich, dass es unmöglich gewesen sei, die Versandanmeldung T1 vor der Beladung auszudrucken. Die Behauptung der Beschwerdeführerin, wonach sich das T1 in einem verschlossenen Kuvert im Fahrzeug befunden habe, erscheine daher unglaubwürdig. Die Beschwerdeführerin beschäftige sich gewerbsmäßig mit der Durchführung von Kraftwagentransporten. Von Dezember 1999 bis Ende Februar 2000 habe sie eine Vielzahl von Transporten im gemeinschaftlichen Versandverfahren im Auftrag der A GmbH & Co KG von Graz nach Hamburg durchgeführt. Eine Reihe dieser Versandverfahren habe durch ordnungsgemäße Gestellung beim Hauptzollamt Hamburg erledigt werden können. In 93 Fällen sei jedoch die Zollschuld wegen Nichtbeendigung festzusetzen gewesen. Die Tatsache, dass in einigen Fällen die Gestellungsverpflichtung beim Hauptzollamt Hamburg erfüllt worden sei und bei zahlreichen anderen völlig gleich gelagerten Transporten diese Zollbestimmung missachtet worden sei, stehe in Widerspruch zur Behauptung der Beschwerdeführerin, wonach sie grundsätzlich keine Kenntnis darüber gehabt habe, dass sich die zu befördernden Fahrzeuge in einem aufrechten Zollverfahren befunden hätten.
Darüber hinaus sei im Beschwerdefall im Feld 5 "Beigefügte Dokumente" des CMR-Frachtbriefes ein handschriftlicher Hinweis auf die verfahrensgegenständliche Versandanmeldung ersichtlich. Wenn auch aus Platzgründen nicht die vollständige WE-Nr. des Versandscheins angeführt worden sei, sei doch durch den Vermerk "T1" unzweifelhaft erkennbar, dass es sich um Waren im gemeinschaftlichen Versandverfahren gehandelt habe. Somit sei erwiesen, dass die Beschwerdeführerin Kenntnis darüber gehabt habe, dass der Pkw dem gemeinschaftlichen Versandverfahren unterlegen sei. Der Einwand, wonach die Beschwerdeführerin nicht habe erkennen können, dass sich die in der Versandanmeldung als Empfängerin eingetragene U außerhalb des europäischen Wirtschaftsraumes befinde, sei irrelevant, weil es zur Entstehung der Zollschuld nicht etwa wegen unzulässiger Verbringung einer Ware aus dem EWR, sondern wegen Nichtgestellung der Ware bei der Bestimmungsstelle gekommen sei.
Die (von der A GmbH & Co KG vorgelegte) Ablichtung des Zolldokuments der Zollverwaltung Gabuns erfülle nicht die strengen Voraussetzungen des Art. 380 Abs. 2 ZK-DVO, weil die Fotokopie nicht von der Stelle, die das Original abgezeichnet habe, einer Behörde des betreffenden Drittlandes oder einer Behörde eines Mitgliedstaats beglaubigt worden sei, sondern nur den Vermerk einer internationalen Spedition mit dem Wortlaut "copie conforme a l'original" (Kopie mit dem Original übereinstimmend) trage. Weiters sei die Identifizierung der Ware anhand dieses Dokuments insofern zweifelhaft, als sich aus der darauf vermerkten (übrigens schlecht lesbaren) Fahrgestellnummer des Fahrzeuges wegen unvollständiger Wiedergabe kein zweifelsfreier Bezug auf das verfahrensgegenständliche Fahrzeug ergebe. Bei der auf der vorliegenden Fotokopie aufscheinenden Nummer fehlten die wesentlichen letzten sechs Ziffern. Der im Dokument angeführte alphanumerische Wert stelle nur den ersten Teil einer Fahrgestellnummer dar, der wegen seiner vollinhaltlichen Übereinstimmung mit zahlreichen anderen Fahrzeugen (u.a. auch mit einem weiteren Fahrzeug, welches damals gemeinsam mit dem verfahrensgegenständlichen Pkw ebenfalls nach Hamburg befördert worden, aber nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sei) für eine zweifelsfreie Identifizierung der Ware ungeeignet sei. Der Nachweis der ordnungsgemäßen Durchführung des Versandverfahrens im Falle der (Wieder-)Ausfuhr der Versandwaren aus der EG ohne pflichtgemäßer Gestellung bei der Ausgangszollstelle könne nur durch einen ordnungsgemäßen Alternativnachweis, nicht etwa durch andere Beweismittel, wie Zeugenaussagen, erbracht werden.
Das Hauptzollamt Hamburg-Freihafen habe dem Hauptzollamt Graz auf die Suchanzeige u.a. geantwortet, das Suchverfahren werde für diese Dienststelle als abgeschlossen betrachtet. Damit sei der Abgangsstelle unmissverständlich mitgeteilt worden, dass nicht von einer Zuständigkeit dieser Zollstelle für die Abgabenerhebung ausgegangen werde, zumal andernfalls die erforderlichen Unterlagen zum Zwecke der Abgabenfestsetzung angefordert worden wären. Diesem Schluss der deutschen Zollverwaltung könne auch deswegen gefolgt werden, weil unbeschadet der Tatsache, dass auch das Hauptzollamt Hamburg nicht ausschließe, dass der Pkw in Hamburg entladen worden sein könne, auf Grund der Verfahrenslage nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden könne, dass der Ort der Zuwiderhandlung im Bereich des Hauptzollamtes Hamburg gelegen sei. Dadurch, dass die Ware ohne zollamtliche Mitwirkung in Hamburg abgeladen worden sei, sei der Bestimmungsstelle jede Möglichkeit genommen worden, die Nämlichkeitssicherung zu prüfen. Es lägen daher keine gesicherten behördlichen Feststellungen darüber vor, ob das in Hamburg entladene Fahrzeug identisch sei mit jenem Fahrzeug, welches Gegenstand des Versandverfahrens gewesen sei. Zudem habe die Bestimmungsstelle nicht mit Sicherheit ausschließen können, dass die Zollschuld bereits vor der Entladung durch Verletzung einer der zahlreichen bei Durchführung des Versandverfahrens zu beachtenden Pflichten (etwa wegen Nichterfüllung der Verpflichtung, die Versandanmeldung mitzuführen) entstanden sei und dass für die dadurch entstandene Zollschuld ein anderes Land zuständig gewesen sei. Es lägen auch keine Indizien dafür vor, dass die Ware innerhalb des Zuständigkeitsbereiches der deutschen Zollverwaltung in den Wirtschaftskreislauf der Gemeinschaft gelangt sei. Österreich als Abgangsmitgliedstaat habe ersatzweise die Zuständigkeit im Sinne des Art. 215 ZK iVm Art. 379 Abs. 2 ZK-DVO für die Erhebung der Abgaben erlangt. Dadurch, dass die Ware ohne zollamtliche Mitwirkung in Hamburg entladen worden sei und die Verpflichtung der (Wieder-)Gestellung nicht erfüllt worden sei, lägen die objektiven Voraussetzungen für die Verwirklichung des Tatbestandes des Entziehens aus der zollamtlichen Überwachung vor. Auf subjektive Elemente komme es nicht an.
Beim Auswahlermessen sei zu berücksichtigen gewesen, dass das die Entstehung der Zollschuld auslösende pflichtwidrige Verhalten, nämlich die Entladung der Ware und der Missachtung der Gestellungspflicht in Hamburg, laut Vorbringen der Beschwerdeführerin zweifellos durch ihren Fahrer und nicht durch einen Fahrer der A GmbH & Co KG geschehen sei.
Es sei somit erwiesen, dass die Beschwerdeführerin die verfahrensgegenständliche Ware im Wissen darüber, dass sie dem gemeinschaftlichen Versandverfahren unterlegen sei, als Warenführerin angenommen habe. Sie sei daher gemäß Art. 96 Abs. 2 ZK verpflichtet gewesen, das Versandgut innerhalb der vorgeschriebenen Frist unter Beachtung der vom Hauptzollamt Graz zur Nämlichkeitssicherung getroffenen Maßnahmen unverändert der Bestimmungszollstelle in Hamburg zu gestellen. Spätestens dadurch, dass sie die Ware ohne zollamtliche Mitwirkung im Bereich des Hafens Hamburg entladen habe, sei der einfuhrabgabenpflichtige Pkw gemäß Art. 203 Abs. 1 ZK der zollamtlichen Überwachung entzogen worden. Das Hauptzollamt Graz, welches auf Grund des nicht zweifelsfrei bestimmbaren Ortes der Zuwiderhandlung ersatzweise Zuständigkeit im Sinne des Art. 215 ZK iVm Art. 379 Abs. 1 ZK-DVO erlangt habe, habe daher die Beschwerdeführerin als Pflichteninhaberin zu Recht als Zollschuldnerin im Sinne des Art. 203 Abs. 3 vierter Anstrich ZK in Anspruch genommen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, mit welcher Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin bestreitet zunächst die Zuständigkeit des Hauptzollamtes Graz zur Abgabenvorschreibung.
Nach Art. 215 Abs. 1 ZK entsteht die Zollschuld
- an dem Ort, an dem der Tatbestand eintritt, der die Zollschuld entstehen lässt;
- oder, wenn dieser Ort nicht bestimmt werden kann, an dem die Zollbehörden feststellen, dass die Ware sich in einer Lage befindet, die eine Zollschuld hat entstehen lassen;
- oder, wenn die Ware in ein noch nicht erledigtes Zollverfahren übergeführt worden ist und der Ort innerhalb einer gegebenenfalls nach dem Ausschussverfahren festgelegten Frist weder nach dem ersten noch nach dem zweiten Gedankenstrich bestimmt werden kann, an dem Ort, an dem die Ware in das bestreffende Verfahren übergeführt oder im Rahmen dieses Verfahrens in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht worden ist.
Können die Zollbehörden aus ihnen bekannten Umständen schließen, dass die Zollschuld bereits entstanden war, als sich die Ware noch an einem anderen Ort befand, so gilt die Zollschuld als an dem Ort entstanden, an dem sich die Ware auf Grund der Feststellungen zu dem am weitesten zurückliegenden Zeitpunkt, für den das Bestehen der Zollschuld nachgewiesen werden kann, befand (Abs. 2 leg. cit.).
Gemäß Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2787/2000 der Kommission vom 15. Dezember 2000 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2454/93 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABl. EG Nr. L 330/2000, gilt die genannte Verordnung nicht für Waren, die vor dem Beginn ihrer Anwendung in das gemeinschaftliche Versandverfahren überführt worden sind. Da der verfahrensgegenständliche PKW mit Anmeldung vom 28. Februar 2000 in das externe gemeinschaftliche Versandverfahren überführt worden ist, ist die Verordnung (EG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABl. EG Nr. L 253/1993 (im Folgenden: ZK-DVO), in der Fassung vor der Verordnung (EG) Nr. 2787/2000 anzuwenden.
Nach Art. 378 Absatz 1 ZK-DVO gilt in dem Fall, dass eine Sendung nicht an der Bestimmungsstelle gestellt worden ist und der Ort der Zuwiderhandlung nicht ermittelt werden kann an, diese Zuwiderhandlung unbeschadet des Art. 215 ZK
- als in dem Mitgliedstaat begangen, zu dem die Abgangsstelle gehört, oder
- als in dem Mitgliedstaat begangen, zu dem die Eingangszollstelle der Gemeinschaft gehört, bei der ein Grenzübergangsschein abgegeben worden ist,
es sei denn, die Ordnungsmäßigkeit des Verfahrens oder der Ort, an dem die Zuwiderhandlung tatsächlich begangen worden ist, wird den Zollbehörden innerhalb der Frist nach Art. 379 Abs. 2 ZK-DVO nachgewiesen.
Gilt die Zuwiderhandlung in Ermangelung eines solchen Nachweises als in dem Abgangsmitgliedstaat oder in dem Eingangsmitgliedstaat begangen, so werden nach Art. 378 Abs. 2 ZK-DVO die für die betreffenden Waren geltenden Zölle und anderen Abgaben von diesem Mitgliedstaat nach den gemeinschaftlichen oder innerstaatlichen Vorschriften erhoben.
Wird vor Ablauf einer Frist von drei Jahren vom Zeitpunkt der Eintragung des Versandscheines T1 an gerechnet der Mitgliedstaat ermittelt, in dem die Zuwiderhandlung tatsächlich begangen worden ist, so erhebt nach Art. 378 Abs. 3 ZK-DVO dieser Mitgliedstaat nach den gemeinschaftlichen oder innerstaatlichen Vorschriften die für die betreffenden Waren geltenden Zölle und anderen Abgaben. Sobald diese Erhebung nachweislich erfolgt ist, werden die ursprünglich erhobenen Zölle und anderen Abgaben erstattet.
Art. 379 Abs. 1 ZK-DVO ordnet für den Fall, dass eine Sendung bei der Bestimmungsstelle nicht gestellt worden ist und der Ort der Zuwiderhandlung nicht ermittelt werden kann, an, dass die Abgangsstelle dies dem Hauptverpflichteten so schnell als möglich, spätestens jedoch vor Ablauf des elften Monats nach dem Zeitpunkt der Registrierung der Versandanmeldung mitteilt. Nach Abs. 2 leg. cit. ist in dieser Mitteilung insbesondere die Frist anzugeben, innerhalb der bei der Abgangsstelle der Nachweis für die ordnungsgemäße Durchführung des Versandverfahrens oder der Nachweis über den tatsächlichen Ort der Zuwiderhandlung zu erbringen ist. Wird der genannte Nachweis nicht erbracht, so erhebt der zuständige Mitgliedstaat nach Ablauf dieser Frist die betreffenden Zölle und anderen Abgaben. Ist dieser Mitgliedstaat nicht der Mitgliedstaat in dem sich die Abgangsstelle befindet, so unterrichtet er letztere unverzüglich von der Erhebung der Zölle und anderen Abgaben.
Die belangte Behörde stützte ihre Zuständigkeit darauf, dass das Versandverfahren im Inland eröffnet worden sei und nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststehe, dass die Zollschuld - "etwa durch Verletzung einer der zahlreichen bei Durchführung des Versandverfahrens zu beachtenden Pflichten (etwa wegen Nichterfüllung der Verpflichtung, die Versandanmeldung mitzuführen" - in einem anderen Land entstanden sei. Die Beschwerdeführerin ist diesen Feststellungen nicht entgegengetreten.
Es kann nämlich auch nicht als unschlüssig erachtet werden, wenn die belangte Behörde den Vermutungen der Beschwerdeführerin, dass sich der Versandschein in einem verschlossenen Kuvert befunden habe, keinen Glauben geschenkt hat. Sie konnte sich zu Recht auf die - der Beschwerdeführerin mit Vorhalt vom 28. August 2003 zur Kenntnis gebrachte - schriftliche Stellungnahme des Speditionsunternehmes, wonach die Ausgabe der T1- Papiere stets gemeinsam mit den Frachtbriefen in unkuvertiertem Zustand erfolge, stützen. Dass die Darstellung des Speditionsunternehmens über den standardisierten Ablauf bei der Übergabe von Fahrzeugen an Frachtführer unrichtig gewesen sei, wird von der Beschwerdeführerin nicht behauptet. Die Beschwerdeführerin rügt zwar in diesem Zusammenhang die unterlassene Einvernahme informierter Vertreter der hauptverpflichteten Partei bzw. der U, unterlässt es aber, die Relevanz des von ihr behaupteten Verfahrensmangels darzulegen. Aus dem Gesagten ergibt sich somit, dass der Verbleib des Versandpapieres T1, welches gemäß Art. 350 ZK-DVO die Waren bei der Beförderung begleiten muss (Abs. 1) und dessen Exemplare den Zollbehörden jederzeit vorzulegen sind (Abs. 2), ungeklärt ist.
Die Beschwerdeführerin rügt hinsichtlich des "Alternativnachweises" für die ordnungsgemäße Durchführung des Zollverfahrens, die Abgabenbehörden wären verpflichtet gewesen, "im Rahmen der amtlichen Erkundung zu überprüfen, inwieweit die von Seiten der hauptverpflichteten Partei vorgelegten Urkunden tatsächlich nachweisen, dass das gegenständliche Fahrzeug nach Gabun ausgeführt und dort einem Zollverfahren zugeführt wurde. Es hätte sohin ohne weiteres im Rahmen eines Rechtshilfeansuchens an die zuständige Behörde in Gabun abgeklärt werden können, inwieweit das gegenständliche Fahrzeug tatsächlich nach Gabun ausgeführt worden ist."
Der Nachweis für die ordnungsgemäße Durchführung des Zollverfahrens iSd Art. 378 Abs. 1 ZK-DVO wird gemäß Art. 380 Buchst. a ZK-DVO den zuständigen Behörden durch Vorlage eines von den Zollbehörden bescheinigten Zoll- oder Handelspapiers, aus dem hervorgeht, dass die betreffenden Waren bei der Bestimmungsstelle gestellt worden sind, erbracht. Gemäß Buchst. b leg. cit. wird der Nachweis auch durch Vorlage eines in einem Drittland ausgestellten Zollpapiers über die Überführung der Waren in ein Zollverfahren oder einer Abschrift oder Fotokopie dieses Papiers erbracht. Diese Abschrift oder Fotokopie muss entweder von der Stelle, die das Original abgezeichnet hat, einer Behörde des betreffenden Drittlandes oder einer Behörde eines Mitgliedstaats beglaubigt sein. Dieses Papier muss Angaben zu Identifizierung der Waren enthalten.
Daraus folgt zunächst, dass der Nachweis für die ordnungsgemäße Durchführung des Zollverfahrens nicht von den Zollbehörden, sondern gegenüber den Zollbehörden, dh von der Partei des Verfahrens zu führen ist. Die Abgabenbehörden waren schon deswegen nicht verpflichtet, im Rechtshilfeweg Informationen über das zollrechtliche Schicksal des Pkw einzuholen.
Überdies erlaubt die genannte Bestimmung nur zwei Arten der Nachweisführung, nämlich entweder in Form eines von den Zollbehörden bescheinigten Zoll- oder Handelspapiers über die Gestellung der Waren bei der Bestimmungsstelle oder in Form eines in einem Drittland ausgestellten Zollpapiers über die Überführung der Waren in ein Zollverfahren, welches im Fall einer Abschrift oder Fotokopie beglaubigt sein muss. Dass den Abgabenbehörden solche Nachweise erbracht worden seien, behauptet auch die Beschwerdeführerin nicht.
Da die Abgangsstelle im Inland gelegen ist, der Pkw an der Bestimmungsstelle nicht gestellt wurde und der Ort der Zuwiderhandlung nicht ermittelt werden konnte, kann es nicht als rechtswidrig erachtet werden, wenn die belangte Behörde vom Vorliegen ihrer Zuständigkeit ausgegangen ist.
Gemäß Art. 203 Abs. 1 ZK entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen wird.
Nach Abs. 2 leg. cit. entsteht die Zollschuld in dem Zeitpunkt, in dem die Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen wird.
Art. 203 Abs. 3 ZK bestimmt als Zollschuldner u.a. die Person, welche die Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen hat (erster Anstrich), gegebenenfalls die Person, welche die Verpflichtungen einzuhalten hatte, die sich aus der Inanspruchnahme des betreffenden Zollverfahrens ergeben (vierter Anstrich).
Der in Art. 203 Abs. 3 erster Anstrich genannte Zollschuldner ist jeder, der durch sein Tun oder Unterlassen den Erfolg herbeiführt, dass zollamtliche Überwachungsmaßnahmen nicht mehr möglich sind. Auf subjektive Merkmale kommt es dabei nicht an. Der zollrechtliche Status der Ware braucht dem Handelnden nicht bekannt zu sein (vgl. Witte, Zollkodex3, Rz 17 zu Art. 203).
Die Beschwerdeführerin wendet sich nicht gegen die behördlichen Feststellungen, dass der von ihr beförderte Pkw sich im externen gemeinschaftlichen Versandverfahren befunden hat, und dass er aus der zollamtlichen Überwachung entzogen wurde. Ob dem Fahrer des Lkw diese Umstände bekannt waren, ist für die Entstehung der Abgabenschuld nicht von Belang.
Die Beschwerdeführerin bestreitet die rechtmäßige Ausübung des Auswahlermessens mit der Begründung, dass die Einfuhr der zu veredelnden Materialien ausschließlich auf Betreiben und im wirtschaftlichen Interesse der A GmbH & Co KG erfolgt sei.
Art. 213 ZK lautet:
"Gibt es für eine Zollschuld mehrere Zollschuldner, so sind diese gesamtschuldnerisch zur Erfüllung dieser Zollschuld verpflichtet."
Bei der Entscheidung, einen Zollschuldner von mehreren in Anspruch zu nehmen, müssen die Zollbehörden auswählen. Die Entscheidung ist eine Ermessensentscheidung. Bei der Ausübung des Ermessens muss u.a. beachtet werden, wer der Zollschuld am nächsten steht. Soweit mehrere Zollschuldner bekannt sind, bietet es sich an, grundsätzlich in der Reihenfolge ihrer Auflistung im Zollkodex vorzugehen, also den Handelnden vor den Teilnehmern und Erwerbern sowie den Verfahrensinhabern zur Zahlung aufzufordern. Das schließt aber die Beachtung weiterer Kriterien, etwa den Grad der Verfehlung, die zum Entstehen der Zollschuld geführt hat, nicht aus (vgl. Witte, Zollkodex3, Rz 4 und 7 zu Art. 213).
Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich nach den obigen Ausführungen um den Handelnden, dem bereits auf Grund des CMR-Frachtbriefes der Umstand, dass sich der von ihr zu befördernde Pkw im externen gemeinschaftlichen Versandverfahren befunden hat, bekannt gewesen sein musste. Dass der A GmbH & Co KG eine Verfehlung im Zusammenhang mit der Entziehung aus der zollamtlichen Überwachung angelastet werden könnte, wird auch von der Beschwerdeführerin nicht behauptet.
Da die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen vermochte, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 18. Mai 2006
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