VwGH 2003/16/0129

VwGH2003/16/012926.9.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde der G AG in G, vertreten durch Stampfer, Orgler & Partner, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Schmiedgasse 21, gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates (Außenstelle Graz) vom 15. Juli 2003, Zl. RV/0077- G/03, betreffend Gesellschaftsteuer, zu Recht erkannt:

Normen

31969L0335 Kapital Ansammlungs-RL indirekte Steuern Art4 Abs2 idF 31985L0303;
31969L0335 Kapital Ansammlungs-RL indirekte Steuern Art7 Abs1 idF 31985L0303;
31969L0335 Kapital Ansammlungs-RL indirekte Steuern Art7 Abs2 idF 31985L0303;
31973L0080 gemeinsame Sätze Gesellschaftsteuer;
31985L0303 Nov-31969L0335;
KapBG §1;
KapBG §2;
KVG 1934 §2 Z2;
KVG 1934 §7 Abs1 Z2;
KVG 1934 §8 idF 1994/629;
31969L0335 Kapital Ansammlungs-RL indirekte Steuern Art4 Abs2 idF 31985L0303;
31969L0335 Kapital Ansammlungs-RL indirekte Steuern Art7 Abs1 idF 31985L0303;
31969L0335 Kapital Ansammlungs-RL indirekte Steuern Art7 Abs2 idF 31985L0303;
31973L0080 gemeinsame Sätze Gesellschaftsteuer;
31985L0303 Nov-31969L0335;
KapBG §1;
KapBG §2;
KVG 1934 §2 Z2;
KVG 1934 §7 Abs1 Z2;
KVG 1934 §8 idF 1994/629;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist eine Aktiengesellschaft, in deren Hauptversammlung vom 15. Mai 2001 u.a.

Der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gemäß § 8 AktG können Aktien entweder als Nennbetragsaktien oder als Stückaktien begründet werden. Beide Aktienarten dürfen in der Gesellschaft nicht nebeneinander bestehen. Stückaktien haben keinen Nennbetrag. Jede Stückaktie ist am Grundkapital in gleichem Umfang beteiligt. Der Anteil bestimmt sich nach der Zahl der ausgegebenen Aktien. Der auf eine einzelne Aktie entfallende anteilige Betrag des Grundkapitals muss mindestens 1 Euro betragen.

§ 2 KVG lautet auszugsweise:

"§ 2

Gegenstand der Steuer

Der Gesellschaftsteuer unterliegen:

1. der Erwerb von Gesellschaftsrechten an einer inländischen Kapitalgesellschaft durch den ersten Erwerber;

2. Leistungen, die von den Gesellschaftern einer inländischen Kapitalgesellschaft auf Grund einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung bewirkt werden (Beispiele: weitere Einzahlungen, Nachschüsse). Der Leistung eines Gesellschafters steht es gleich, wenn die Gesellschaft mit eigenen Mitteln die Verpflichtung des Gesellschafters abdeckt;

..."

§ 8 KVG idF BGBl. Nr. 629/1994 lautet:

"§ 8

Steuersatz

Die Steuer beträgt 1 % der Bemessungsgrundlage."

Die Beschwerdeführerin vertritt auch in ihrer Beschwerde die Auffassung, es sei im Beschwerdefall keine Gesellschaftsteuer vorzuschreiben gewesen, weil bei Kapitalerhöhungen aus Gesellschaftsmitteln im Zusammenhang mit Stückaktien eine Bemessungsgrundlage fehle. Eine solche sei im steuerlichen Kapitalberichtigungsgesetz, welche auf solche Fälle anzuwenden sei, nicht vorgesehen.

Die belangte Behörde vertritt hingegen die Auffassung, das steuerliche KapBG sei auf Kapitalerhöhungen im Jahre 2001 nicht mehr anwendbar.

§ 1 und § 2 des Bundesgesetzes über steuerliche Maßnahmen bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (im Folgenden: steuerliches KapBG) lauteten in der Stammfassung BGBl. 157/1966:

"§ 1. Steuern vom Einkommen und Ertrag der Gesellschafter

(1) Erhöht eine Aktiengesellschaft ihr Grundkapital (Nennkapital) oder eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung ihr Stammkapital (Nennkapital) ausschließlich aus Gesellschaftsmitteln, so unterliegt der Erwerb der neuen Anteilsrechte durch die Gesellschafter nicht den Steuern vom Einkommen und Ertrag, wenn diese Kapitalerhöhung zwischen dem 1. Jänner 1967 und dem 31. Dezember 1970 beschlossen und durchgeführt wird.

(2) Rücklagen, die auf Grund besonderer Vorschriften steuerfrei gebildet worden sind, dürfen nicht für eine Kapitalerhöhung im Sinne des Abs. 1 verwendet werden.

(3) Kapitalerhöhungen gemäß Abs. 1 lösen keine Mindeststeuer im Sinne des Körperschaftsteuergesetzes aus.

(4) Bedingtes Kapital hat im gleichen Verhältnis wie das Nennkapital an der Kapitalerhöhung teilzunehmen.

§ 2. Gesellschaftsteuer

Beim Erwerb neuer Anteilsrechte im Sinne des § 1 wird die Gesellschaftsteuer vom Nennbetrag berechnet."

Das steuerliche KapBG steht in Geltung. § 1 Abs. 1 leg. cit. ist aber insofern eine Begrenzung des zeitlichen Bedingungsbereichs zu entnehmen, als die dort vorgesehene Ertragsteuerbefreiung nur dann Anwendung finden soll, wenn die Kapitalerhöhung bis zum 31. Dezember 1970 (bzw. in der Folge bis zum 31. Dezember 1970) beschlossen und durchgeführt wird. Ergänzt wird diese Bestimmung u. a. durch § 2 leg. cit., welcher "beim Erwerb neuer Anteilsrechte im Sinne des § 1" die Berechnung der Gesellschaftsteuer nach dem Nennbetrag der Anteilsrechte (und nicht nach dem Wert der Gegenleistung) vorsieht. Durch den Verweis auf § 1 wird klargestellt, dass auch § 2 leg. cit. nur für solche Kapitalerhöhungen, die bis zum 31. Dezember 1973 beschlossen und durchgeführt werden, Anwendung finden soll. Damit ist aber die zeitliche Begrenzung des § 1 leg. cit. auch in den § 2 leg. cit. übernommen worden.

Dafür, dass § 2 leg. cit. - anders als die Ertragsteuerbefreiung in § 1 leg. cit. - unbefristet gelten sollte, gibt es weder im Gesetzeswortlaut noch in den Materialien (vgl. Erläuterungen zur Regierungsvorlage (der Stammfassung), 114 BlgNR 11. GP 2) Anhaltspunkte. Aus letzteren ergibt sich vielmehr, dass diese Maßnahme ergriffen wurde, um einem damals wahrgenommenen "Missverhältnis" des Nennkapitals zu den Rücklagen und zu dem tatsächlichen Eigenkapital als Folge der Vorsicht bei der Aufstellung der Schillingeröffnungsbilanzen Abhilfe zu verschaffen. Mit diesem (zeitlich begrenzten) Anreiz zur Erhöhung des Nennkapitals der Kapitalgesellschaften sollte letztlich eine "breite Streuung von Dividendenwerten" und eine Marktkonsolidierung erreicht werden.

Der Gesetzgeber hat diese Maßnahme mit der Novelle BGBl. Nr. 416/1970 auf bis zum 31. Dezember 1973 beschlossene und durchgeführte Kapitalerhöhungen verlängert und dies in den Materialien mit dem Auslaufen der durch das steuerliche KapBG eingeräumten "steuerlichen Erleichterungen" begründet. Es schien es sinnvoll, die Geltungsdauer "des Bundesgesetzes über steuerliche Maßnahmen bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln bis zum gleichen Endtermin (wie das Strukturverbesserungsgesetz, BGBl. Nr. 69/1969) zu verlängern" (vgl. Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 147 BlgNR 12. GP 1).

Der zeitlich begrenzte Bedingungsbereich des gesamten steuerlichen KapBG und somit auch dessen § 2 ist auch durch Art IV der Novelle zum GmbH-Gesetz, BGBl. Nr. 320/1980, ersichtlich. Nach dessen § 2 Abs. 1 soll der Erwerb neuer Anteilsrechte durch den Gesellschafter bei einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln keine Ertragsbesteuerung auslösen, wenn der diesbezügliche Beschluss bis längstens 31. Dezember 1986 zum Handelsregister angemeldet wird. Gemäß § 2 Abs. 2 leg. cit. sind überdies der § 1 Abs. 2 und die §§ 2 bis 6 steuerliches KapBG sinngemäß anzuwenden. Diese Anordnung hätte sich als überflüssig erwiesen, wäre davon auszugehen, dass diese Teile des steuerlichen KapBG noch anwendbar gewesen wären.

Dasselbe gilt für Abgabenänderungsgesetz 1984, BGBl. Nr. 531/1984, das in Abschnitt XI erster Satz bestimmte, dass der Erwerb neuer Anteilsrechte an einer Aktiengesellschaft oder Gesellschaft mit beschränkter Haftung nicht den Steuern vom Einkommen und Ertrag unterliegen soll, wenn die Erhöhung des Nennkapitals ausschließlich aus Gesellschaftsmitteln erfolgt, die Kapitalerhöhung nach dem 31. Dezember 1984 beschlossen und der Beschluss bis längstens 31. Dezember 1987 zum Handelsregister angemeldet wurde. Im zweiten Satz wurde ebenfalls die sinngemäße Anwendung des § 1 Abs. 2 und der §§ 2 bis 6 steuerliches KapBG vorgeschrieben.

Daraus folgt, dass § 2 des steuerlichen KapBG im Beschwerdefall nicht mehr zur Anwendung gelangen konnte.

Wenn die Beschwerdeführerin sich auf das hg. Erkenntnis vom 19. September 2001, Zl. 2000/16/0761, beruft, so ist sie darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof darin keine ausdrückliche Aussage zum zeitlichen Geltungsbereich des steuerlichen KapBG getroffen hat.

Die Beschwerdeführerin bringt überdies vor, die belangte Behörde hätte - im Falle, dass das steuerliche KapBG nicht mehr anwendbar sei - die Kapitalerhöhung als einen Vorgang nach § 2 Z 1 KVG und nicht nach § 2 Z 2 bis 4 KVG behandeln müssen.

Beim Vorgang einer nominellen Kapitalerhöhung einer Aktiengesellschaft, deren Grundkapital in Stückaktien zerlegt ist, und bei der keine Frei- oder Gratisaktien ausgegeben werden, handelt es sich um Leistungen des Gesellschafters aufgrund einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung (§ 2 Z 2 KVG), bei denen die Gesellschaft mit eigenen Mitteln die Verpflichtung des Gesellschafters abdeckt.

Eine Verpflichtung aus dem Gesellschaftsverhältnis ist nämlich auch dann gegeben, wenn sie Ausfluss der auf der Gesellschafterstellung beruhenden tatsächlichen Herrschaftsmacht ist (vgl. die bei Dorazil, KVG2, 67 ff. zitierte Judikatur).

Daraus ergibt sich, dass gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 KVG die Steuer vom Wert der Leistung zu berechnen ist. Beim Vorliegen von Stückaktien besteht die Leistung des Gesellschafters in der Einbringung seiner Forderung an die Gesellschaft, die sich aus seiner Beteiligung an deren Rücklagen ergibt. Der Wert der anteiligen Erhöhung des Gesellschaftskapitals stellt somit den Wert der Leistung des Gesellschafters dar. Dass die von der belangten Behörde angenommene Bemessungsgrundlage nicht dem Wert der anteiligen Erhöhung des Gesellschaftskapitals entsprochen hätte, wird in der Beschwerde nicht behauptet.

Die Beschwerde erachtet weiters die Besteuerung von Kapitalerhöhungen durch Umwandlung von Gewinnen, Rücklagen oder Rückstellungen als gemeinschaftsrechtswidrig, weil eine solche nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 69/335/EWG nur dann zulässig sei, wenn diese Vorgänge am 1. Juli 1984 einem Satz von 1 v. H. unterlegen seien.

Die Beschwerdeführerin ist aber darauf hinzuweisen, dass zu dem genannten Zeitpunkt in Österreich ein Steuersatz von 2 v. H. anzuwenden war. Damit wurden aber die Richtlinienvorgaben erfüllt. Österreich kann daher auch nach dem Beitritt zur EU für diese Vorgänge Gesellschaftssteuer mit einem Steuersatz von 1 v. H. vorschreiben (vgl. dazu ausführlich das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 2005, Zl. 2004/16/0243, mwN).

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 26. September 2006

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